Merken

Kulturelle Stille, aber digitaler Wille?

Wir haben nachgefragt beim Hafenstraße e.V. Meißen. Ein soziokulturelles Zentrum: von Menschen, mit Menschen und für Menschen.

Von Christiane Weikert
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Chef der KulturKneipe, Heiko „Heinz“ Nemitz
Chef der KulturKneipe, Heiko „Heinz“ Nemitz © Hafenstraße e.V. Meißen

Der Hafenstraße e.V. in Meißen, wer kennt ihn nicht. Gegründet 1991, hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht: “Von Menschen – Mit Menschen – Für Menschen” zu engagieren für die Integration verschiedener Altersgruppen, sozialer Schichten und Nationalitäten, die Förderung von beruflicher Bildung sowie die Unterstützung, Begleitung und Hilfe für sozial benachteiligte Gruppen und Einzelpersonen einzusetzen. Ein breit gefächertes Spektrum und wichtige Anlaufstelle, auch für Kinder und Jugendliche im Landkreis.

Dutzende Male kehrte man in den letzten 3 Jahrzehnten hier ein, ging zum Konzert, zum Tanz oder einfach bei „Heinz“ in die KulturKneipe ein Bier trinken. Irgendwie wird man wehleidig, wenn man jetzt im leeren Saal steht und auf die Bühne schaut. „Ohne uns wird es still“.

Ralf Urban, der Vorstandsvorsitzende der „Hafi“, wie sie liebevoll von den Gästen genannt wird, sitzt am Tisch bei einem Kaffee. Dazu gesellt sich Veranstaltungsleiterin Antje Kypke.

„Wie still ist es denn?“, fragt die Redakteurin von Meißen.Lokal.

Antje Kypke: „Ich will nicht direkt sagen still, eher etwas ruhiger. Auch uns setzt die anhaltende Situation in der Kunstszene ganz schön zu. Aber wir mussten umdenken, um einige unsere Angebote aufrecht zu erhalten. Leider können wir nicht alles umsetzen, nur im Rahmen des Möglichen und des momentan Erlaubten. So bieten wir in regelmäßigen Abständen „Onlinekonzerte“ an, also Musikstreaming. Die Tickets kann man für 19,00 € erwerben und sich dann zuschalten. Im Schnitt haben wir bis zu 100 Zuschauer. Der Vorteil daran ist, man erreicht Leute bis nach Nepal, die sich live zuschalten. Wir werden internationaler.“, lacht Antje.

Ralf Urban: „Was natürlich fehlt, ist das typische „Konzertfeeling“. Die Menschen fehlen, der persönliche Kontakt. Die Anspannung vor einem Konzert. Bühnencheck, Lichtcheck, schmeckt das Künstlercatering, sind die Getränke in den Kühlschränken, sind alle Barkräfte da bis hin zur Frage, ob die Garderobenfrau schon da ist. Ja, es ist still, aber wir hoffen jeden Tag auf Lockerungen, wenigstens unter freiem Himmel, damit wir wieder unsere Aktivitäten für Kinder und Jugendliche anbieten können.“

„Was meint ihr: Wird sich die Kulturszene verändern?“

Antje Kypke: „Nein, ich persönlich glaube das nicht. Digitale Kultur kann und darf keine Dauerlösung sein. Ich betrachte es eher als Alternative. Obwohl wir für die Zukunft darüber nachdenken, auch Hybrid-Veranstaltungen bei einigen Konzerten anzubieten. Wir erreichen dadurch eine viel breitere Masse an Zuschauern und auch die, die sich vielleicht bisher nicht auf ein Konzert „getraut“ haben oder aus familiären Verpflichtungen keine Zeit dafür hatten. Und auch für die Musiker ist das Publikum doch das wichtigste: Der Applaus, die „Zugabe-Rufe“ und vieles mehr. Live ist eben Live.“

