Meißen: 5.000 Euro Strafe für Spitzelauftrag

Meißen. Richter Ernst Brandt muss am Mittwochmittag bei der Urteilsverkündung am Landgericht Dresden wie bei der Hauptverhandlung erneut den Kopf schütteln. Unverständlich bleibe ihm, weshalb dieser Streit vor dem Kadi landete, so der Jurist. Für ihn habe die Sache klar auf der Hand gelegen. Eine gütliche Einigung wäre besser gewesen. Die Volkssolidarität Elbtalkreis (VS) und ihr bisheriger Chef Frank Stritzke haben dem Urteil des Richters zufolge 2018 gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen.
Der Hintergrund: Ein Autohauschef aus dem Elbtal hatte sich aus Interesse für die Ausfahrten um Mitgliedschaft im VS-Unterverein Interessengemeinschaft Zeitreise-Oldtimer beworben. Obwohl er sich gegen die Weitergabe seiner Daten entschied, gingen diese direkt an die Privatdetektei Alldek Saxonia. Deren Chef Lutz Peschel, mit dem der Wohlfahrtsverband zuvor bereits in Arbeitsrechtssachen kooperierte, erkundigte sich umfangreich. Die Volkssolidarität zahlte dafür, unter dem an Stasi-Jargon erinnernden Stichwort "Dossier", über 1.400 Euro. Später kam die Sache ans Licht. Der Autohauschef klagte.
Vorgeschützter Extremismus-Verdacht
Die Höhe des Schadenersatzes für den Datenrechtsverstoß sieht Richter Brandt vor allem durch die Unbekümmertheit gerechtfertigt, mit der in der Sache vorgegangen worden sei. Der klagende Unternehmer habe zum Aufnahmeantrag direkt eine Einzugsgenehmigung erteilt und mit einem Mal den Jahresmitgliedsbeitrag bezahlt. Das von Frank Stritzke und den Rechtsanwälten der Volkssolidarität verwendete Argument, der Dachverband habe dazu aufgefordert, neue Mitglieder auf extremistische Aktivitäten zu überprüfen, bezeichnete Ernst Brandt als "an den Haaren herbeigezogen". Bei der mündlichen Verhandlung war zudem klar geworden, dass im Hintergrund eine Frauengeschichte schwelte, welche möglicherweise das entscheidende Motiv für den Spitzelauftrag lieferte.
Für Juristen war der Prozess insofern von besonderem Interesse, da es sich womöglich um das erste Urteil in Sachsen nach Paragraf 82 der Datenschutzgrundverordnung handelt, welcher Haftung und Schadenersatz regelt. Inwieweit die Sache vor das Oberlandesgericht geht, wird sich noch entscheiden. Der klagende Unternehmer äußerte am Mittwochnachmittag, sich hierzu mit seinem Anwalt beratschlagen zu wollen.
Folgen zwei weitere Fortsetzungen?
Als Vertreter der Volkssolidarität wollte Vorstand Sven Krell am Mittwochmittag den Ausgang des Zivilverfahrens gleichfalls nicht kommentieren. Der Verwaltungsrat und andere Gremien des Verbandes würden mit den Juristen entscheiden, auf welche Weise in der Angelegenheit weiter vorgegangen werden soll. Krell war vor dem Landgericht als einziger Beteiligter erschienen.
Der mündlichen Verhandlung am 21. April hatte noch Frank Stritzke als Vorstand der Volkssolidarität zusammen mit drei Rechtsanwälten beigewohnt. Mittlerweile hat ihn der Verwaltungsrat von seinen Aufgaben entbunden. Neben dem Datenschutzverstoß gab es unter Mitarbeitern Kritik am Führungsstil Stritzkes. Offenbar war eine größere Anzahl der Ansicht, dieser habe – ungeachtet aller großen Verdienste – die Bodenhaftung verloren. Zudem kamen Fragen auf, ob sein Oldtimer-Faible den Wohlfahrtsverband nicht unnötig Geld gekostet habe, das andernorts besser angelegt gewesen wäre.
Im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus der Volkssolidarität hat Stritzke angekündigt, sich juristisch wehren zu wollen. Ein weiteres Verfahren vor dem Arbeitsgericht könnte somit zu erwarten sein. Auch seinem Widersacher in dem Datenschutzverfahren droht Stritzke eine Revanche an. "Wir haben Strafanzeige gegen ihn wegen vorsätzlicher anonymer Falschanzeige erstattet. Die Sache ist noch lange nicht beendet." Sollte es zur Verhandlung kommen, würden aus einem Rechtsstreit damit insgesamt drei werden.