Meißen. Sandra, die Perkussions-Dame mit Stahl-Dreadlocks, sorgt gemeinsam mit dem "Drumboy" für den richtigen Beat. Dann setzen Micha Winkler und Bertram Quosdorf mit Tuba und Saxofon ein. Es entspinnt sich eine experimentelle Koproduktion zwischen Mensch und Maschine, die das Publikum auf eine verrückte, musikalische Reise mitnimmt. Das Ganze passt richtig gut zum Ort des Geschehens: den Meißner Bahnhof. Voll abgefahren die Nummer.
In der Zwischenzeit präpariert der Dritte im Team "Mensch", Stefan Albrecht, die Riesenmusikwalze "Meta". Auch diese gibt ihren musikalischen Senf zu den jazzigen Arrangements. Ein grandioser Abschluss des Kultursommers am Freitagabend mit viel Applaus zum Schluss. Der Bahnhofsmanager bemerkt nebenbei, welches Potenzial die Empfangshalle des Bauhaus-Ensembles für derlei Veranstaltungen doch habe.
"Es war stellenweise sogar zu warm"
Die Familienamtsleiterin fasst sich schließlich ein Herz und dankt spontan mit einer kurzen, emotionalen Rede ihrer Kollegin für den Einsatz beim Kultursommer. Meißens Kulturreferentin gönnt sich wenig später ein Bier – nach wochenlanger Abstinenz. Man sah förmlich, wie die Erleichterung von ihr abfiel.
Ein paar Tage später sagt Sara Engelmann, dass sie wirklich erleichtert ist. Es ist überhaupt nicht das Erleichtertsein, dass es nun (endlich) vorbei ist. Vielmehr ist es das gute Gefühl, dass der Kultursommer so gut gelaufen ist. "Mit dem Wetter hatten wir diesen Sommer echt Glück gehabt. Es war stellenweise sogar zu warm", erzählt sie.
Engelmann weiß, dass es auch anders laufen kann. Als das "Kinetik Art Orchestra" im vergangenen Jahr unter der Eisenbahnbrücke spielte, musste nach einer halben Stunde abgebrochen werden. Platzregen. In gewisser Weise beschreibt das gut, in welcher Ungewissheit man als Organisator ständig lebt. Man weiß vorher nie so genau, wie es wird, ob alles klappt, und wer überhaupt kommt.
Kaum eine Veranstaltung geschwänzt
Über Letzteres braucht man sich keine Gedanken zu machen. Als der Kultursommer an den Start ging, damals noch um die coronagebeutelte Kulturbranche wieder in Fahrt zu bringen (Stichwort: Neustart Kultur), kamen im Schnitt 30 bis 40 Gäste pro Veranstaltung. Inzwischen sind es 200 bis 250.
Frau Engelmann hatte dieses Jahr einen kleinen, nicht repräsentativen Versuch unternommen, herauszufinden, wer da eigentlich im Publikum sitzt. "Wir haben nicht nur Meißner, auch aus Radebeul, Klipphausen, Coswig und weiteren Orten im Umland kommen Gäste zu den Veranstaltungen des Kultursommers – in der Regel ganz gezielt", sagt sie. Stammgäste gäbe es inzwischen auch, schmunzelt sie.
Seit dem Start im Juni hat sie kaum eine Veranstaltung geschwänzt. Die Familie musste zurückstecken. Nur einmal waren ihre Kids dabei – beim "Down to the Beat"-Festival. "Die Familie mit auf die Veranstaltungen nehmen funktioniert nicht. Ich brauche dafür einen freien Kopf", sagt sie. Wir reden wohlgemerkt über zweieinhalb Monate und volles Programm an den Wochenenden. Teilweise wurde auch in der Woche das Publikum "bespielt", zum Beispiel beim beliebten Spielplatzformat. "In Summe waren dieses Jahr gut 250 Kinder dabei", freut sich Meißens Kulturreferentin.
Das nächste Highlight steht schon an
"Ich mach’ das natürlich nicht allein. Es gibt viele Kooperationspartner", gibt sie zu, und dankt ihnen an der Stelle. Die kommenden Tage wird noch ein bisschen ausgewertet, danach geht's schon in die Planung fürs kommende Jahr. Die Schattenspender-Thematik wird dann auch eine Rolle spielen, und wer wann wo auftritt. "Wir versuchen natürlich, mit den Veranstaltungen in die Stadtteile zu gehen, und Orte, die nicht so bekannt sind, in den Fokus zu rücken. Das klappt von Jahr zu Jahr besser", sagt sie.
Dieses Jahr war u.a. auch der Park im Katharinenhof an der Reihe – den fantastischen Ausblick aufs Elbtal gab's inklusive. Auch die St. Urbans-Kirche und die Klosterruine Heilig Kreuz waren im Kultursommer-Kontext Neuland. Nicht zu vergessen: die Keramik-Radtour durch die Stadt. Sie soll 2025 ins touristische Programm aufgenommen werden.
Gefragt nach einem Ereignis, das ihr gut in Erinnerung geblieben ist, muss Sara Engelmann nicht großartig überlegen. Es war das gemeinsame Singen im Nikolaipark, als ein Mann, der im Park Bier getrunken hatte, ans Mikro trat, und seine Lebensumstände schilderte. "Das war authentisch und für mich ein Impuls, nochmals ganz anders über den Kultursommer nachzudenken", sagt sie.
Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Veranstaltungsreihe ist, dass alle Events für die Besucher kostenfrei sind. Dafür wird jedes Jahr Geld im Meißner Haushalt bereitgestellt. Inzwischen steht schon das nächste Highlight an, jedenfalls aus Kulturreferentin-Sicht: das Konzert zum Weltkindertag auf dem Meißner Markt am 20. September. Wie man hört, kommt Jan und seine Superband in die Stadt. Und für den Bahnhof gibt es auch schon eine neue Idee.