5 Fragen – 5 Antworten an und von Heiko „Hahny“ Hahnewald, der die Welt Kopfstehen lässt.
Von
Christiane Weikert
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Lässig sitzt er mir gegenüber. Auf einer Parkbank im kühlen Schatten des Heinrichsplatzes. Heiko „Hahny“ Hahnewald. 2-facher DDR-Meister im Break Dance, gefragter Zeitzeuge und ein kultiger Typ aus Meißen.
Hahny, wie bist du zum Break Dance gekommen?
„Ich wollte immer schon Artist werden, das hat mich als kleines Kind schon fasziniert. Ich war auch immer der erste, der mit leuchtenden Augen die Ankunft der Zirkuswagen auf den Elbwiesen erwartet hat. Es war schön, das Entstehen des Zeltes mitzuerleben und natürlich auch die Tiere aus der Nähe zu sehen, war ja was Besonderes für uns.
Angefangen habe ich dann im Alter von 6 oder 7 Jahren mit meinen Geschwistern kleine akrobatische Vorführungen für meine Eltern aufzuführen. Später bin ich dann in das „Artistenzentrum“ in Meißen gegangen und habe fleißig trainiert. Leider bin ich dann erstmal beim Fußball gelandet und war da 13 Jahre aktiv."
Die neue deutsche Welle kommt
"Trotzdem blieb ich immer mit dem Hip-Hop verbunden. Während meiner ersten Discophase und mit dem Aufkommen der „Neuen deutschen Welle“ Anfang der 80er Jahre, haben wir dann angefangen, unsere Tanzschritte zu perfektionieren. Es war eine Mischung aus Pantomime, Robot-Dance und akrobatischen Bewegungen. Das alles in eine ansehnliche Reihe zu bekommen, war schon am Anfang schwierig.,“ erinnert sich Hahny und lacht. „Aber die Zuschauer fanden es cool. Es war ja eine vollkommen neue Kultur und Tanzrichtung. Und wer in dem sogenannten „Tal der Ahnungslosen“ wohnte) (Übersetzung: Menschen, die kein Westfernsehen schauen konnten) hatte ja vorher noch nie richtig was davon gehört.“
14.06.1985 – der Film „Beat Street“ kommt in die Kinos. Ein Meilenstein für Dich?
„Natürlich, ich habe ihn mindestens 10mal geschaut zur damaligen Zeit. Ab jetzt wurde der Stil richtig populär und eine Breakdance-Welle überrollte Europa. Es war ein Ansturm auf die Kinos und wir waren mittendrin in dieser neu entstehenden Szene. Wir haben erstmal Anoraks gekauft und die Ärmel abgeschnitten, so hatten wir die typischen dicken Jacken aus dem Film. Mit Schablonen haben wir uns mit Textilfarbe Schriftzüge auf den Rücken geschrieben. Man musste erfinderisch sein."
Ein stimmiges Körpergefühl für Bewegungen
Der Film war für mich und unsere Gruppe, die „Hahnys Break Crew“, ein riesiger Motivationsschub. Es zeigte uns, was alles möglich ist in dieser Richtung. Dann haben wir trainiert, trainiert, trainiert und waren im Grunde genommen unsere eigenen Lehrmeister. Das Körpergefühl musste stimmen und mit der Zeit wurden unsere Bewegungen auch immer flüssiger und stimmiger."
"Wir sind dann viel rumgezogen und haben einfach „gebreakt“. In Meißen in Durchgängen, am Akti oder im Bahnhof, auf der Prager Straße in Dresden. „Street Dance“ – eine neue Kultur, neue Musik, ein neuer Lebensstil. Von Hip-Hop hatte man zu damaligen Zeiten ja nun noch nicht richtig viel gehört, es gab keine Schallplatten und im Radio kam solche Musik nicht. Für viele ostdeutsche Jugendliche war es einfach ein Weg, aus dem Leben in der DDR kurz auszubrechen.“
Durch deine Breakdancegruppe „Hahnys-Break Crew“ habt ihr die Aufmerksamkeit dann auf Euch gezogen. Wie ging es dann künstlerisch für Dich und Deine Crew weiter?
„In vielen Discos, Tanzhallen und Sälen wurden jetzt sogenannte „Battles“ ausgetragen. In der ehemaligen DDR war die Situation und die Affinität zu Hip-Hop ja nicht ganz so einfach. Immerhin waren Breakdance, Graffiti, Rap und Scratch-DJ´s Ergebnisse einer westlichen Gesellschaft. Wir alle wissen, wie die damalige Regierung mit solchen Einflüssen umging.
