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Low Carb – nur Trend oder auch gesund?

Ein Leben ohne Kohlenhydrate klingt erst einmal unrealistisch. Doch dem Körper wird damit viel erleichtert. Diätassistentin Peggy Dathe weiß mehr.

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Kohlenhydratarme Ernährung unterstützt den Körper bei der Regeneration und liegt sogar in unseren natürlichen Ursprüngen.
Kohlenhydratarme Ernährung unterstützt den Körper bei der Regeneration und liegt sogar in unseren natürlichen Ursprüngen. © pexels.com

Morgens ein frisches Marmeladenbrötchen, mittags Spaghetti Bolognese und abends eine gute Brotzeit - bei fast jedem stehen Kohlenhydrate mehrmals täglich auf dem Speiseplan und machen uns bekanntlich glücklich. Laut Diätassistentin Peggy Dathe braucht unser Körper aber gar keine Kohlenhydrate zum Überleben. Im Interview erklärt sie warum.

Was bedeutet denn Low Carb? Wie definiert sich das?

„Übersetzt an sich nur erstmal „wenig Kohlenhydrate“. Es gibt keine offizielle Definition von Low Carb. Daher findet man immer etwas abweichende Angaben, aber im Großen und Ganzen doch ähnliche. Der Durchschnittsdeutsche nimmt pro Tag 250 – 300 g Kohlenhydrate zu sich. Alles bis maximal ca. 150 g Kohlenhydrate am Tag wird als Low Carb bezeichnet. Weitere Stufen sind dann noch:

  • liberales Low Carb High/ Healthy Fat (LCHF) bis zu 100 g Kohlenhydrate am Tag
  • normales LCHF bis zu 50 g Kohlenhydrate am Tag
  • striktes LCHF, oder auch ketogene Ernährung genannt, bis zu 25 g Kohlenhydrate am Tag

An der Abkürzung LCHF sieht man bereits, dass es hier gar nicht darum geht, dem Körper grundsätzlich Energie in Form von Kalorien zu nehmen. Je mehr man die Kohlenhydrate reduziert, desto höher ist die Fettzufuhr. Wenn die Kohlenhydratspeicher leer sind, nutzt unser Körper ja Fette zur Energieproduktion. Er betreibt Ketose oder einfach ausgedrückt aktiven Fettstoffwechsel.

Gerne wird im Zuge einer ketogenen Ernährung pauschal von „No Carb“ gesprochen. Das ist nicht richtig. Eine wohl formulierte und ausgewogene, ketogene Ernährung beinhaltet reichlich Gemüse und daher eben auch immer eine geringe Menge an Kohlenhydraten.

Ein riesiges Problem für Verbraucher ist, dass der Begriff „Low Carb“ nicht geschützt ist. Dadurch steht nicht selten auf Produkten „Low Carb“ drauf, obwohl noch immer reichlich Kohlenhydrate drin sind. Ein kleiner Helfer beim Einkauf ist der Blick auf die Nährwerttabelle. Bis zu 10 g Kohlenhydrate auf 100 g ist lowcarb. Der zweite Blick sollte aber auch noch auf die Zutatenliste gehen. Auch dort, kann dann noch der Teufel im Detail stecken.

Die ketogene Ernährung, also eine Ernährung fast ohne Kohlenhydrate, ist unsere artgerechte Ernährung. Jedes Baby, was auf die Welt kommt, ist in Ketose und wird, solange es voll gestillt wird, auch ketogen ernährt. Sich strikt kohlenhydratarm zu ernähren, ist daher keine neue Erfindung, sondern hat seinen Ursprung in der Evolution. Schon die Neandertaler haben sich vorwiegend von Eiweißen und Fetten ernährt. Kohlenhydrate hatten eine untergeordnete Rolle und wurden ab und zu lediglich in Form von Früchten oder auch Wurzeln aufgenommen. Eine kohlenhydratreiche Ernährung kam dann erst im Zuge der Entwicklung der Landwirtschaft auf."

