Meißen. Der Meißner Landrat Ralf Hänsel hat nach überstandener Coronainfektion den Kreisräten ein Konzept für ein dichtes Coronatest-Netz vorgestellt. Zuvor hatte der Behördenchef im Rahmen der Bürgerfragestunden mit sehr deutlichen Worten seinen Unmut über die bisherige Pandemiepolitik von Bund und Land geäußert.
Er sowie eine übergroße Zahl der sächsischen Landräte und Bürgermeister seien weder mit den bislang ergriffenen Maßnahmen noch mit den genutzten Maßstäben einverstanden. Ausgeweitete Tests müssten unweigerlich zu steigenden Inzidenzwerten führen. Damit seien diese jedoch nicht länger nutzbar, um daran automatische Schließungs- beziehungsweise Öffnungsschritte zu koppeln.
Immer wieder sprächen er und seine Kollegen diese Punkte in Dresden oder auch Berlin an. "Es ändert sich aber wenig bis nichts", so Ralf Hänsel. Dieses Weghören sei fatal, da sich dadurch eine große Unzufriedenheit allenthalben breitmache. Ein Verweis auf die kommunale Selbstverwaltung helfe jedoch nicht. Der Landkreis könne nicht selbst gesetzgebend tätig werden.
Schulen nicht nach Inzidenzwerten schließen
Besonders großen Handlungsbedarf sieht der Behördenchef bei Kindergärten und Schulen. Seinen Angaben zufolge haben das Landratsamt in der Zeit der Pandemie dreimal so viele Anzeigen wegen Kindswohlgefährdung erreicht wie sonst üblich. Mit einem engen Testregime könnten aus seiner Sicht die Kitas offen gehalten werden. Bei den Schulen müsse man zusätzlich darauf achten, die Schüler in Gruppen zu separieren, um bei positiven Fällen so wenig wie möglich Kinder nach Hause schicken zu müssen. Das generelle Schließen von Schulen beim Erreichen eines kreisweiten Inzidenzwertes lehne er ab. "An einer Teststrategie und am Impfen führt kein Weg vorbei", so der 50-Jährige.
Zur aktuellen Pandemielage im Kreis gab der Landrat am Donnerstag an, dass auch zwischen Strehla und Radeburg die Corona-Mutationen auf dem Vormarsch seien. Mittlerweile gebe es 180 Fälle der englischen Variante. Das Gesundheitsamt sei darauf vorbereitet, wenn wieder mehr nachverfolgt werden müsse. Im Landratsamt könne das Personal variabel eingesetzt werden. Hinzu kämen Reserven bei den Landesbediensteten und der Bundeswehr. Technisch sei man mittlerweile ebenfalls gewappnet. In den Kliniken gebe es keinen einzigen Fall von Kurzarbeit. Dem oft geäußerten Argument, das Gesundheitswesen werde kaputtgespart, trat Hänsel entgegen und verwies darauf, dass der Kreis 90 Millionen Euro in die Elblandkliniken investiere.
Lockerungen bei wenigen Fällen ermöglichen
Für die nächsten Monate kündigte der Politiker den Aufbau eines flächendeckenden Teststellennetzes im Landkreis an. Zu den bereits von der Kassenärztlichen Vereinigung genehmigten sechs Testzentren sollten weitere 13 Punkte kommen. Dort könnten sich die Einwohner des Kreises einmal wöchentlich kostenlos testen lassen. Ergänzend existieren Angebote von Ärzten und Apothekern. Geprüft wird zudem, die freiwilligen Feuerwehren einzubinden. Damit ließe sich vor allem der ländliche Raum komplett erschließen.
Hänsel strebt eigenen Worten zufolge an, die Ergebnisse der Tests über eine App umgehend der jeweiligen Testperson sowie dem Gesundheitsamt zukommen zu lassen. Dort sollten die Daten in einer Datenbank mit den Ergebnissen der Tests in Unternehmen, Kindergärten und Schulen zusammengebracht werden. An einer Vernetzung mit der App zur Kontaktnachverfolgung werde gearbeitet.
Auf diese Weise würde das Gesundheitsamt ein umfassendes Bild über die Pandemie-Lage in der Region erhalten. Es gäbe die Möglichkeit, auf der einen Seite schnell und gezielt gegen Hotspots vorzugehen. Auf der anderen Seite könnte in Regionen mit geringen Fallzahlen gelockert werden. Hierfür bietet sich die von dem Hamburger Rapper Smudo mit entwickelte App Luca an.
App sollte länderübergreifend funktionieren
Beifall für diese Idee gibt es von der Meißner CDU-Landtagsabgeordneten Daniela Kuge. Sie steht schon längere Zeit mit den Entwicklern der Luca-App in Kontakt und befürwortet deren sachsenweiten Einsatz. Beim Gesundheitsministerium in Dresden habe sie dafür bereits geworben, so die Christdemokratin. Dort liebäugele man jedoch mit einer eigenen Anwendung für den Freistaat. Das eine müsse das andere nicht ausschließen. "Die Pandemie macht an Ländergrenzen nicht halt. Da wäre es gut, eine App zu nutzen, die deutschlandweit funktioniert" so Daniela Kuge.
Wie die Landespolitikerin weiter sagt, gibt es für die Luca-App viele Sympathien in der Region. Klipphauses Bürgermeister Mirko Knöfel (parteilos) spreche sich ebenso wie viele Unternehmer für diese Technik aus.