Kreis Meißen: Für Laubenpieper wird's teurer

Meißen. Über zwei Jahre lang konnten sich der "Kreisverband der Gartenfreunde Meißen e. V." und seine Mitglieder nicht treffen. Schuld daran waren die Beschränkungen durch Corona. In dem Verband sind 127 Kleingartenvereine, u. a. aus Nossen, Meißen, Coswig, Weinböhla, Radebeul und Radeburg, organisiert. Sie bewirtschaften insgesamt knapp 5.000 Parzellen. Dabei wäre eine persönliche Zusammenkunft durchaus wichtig gewesen. Denn nach dem überraschenden Tod von Günther Queißer im Mai 2020 war der Verband ohne Spitze. Der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Röhr führte seither die Geschicke weiter. In seiner Bilanz spielte u. a. die von der Stadt Meißen geplante Pachterhöhung eine Rolle.
Die Stadt habe im August 2021 ein Schreiben versandt und darin angekündigt, den Pachtzins für die städtischen Kleingärten von gegenwärtig 0,10 Euro pro Quadratmeter auf 0,20 Euro anzuheben, sagte Röhr. Gelten sollten die neuen Sätze ab 1. Januar 2022. Begründet hatte man die Steigerung mit einem neuen Bodengutachten. Daraufhin, so sagte Röhr, habe man Widerspruch eingelegt. Bisher ist die Anpassung der Pacht ausgesetzt. Im Juni bzw. Juli soll es dazu eine Aussprache im Rathaus geben. Röhr geht aber davon aus, dass dieses Thema auf viele andere Sparten im Landkreis zukommt.
Kalte Räumung
Ein weiteres Problem betrifft unliebsame Gartennachbarn. Dabei geht es um Menschen, die sich eine Parzelle nehmen und sie über Monate, manchmal Jahre, verwildern lassen. "In der Regel kündigt der Gartenverein dem Pächter und übergibt die Parzelle jemand anderem", sagte Rechtsanwalt Thorsten Hebbering. Bei der Räumung der Anlage, so der Jurist weiter, sollte man allerdings besondere Vorsicht walten lassen. In einem solchen Fall bekam ein Pächter vor dem Oberlandesgericht Dresden neulich recht. Er konnte glaubhaft machen, dass Gegenstände im Wert von 7.000 Euro dadurch aus seiner Laube verschwunden waren. Da der Verein nicht das Gegenteil beweisen konnte, unterlag er. "Kleine Vereine mit 10 bis 20 Mitgliedern landen dadurch schnell in der Insolvenz", sagte Hebbering. Im aktuellen Fall war die Sparte sehr groß, die finanzielle Last relativ gut verteilt. "Wenn der ehemalige Pächter überhaupt nicht erreichbar ist, dann sollte man die Beräumung dokumentieren – mit einem Protokoll, Fotos und Zeugen, die nicht dem Vorstand angehören", empfahl der Anwalt.
Für ein ähnliches Phänomen gibt es unter den Laubenpiepern schon einen eigenen Begriff: "Pachtnomaden". "Das sind Leute, die sich in vielen Gartenvereinen gleichzeitig einnisten, meist zum Feiern", erklärte Röhr. Seiner Ansicht nach sei das Bundeskleingartengesetz da zu lasch: "Ellenlange Mahnverfahren und am Ende kommt nichts raus." Röhr erzählt von einem ähnlichen Fall in der Region, der sich seit acht Jahren hinzieht, weil der Anwalt jedes Mal in letzter Sekunde eine Verlängerung rausboxt.
Grundsteuer: Post vom Eigentümer
Mit Leerstand haben hiesige Gartenvereine kaum zu kämpfen. "Wir haben Vereine, die komplett voll sind, aber auch Sparten, wo drei, vier Parzellen leer stehen", so Röhr weiter. In anderen Regionen Sachsens sieht es da wesentlich schlechter aus, wie Jürgen Kluge, Vizepräsident des Landesverbandes der Kleingärtner Sachsen, weiß. Er berichtete von Gartenvereinen in Ostsachsen, in denen inzwischen 150 von 200 Parzellen leer stünden. Wirtschaftlich sei das kaum noch zu stemmen. "Es gibt leider Regionen in Sachsen, da ist der Rückbau von Gartenanlagen an der Tagesordnung", sagte Kluge. Auf der anderen Seite werde der Druck vonseiten der privaten Grundstückseigentümer immer größer. "Mit acht oder zehn Cent pro Quadratmeter bekommen sie von uns quasi nur einen Apfel und ein Ei", so der Vizepräsident. Vor dem Hintergrund steigender Preise, würden die Eigentümer verstärkt nach Möglichkeiten suchen, um mehr Geld rauszuholen. Die Einhaltung des Bundeskleingartengesetzes sei daher der einzige Schutz den wir haben, so Kluge.