Ein Leben ohne Kohlenhydrate - geht das?

"Unser Körper hat drei Hauptnährstoffe: Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. Gewisse Eiweiß- und Fettbausteine müssen wir für einen intakten Ablauf aller lebensnotwendigen Vorgänge im Körper zu uns nehmen. Sie sind essenziell. Es gibt jedoch kein einziges Kohlenhydrat, welches wir zu uns nehmen müssen, um zu funktionieren. Tatsächlich können Nervenzellen und rote Blutkörperchen ausschließlich Glukose, also Kohlenhydrate, für ihre Energieversorgung nutzen, aber diese Menge kann unser Körper selbst bauen. Was eben bei den lebensnotwendigen Eiweißen und Fetten nicht funktioniert. Kohlenhydrate müssen also nicht aktiv dem Körper zugeführt werden. Und genau das ist der entscheidende Unterschied. Kohlenhydrate sind nicht lebensnotwendig in der Zufuhr!", so Peggy Dathe.

"Bestes Beispiel ist unser Blutzuckerspiegel: Dieser ist nichts anderes als Kohlenhydrate im Blut. Nehmen wir an, Sie machen eine zweiwöchige Heilfasten-Kur mit Brühe. Ihr Körper bekommt keine Kohlenhydrate, aber der Blutzuckerspiegel bleibt stabil. Einem konstanten Blutzuckerspiegel kommt eine kohlenhydratarme Ernährung zugute. Denn der Körper erhält auch ohne Kohlenhydratzufuhr seinen benötigten Zucker. Er baut ihn einfach aus den eiweiß- und fetthaltigen Lebensmitteln. Kohlenhydratreiche Ernährung bewirkt hingegen ein starkes Schwanken des Blutzucker- und damit einhergehend des Insulinspiegels und lässt ihn mehrmals täglich in die Höhe schießen. Dadurch bekommen wir zeitnah wieder Hunger und greifen viel mehr zum Essen. Der gesunde Fettstoffwechsel kommt oftmals dadurch kaum noch zum Einsatz."

Von allen Seiten hört man doch aber, wie wichtig Kohlenhydrate sind. Warum scheint es so, als braucht der Körper Kohlenhydrate?

"Wenn wir unserem Körper Kohlenhydrate zuführen, verbrennt er zuerst diese, bevor er sein zweites Energiesubstrat nutzt und an die Fette geht. Auch das hat etwas mit der Evolution zu tun. Damals war es für den Körper normal, Fettstoffwechsel zu betreiben. Wenn es aber im Sommer ein paar Beeren bzw. Früchte zu essen gab, sollte zuerst daraus Energie produziert werden, bevor es wieder in den Fettstoffwechsel ging. Und so ist es bis heute: Zuerst werden Kohlenhydrate verbrannt, dann die Fette. Das macht den Eindruck, als wären Kohlenhydrate Energielieferant Nummer 1 und somit immens wichtig.

Heutzutage kommen wir aus diesem Kohlenhydratstoffwechsel aber gar nicht mehr heraus, wodurch wir uns die Tür zum Fettstoffwechsel selbst verschließen. Und das mit Folgen, denn im Fettstoffwechsel erfolgt z. B. die Zellregeneration viel intensiver und die Bildung freier Radikaler, die wiederum unsere Zellen angreifen, viel geringer.

Unsere Vorfahren konnten zwischen den beiden Stoffwechseln gut wechseln. Man nennt das „metabolische Flexibilität“. Die Kinder können das noch sehr gut – darum laufen die immer wie die Duracell-Häschen. Sind die Kohlenhydratspeicher leer, wird auf Fett umgeschaltet und weiter gehts. Je seltener wir den Fettstoffwechsel nutzen, umso schwerer fällt es unserem Körper. Ziel sollte diese Flexibilität sein. Aber die wenigsten Erwachsenen können das noch.