Wir wurden aber dann vom Kreiskulturzentrum unterstützt und konnten in angebotenen Räumen trainieren. War immerhin besser als auf Omas Parkettfußboden. Später erhielten wir dann eine Einstufung und eine staatliche Lizenz und konnten Tourneen quer durch die DDR machen. 1989 hatten wir bis zu 270 Shows im Jahr."
DDR-Meister im Break-Dance
"1987 bin ich bei den Breakdance-Meisterschaften DDR-Meister im „Solobreak“ geworden und 1988 mit der Crew. Das waren schöne Momente und die Mama war super stolz auf mich!“, grinst Hahny „Das ist sie auch heute noch. Schließlich tanze ich jetzt schon seit 37 Jahren.
1990 bin ich dann nach Stuttgart gezogen, habe aber den Kontakt zu unserer heimischen Crew nie abbrechen lassen. Wenn wir Shows hatten, bin ich natürlich angereist. Allerdings hatte ich in den alten Bundesländern damals mehr Möglichkeiten, neue Kontakte aufzubauen, heute würde man es „netzwerken“ nennen. Ich habe unwahrscheinlich viel Erfahrung sammeln können, bin zu Battles gefahren und konnte so meine Fähigkeiten erweitern.
1994 bin ich zurück in die Heimat und habe dann unsere Crew neuformiert und mit den „Skyliners“ einen neuen Start vollzogen.“
Wenn ich Dich so direkt fragen darf: Hahny, du bist 55 Jahre jung. Du reist durch die Welt und stehst überall Kopf. Wie leicht fällt dir das heute noch?
Jetzt lacht Hahny geschätzte 5 min….
„Es macht mir immer noch riesigen Spaß, aber es gehört natürlich eine gehörige Portion Selbstdisziplin dazu. Ich rauche und trinke nicht. Ich trainiere natürlich sehr viel und da kommt es schon mal vor, dass es hier oder da mal zwackt, aber das ignoriere ich dann auch mal.
Ich habe das Glück, dass ich mich bei der Ausübung meines Sportes noch nie ernsthaft verletzt habe. Aber kein Sportler ist immer top in Form."
Und die Welt steht Kopf
"Ja und das Kopf stehen? Ich bin ein kreativer Mensch und ich fand die Idee vom „Head-Freeze“ auf der ganzen Welt toll. Ist ja auch für mich eine schöne Imagewerbung. Ich kann viel damit erreichen, kann die Schönheit einer Landschaft zeigen oder auch mal auf Probleme Aufmerksam machen."
"Und ich kann auch auf meinen Sport hinweisen. Wie jeder haben auch wir Nachwuchsprobleme. Die Auswahl an freizeitlichen Aktivitäten ist einfach zu groß und dann fehlt auch etwas das Durchhaltevermögen oder die Beständigkeit bei Kindern. Die gesellschaftliche Entwicklung ist heute so schnelllebig: was mich heute noch interessiert, ist schon morgen „Oldschool“. Wenn ich mich daran erinnere, dass wir damals ohne Internet ausgekommen sind – aber es hat funktioniert. Wir haben einfach mehr miteinander geredet.“
Wo kann man dich heutzutage so erleben?
„Ich habe einige Projekte. So arbeite ich sehr gern als DDR-Zeitzeuge für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Ich erzähle interessierten Kindern und Jugendlichen über die Musik und natürlich ganz im speziellen über die Hip-Hop-Szene in der DDR.
Ich arbeite als Jurymitglied, z. B. am 26.06.2021 bei der Veranstaltung „Bring it back Jam“ auf dem Marktplatz in Meißen. Das ist eine Veranstaltung von 84TIL Zentrum für urbane Kultur, The Saxonz, welche ich logistisch und organisatorisch unterstütze. Wir bieten Breaking- und Graffiti-Workshops und natürlich verschiedene Battles. 17 Uhr gibt es ein Showprogramm mit der Elbland Philharmonie Sachsen.
Im November bin ich dann als Gast bei der Show „Kaff & Kosmos“ im Stadttheater Meißen dabei.
Und mein nächstes „Head Freeze Reiseziel“ ist die Chinesische Mauer.“
Vielen Dank für das Gespräch. Hahny, weiterhin Hals- und Beinbruch!
Meißen hat sie - Meißen.Lokal stellt sie vor: Kultige Typen
Manche Meißner haben einen gewissen Kultstatus in der Stadt an der Elbe inne. Viele kennen sie nur unter originellen Spitznamen oder Titeln. Sie sind absolut einmalig. Welche Persönlichkeit steht hinter dem kultigen Typen? Meißen.lokal kennt sie alle und Sie auch bald!