Wie er erzählte, müssten sich die Gartenfreunde in Sachsen demnächst auf Post von den Grundstückseigentümern gefasst machen. "Die Fragebögen stehen in Zusammenhang mit der Neuordnung der Grundsteuer", erklärte der Vizepräsident weiter. Da die Eigentümer nicht einfach so die Grundstücke bzw. Lauben betreten dürften, sind sie auf die Mithilfe der Pächter angewiesen. Gefragt wird u. a. nach der Laubengröße und übrigen Bebauung. Der Landesverband der Kleingärtner macht sich gegenwärtig für ein unbürokratisches Auskunftsverfahren bei der Landesregierung stark. "Wie und wann die Kleingärtner dran sind, wissen wir noch nicht", so Kluge.

Die Versammlung nutzte ihr erstes Treffen nach der Corona-Zwangspause natürlich auch, um sich personell neu aufzustellen. Mit einer Enthaltung und einer Gegenstimme wählten die 85 stimmberechtigten Mitglieder Steffen Hommel zum neuen Vorsitzenden des "Kreisverband der Gartenfreunde Meißen e. V.". Stellvertreter wurde Volker Otto. Hommel ist Chef des Kleingartenvereins "Erholung" in Weinböhla und gehört wie sein Stellvertreter schon viele Jahre dem Vorstand an. Der Boxdorfer hat klare Vorstellungen, wie das hiesige Kleingartenwesen, aber auch die Kommunikation zukünftig organisiert werden sollte.
Gärten ohne Strom und Wasser: Fort damit!
"Uns fehlen die Ehrenamtlichen. Es ist deshalb notwendig, perspektivisch mehr und mehr Verwaltungsaufgaben zusammenzuführen – ohne, dass die Identität bzw. juristische Selbstständigkeit der Vereine verloren geht", sagte der neue Vorsitzende. Denkbar wären beispielsweise zentrale Abrechnungen. Wichtig sind ihm zudem klare Zuständigkeiten. "Wenn es in einer Sparte Ärger mit Nudisten gibt, dann ist das nicht Sache des Kreisverbandes", sagte der 61-Jährige. Eine schwarze Liste für dubiose Garten-Interessenten hält er hingegen für äußerst problematisch. Stattdessen sollten die Vereine noch genauer hinschauen, wen sie aufnehmen. "Die Erhebung einer Kaution oder anderen Sicherheitsleistungen kann da ganz hilfreich sein", sagte Hommel. Er brachte außerdem eine Fusion mit den Verbänden in Großenhain und Riesa wieder ins Spiel.
Seinem Willen nach, sollen Kleingartenentwicklungskonzepte nach Meißner Vorbild auch in anderen Gemeinden, darunter Coswig, Radebeul und Weinböhla, erstellt werden. "Ziel ist die Entwicklung und Sicherung des Kleingartenwesens für die nächsten Jahrzehnte", so Hommel. Demnach müsse man nicht verpachtbare Fläche ausgliedern und den Eigentümern zurückgeben. "Wir haben auf Begehungen Anlagen gesehen, wo man nicht begraben sein möchte", sagte er. Er frage sich dann immer, wer derlei Parzellen bewirtschaften soll? Selbiges gelte für Gärten ohne Wasser- und Stromanschluss. In Sachen Kommunikation soll der Verband in Zukunft mehr von digitalen Möglichkeiten Gebrauch machen.
Beschlossen wurde außerdem eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge. Begründet wurde das u. a. mit dem steigenden Mindestlohn ab Oktober und den gestiegenen Kosten in den Bereichen Energie und Rechtsberatung. Zudem seien auch die Mitgliedsbeiträge für den Landesverband gestiegen. Der jährliche Mitgliedsbeitrag steigt damit 2023 von derzeit 17,50 auf 22 Euro, zuzüglich 50 Cent. Die 50-Cent-Pauschale fließt in einen Hilfe-Fonds für Schäden nach Naturkatastrophen. In dem Topf befinden sich derzeit 13.000 Euro. Pro schadenfreiem Jahr kommen 2.400 Euro hinzu.