Denn oftmals verlernt der Körper auch Fettstoffwechsel zu betreiben. Er hat, aufgrund der Tatsache, dass er es nicht brauchte, die nötigen Enzyme dafür nicht parat. Daher geht es uns erst einmal schlecht, wenn wir keine Kohlenhydrate essen. Erste Anzeichen des Körpers sind meist Kopfschmerzen, Schwindel und Heißhungerattacken. Ziel dieser Symptome ist, uns wieder an unser Suchtmittel zu bringen. Das ist bequemer, als sich die Arbeit der Enzymproduktion zu machen. Oftmals ist dann die Schlussfolgerung „Low Carb ist nichts für mich.“ Wenn man an diesem Punkt aber durchhält und keine Kohlenhydrate zu sich nimmt, muss der Körper umdenken und Enzyme produzieren, damit der Fettstoffwechsel funktionieren kann. Ist das angekurbelt, gehts einem viel besser. Auch hier nochmal das Beispiel der Fasten-Kur: Anfangs geht es einem eher bescheiden – die Kohlenhydratspeicher sind leer und das Fett wird noch nicht genutzt. Bei den meisten kommt dann ein Fasten-Hoch – das ist der Moment, wo der Fettstoffwechsel läuft und uns guttut.

Das mit dem Suchtmittel ist kein Scherz. Kohlenhydrate sprechen dieselbe Hirnregion an wie Kokain oder Heroin. Der Begriff „Zucker-Junkie“ kommt also nicht von ungefähr.“

Sind Kohlenhydrate also schädlich für den Körper?

"Kohlenhydrate sind nicht schädlich für den Körper. Und Kohlenhydrat ist auch nicht Kohlenhydrat – da gibt es auch noch Unterschiede. Ich handhabe es gerne so: Alles was über 50 g Kohlenhydrate am Tag ist, ist Belastung für unseren Körper. Ich kann ihn aber auch entlasten, indem ich ihm bei der Verarbeitung der Kohlenhydrate unterstütze. Das geht mit Muskeltätigkeit. Die Kohlenhydrate werden dann nämlich in den Muskel geschafft und dort verbrannt und müssen nicht mehr den ganzen Weg über Blutzucker- und Insulinstoffwechsel gehen. Ich empfehle daher, in einem Zeitraum von ein bis zwei Stunden nach dem Verzehr von übermäßig Kohlenhydraten sich zu bewegen. Es gilt das Motto: Ich kann Kohlenhydrate essen – kein Problem – aber ich sollte sie mir verdienen. Wer Kohlenhydrate zum Abendessen verzehrt und sich danach aufs Sofa legt, muss sich dessen bewusst sein, dass der Körper einen Teil der Nacht mit dem Kohlenhydratstoffwechsel zu tun hat, bevor er in den regenerativen, verdienten Fettstoffwechsel übergehen kann.“

Was isst man bei einer ketogenen Ernährung?

"Gemüse bildet bei der ketogenen Ernährung die Basis. Einerseits zur Sättigung und als Lieferant von Ballaststoffen. Andererseits auch als Lieferant von wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen. Ergänzt wird die Basis durch zuckerarme Obstsorten, z. B. Beerenobst und Zitrusfrüchte und reichlich gesunde Fette, z. B. als Olivenöl, Kokosöl, Butter, Nussöle.

Erst dann kommen die Eiweißlieferanten, z. B. in Form von Eiern, Fleisch, Fisch, Wurst, Nüssen und Samen, Joghurt, Quark und Käse, dazu. Umgangssprachlich wird die ketogene Ernährung gerne mit der Atkins-Diät gleichgesetzt. Der Eiweiß-Anteil ist bei der Atkins-Diät aber viel höher. Die ketogene Ernährung ist keine Eier-Speck-Diät.

Es gibt hier viele Missverständnisse und viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Dazu bin ich gerne bereit.

Meine Überzeugung ist: Die Zahl der Zivilisationserkrankungen steigt unaufhaltsam aufgrund eines selbst angegessenen Fettmangel bei gleichzeitigen Kohlenhydratüberschuss.“