Kornhaus Meißen: Zwangsversteigerung fällt aus

Meißen. Die Eigentümer des Gebäudes aus dem späten 15. Jahrhundert, das baulich zum Ensemble der Albrechtsburg in Meißen gehört, haben ihre Schulden bei der Stadt bezahlt. Das bestätigte Oberbürgermeister Olaf Raschke gegenüber Sächsische.de. Der Zahlungseingang sei am 28. Juni erfolgt. Damit sei der Grund der Zwangsversteigerung behoben. Die italienische Investorengruppe Venere Immobilien GmbH mit Sitz in Innsbruck hatte eine fünfstellige Schuldensumme angehäuft. Neben Grundsteuern waren auch Rechnungen für Abwasser und Sicherungsmaßnahmen aufgelaufen. Die Stadt Meißen, die bis 2008 Eigentümerin des zuletzt als Wohnhaus genutzten Gebäudes war, stellte den Antrag auf Zwangsversteigerung.
Diese wurde nun mit der Zahlung abgewendet und Zeit gewonnen, die Zukunft des Hauses zu planen. Meißens Oberbürgermeister Raschke kündigte an, gemeinsam mit dem Dombaumeister Dr. Knut Hauswald Kontakt zu der Investorengruppe zu suchen. Man wolle ausloten, welche Pläne es mit dem Gebäude, das ursprünglich zu einem Luxushotel umgebaut werden sollte, jetzt gäbe. "Die Stadt Meißen und auch die Mehrheit der Stadträte haben sich klar dafür ausgesprochen, das Haus auch eigentumsrechtlich wieder in die Albrechtsburg zu integrieren", so Raschke.
Möglich sei eine teilöffentliche Nutzung. Ideen gibt es viele. Sie reichen von einem Museum für Sächsische Landesgeschichte bis hin zu einem repräsentativen Gästehaus des Freistaates. Auch die laufende Bewerbung der Stadt Meißen als Unseco-Weltkulturerbe könnte bei der künftigen Nutzung des Kornhauses eine wichtige Rolle spielen, so Raschke.
Das aktuell große Interesse an dem Gebäude und seiner Zukunft sei lobenswert. "Aus den vielen Ideen lässt sich sicher ein tragfähiges Konzept entwickeln", so der Meißner Stadtchef. Eine Grundlage dafür soll die Machbarkeitsstudie liefern, die der Freistaat Sachsen beauftragen möchte.
Wie geht's jetzt weiter?
Die Stadt Meißen meldet den Geldeingang an das Amtsgericht in Dresden. Dort muss der zuständige Rechtspfleger entscheiden, ob damit die Gründe für die Zwangsversteigerung des Kornhauses entfallen. Bis dieser formelle Weg komplett durchlaufen ist, taucht der Versteigerungstermin allerdings weiterhin im Justizportal von Bund und Ländern auf. Nach der Nachricht vom Geldeingang auf dem Stadtkonto gab es die ersten Reaktionen.
"Ehrlich gesagt, habe ich mit sowas gerechnet", sagte Jens Mahlow vom Meißner Verein "Mit Zahnrad und Zylinder" in einer ersten Reaktion. Der Verein setzt sich u. a. für den Erhalt historischer Bausubstanz in Meißen ein. Wie Mahlow weiter erklärte, habe man nun wieder die Situation, wie die letzten 15 Jahre. "Wir werden auch weiterhin für eine öffentliche Nutzung kämpfen", sagte er. Der Verein sieht im Kornhaus Potenzial für eine multifunktionale Nutzung – u. a. mit Präsentationsflächen für die sächsischen Kulturräume, einer Jugendherberge mit Seminarräumen, einer Kleinkunstbühne und Erlebnisgastronomie und Ausstellungsräumen. Eigentumswohnungen zur Mitfinanzierung seien auch vorstellbar, hieß es. Zur Langen Nacht der Kunst, Kultur und Architektur am 2. Juli will der Verein das Kornhaus wieder illuminieren.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter äußerte sich erleichtert. "Ich habe mich gefreut, als ich erfahren habe, dass der Eigentümer seine Schulden beglichen hat", so Richter. Seiner Ansicht nach müssten sich jetzt Freistaat, die Stadt Meißen und die Zivilgesellschaft an einen Tisch setzen und Ideen sowie tragfähige Nutzungskonzepte für das Kornhaus entwickeln. "Es sollte auch das Gespräch mit dem Eigentümer aufgenommen werden, und zwar zeitnah", sagte der SPD-Mann gegenüber der SZ. Er warb gleichzeitig um Verständnis für die Zurückhaltung des Freistaates in der Angelegenheit. "Corona, Inflation und steigende Energiepreise: Die Staatsregierung ist seit über zwei Jahren im Krisenmodus. Da ist es nachvollziehbar, dass nicht alle Aufgaben sofort und zur Zufriedenheit aller bewältigt werden können", so Richter abschließend. Er hatte u. a. einen offenen Brief zur Rettung des Kornhauses initiiert, der von zahlreichen Prominenten unterzeichnet wurde. Letzter bekannter Name auf der Liste: Roland Kaiser.
Die AfD wollte ursprünglich als Bieter bei der Zwangsversteigerung auftreten. Der Bundesvorstand habe dem Bundesschatzmeister Carsten Hütter dafür eine Summe genannt, bis wohin er mitbieten dürfe. Der Betrag habe deutlich über dem Startangebot gelegen, hieß es. Wie viel genau dazu wollte sich Hütter nicht äußern. Das würde sonst die weiteren Verhandlungen mit dem Eigentümer behindern. "Die AfD hat weiterhin Interesse, das Kornhaus in Meißen zu kaufen. Als Nächstes werden wir auf die Eigentümer zugehen", erklärte Hütter. Er verbucht die Initiative seiner Partei als Erfolg: "Wir haben die Thematik Kornhaus in die Öffentlichkeit und in aller Munde gebracht."
Bei der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stieß die Absage auf positives Echo. "Ich bin sehr froh, dass die angekündigte Zwangsversteigerung des Kornhauses in Meißen doch noch abgewendet werden konnte. Ich danke allen Beteiligten und insbesondere auch der Stadt Meißen für ihren Einsatz in dieser Sache. Somit konnte vorerst verhindert werden, dass das Kornhaus als historisch bedeutender Teil der Schlossanlage der Albrechtsburg zu einem rechten Veranstaltungsort wird", sagte Thomas Löser, Sprecher für Denkmalschutz und Stadtentwicklung. Seiner Ansicht nach sei der Freistaat gemeinsam mit der Stadt und den Eigentümern in der Pflicht, das Meißner Kornhaus als Standort etwa eines wissenschaftlichen Institutes oder eines landesgeschichtlichen Museums prioritär zu prüfen. Dazu sei die zügige Erstellung des im Doppelhaushalt 2021/22 bereits beschlossenen Nutzungskonzeptes nötig.