Ralf Urban: „Ich habe da eine geteilte Meinung darüber. Auf der einen Seite hat man Angst, dass sich die Leute an den Zustand gewöhnen und inaktiver werden, die Wertigkeit der Livekultur etwas zurückstellen und sich eher das Konzert „später im Internet anschauen oder einfach zu Hause auf dem Sofa streamen“. Das ist dann der Schub in Richtung Digitalisierung. Livekultur darf kein Luxusgut sein, welches man besparen sollte. Auf der anderen Seite darf man dem Fortschritt auch nicht im Wege stehen und muss sich neuen Herausforderungen stellen, egal ob man schon älter als 40 ist, da spielt einfach alles zusammen.“, lacht Ralf Urban in Richtung seiner Veranstaltungsmanagerin.

„Ist das Alter eigentlich entscheidend, ob 'Digitalisierung ja' oder eher 'Lass mich damit bloß zufrieden'?“

Antje Kypke: „Ja, natürlich. Die jetzige Generation wächst ja digitalisiert auf. In Ralfs Generation hat man sich noch Eintrittskarten an der Abendkasse gekauft, nicht über ein Ticketsystem. Aber wir wollen ja jedes Alter bedienen, darum wird es in der „Hafi“ immer eine gesunde Mischung geben.“ Antje lacht und Ralf nickt zufrieden.

„Was habt ihr für die nächsten Monate geplant?“

Antje Kypke: „Naja, das Kunstfest musste auf Grund der derzeitigen Beschränkungen ins Jahr 2022 verschoben werden. Also machen wir jetzt noch ein paar Onlinekonzerte, führen unsere digitalen Angebote für alle Generationen weiter, bleiben per "zoom" und "Skype" mit den Menschen in Kontakt, dann planen wir das „Ritterferienlager – Mit dem Fahrrad ins Mittelalter.“ Das ist ein kostenloses Angebot für Kinder und Jugendliche im Alter von 10 – 17 Jahren. Außerdem arbeiten wir an der Konzeption für unser Kunstmobil. Eine rollende Bühne mit Livemusik, Workshops zum Lernen, wie ich ein Musikinstrument spielen kann und so weiter. Kinder- und Jugendarbeit – eine der Grundlagen der Sozikultur – Menschen zusammenbringen! Und dann natürlich das Hafenstraßenfest. Wir werden im September 30 Jahre alt!"

„Das klingt alles toll. Wie finanziert sich der Hafenstraße e.V. eigentlich?“

Ralf Urban: „Über Förderungen. Kerstin Urban ist der „Förderfuchs“ und schon seit 20 Jahren bei uns im Verein. Sie recherchiert, stellt Anträge und hilft uns damit ungemein. Wir können Technik anschaffen, um unser Angebot für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene immer mehr zu erweitern. Workshops, kreative Kurse wie „Hans kann´s doch“, nähen oder musizieren und so vieles mehr. Wir wollen das stetig erweitern und weiterhin möglichst kostenlos anbieten. Wir erhalten auch viel Unterstützung von der Stadtverwaltung und auch von Vereinen wie dem MSV 08, der uns für das umgeplante Kunstfest die Sportanlage „Heiliger Grund“ zur Verfügung gestellt hatte.“

Antje Kypke: „Viele hier arbeiten im Ehrenamt. Ich habe auch so angefangen. Man möchte einfach zum Team gehören, um die Kultur mitzugestalten. Es ist ein Miteinander von Jung und Alt und ich finde es toll, hier tätig zu sein. Es kommen auch wieder buntere Zeiten.“

Wir verlassen die Hafenstraße mit einem guten Gefühl und hoffen, am 11. September mit dem Hafenstraße e.V. auf 30 Jahre anstoßen zu können. Um dann bei Heinz in der KulturKneipe zu sitzen und die magischen Worte zu sprechen: „Ich nehm´ noch eins, Heinz.“

© Hafenstraße e.V.