Meißen: Frust mit der Jahnastraße

Im ersten Moment ist es am Eingang der Meisatal-Siedlung ruhig. Vögel zwitschern, Grillen zirpen. Von der Kynastsiedlung dringt ein Rasenmäher bis zur Jahnastraße durch. Die Sonne heizt den Asphalt auf. Ein typischer Morgen im August. Doch die Idylle trügt. Denn seit Februar ist die Zufahrt zur Bundesstraße 101 voll gesperrt. Seitdem werden Autos und Busse durch die Siedlung geleitet. Die ist jedoch als verkehrsberuhigte Zone ausgewiesen. Sprich: Mehr als Schrittgeschwindigkeit ist verboten. Dass sich nicht jeder daran hält, ist selbsterklärend.
Steffen Jacob, Anwohner auf der Siedlerstraße, führt durch das Wohngebiet mit etwa 30 Mehrfamilienhäusern und Eigenheimen. Die Umleitung des Verkehrs über die Siedlerstraße hinterlässt Spuren. In der Mitte der Fahrbahn bilden sich kleine Löcher. Die entwickelten sich erst in den vergangenen Monaten, sagt Jacob. "Der aufgebrachte Spritzasphalt hält die stärkere Belastung nicht aus." Trotzdem bestätigt der gelernte Straßenbauer, dass momentan – bis auf die Busse – nur wenig Autos die Strecke nutzen.
Trotz elektronischer Anzeigetafel der Stadt und wöchentlichen Geschwindigkeitskontrollen fährt nicht jeder nur zehn Kilometer pro Stunde. Bei einem Selbstversuch mit dem Bus überholt ein schwarzer Mercedes hupend. Vor ihm ist aber eine scharfe Kurve, an der auch die Anzeigetafel angebracht ist. Die springt auf Rot. Deswegen stoppt der schwarze Mercedes nicht jäh. Ihm kommt ein Bus entgegen. Sicherlich spielen sich solche Szenen mehrmals am Tag ab, obwohl die Straße kaum Platz für zwei Autos bietet. Immerhin – der Busverkehr hält sich konsequent an die zehn Kilometer pro Stunde. "Am Abend, wenn der Feierabendverkehr und die Busse durch sind, ist es aushaltbar", meint Steffen Jacob.
"Diese Straße ist unentbehrlich"
Vom Ortsausgang geht es nun in Richtung Innenstadt entlang der gesperrten Jahnastraße. Steffen Jacob läuft mit den Händen in den Taschen einer schwarzen Arbeitshose. Er lässt sich Zeit und setzt langsam einen Fuß vor den anderen. In der Ansprache ist er jedoch sehr deutlich und scharf. Seiner Ansicht nach wurde diese Straße nach der Wende nicht mehr grundhaft ausgebaut. Die letzte Sanierung fand laut dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr vor 2004 statt. Die bezeichnet Jacob als ein "bisschen Kosmetik". Tatsächlich sieht die Straße ordentlich aus – zumindest am unteren Zugang zur Siedlerstraße. Wären da nur nicht die mittigen Furchen entlang der Straße.

Besonders zwei jeweils knapp zehn Meter lange Rissen sorgten für die Sperrung. Sie wurden erstmals im September 2021 durch die Straßenmeisterei des Landkreises Meißen entdeckt, teilt das Landratsamt mit. 2022 wurde der Streckenabschnitt geotechnisch untersucht. Mittels Bohrungen wurden Bohrkerne genommen, um den Zustand der Straße einzuschätzen. Die Kreisstraße wurde als nicht mehr standsicher, also unsicher, eingestuft. Danach hat man Gipskleckse auf den Riss aufgetragen, um ihn beobachten zu können.
Als Laie sieht man, dass sich der Riss seit April verbreitert hat. Wie der Riss entstanden ist, teilt das Landratsamt nicht mit. Steffen Jacob hat eine Vermutung. Mittlerweile Frührentner hat der Straßenbauer fast 40 Jahre auf dem Bau gearbeitet. Seiner Beobachtung nach wurde die Straße damals nicht grundständig saniert und sei demnach für keine hohe Belastung ausgelegt. Durch den Bau des Tunnels und der neuen B 101 sei das nicht mehr notwendig gewesen. Vielleicht fehlte auch das Geld. "Trotzdem ist doch diese Straße unentbehrlich."
"Es läuft die Zeit davon"
Am Ortsausgang sieht man, wie eine Straßenseite absackt. Dort fällt die Straße in Richtung Acker, obwohl dieser höher liegt. Bei den beiden langen Rissen wird es dann noch deutlicher. Dort bricht die Fahrbahn in der Mitte und neigt sich in Richtung Wiese. Wer sich über die Leitplanke beugt, sieht, dass dort der Abhang schon mal ertüchtigt wurde.
Doch wann wird die Jahnastraße nun saniert und wieder für den Verkehr geöffnet? Dazu gibt es keine klare Aussage von öffentlicher Stelle. In einer Meißner Stadtratssitzung im Juni meinte Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos), dass die Arbeiten bis 30. August abgeschlossen sein sollten. Auf SZ-Anfrage erklärt Stadtsprecherin Katharina Reso, "dass die Arbeiten voraussichtlich bis Ende des Jahres andauern." Für genauere Informationen müsse man allerdings aufs Landratsamt verweisen. Das wiederum will sich nicht festlegen. Pressesprecherin Anja Schmiedgen-Pietsch sagt, dass die Ausschreibung der Bauleistung im September 2022 erfolgen soll. "Die Freigabe für den Verkehr ist abhängig von der Ausschreibung und der anschließenden baulichen Umsetzung des Projekts." Sprich: Ob die Jahnastraße noch dieses Jahr geöffnet wird, ist fraglich.
Am meisten ärgert deshalb Steffen Jacob, dass seit einem halben Jahr nichts passiert. "Es läuft die Zeit davon, der Sommer ist schon fast vorbei", sagt der 56-Jährige. Jacob wohnt schon seit etwa 25 Jahren in der Meisatal-Siedlung. Er sei damals wegen der ruhigen, stadtnahen Lage hergezogen. "Aber das hat ja nun ein Ende." Aufgrund seiner Erfahrung meint er, dass der Bau mindestens drei Monate dauere. Bei Bauarbeiten läuft aber selten alles reibungslos. Deswegen sollten die Anwohnerinnen und Anwohner davon ausgehen, dass es länger dauern kann.