Meißen
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Auf der Suche nach Meißens Bäumen der Zukunft

Forstbotaniker Andreas Roloff übernimmt eine Baumpatenschaft und bringt einen reichen Erfahrungsschatz mit. Warum sich auf Meißen davon wenig übertragen lässt.

Von Marvin Graewert
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Zur Feier des Tages hat sich Professor Andreas Roloff extra ein Hemd mit Stechpalmen-Muster angezogen. Aufgrund der vielen Parkanlagen stehe Meißen im Vergleich zu anderen Städten sehr gut da.
Zur Feier des Tages hat sich Professor Andreas Roloff extra ein Hemd mit Stechpalmen-Muster angezogen. Aufgrund der vielen Parkanlagen stehe Meißen im Vergleich zu anderen Städten sehr gut da. © Claudia Hübschmann

Meißen. Die spitzige Stechpalme ist für ihre knallroten, leicht giftigen Beeren bekannt; in Meißen ist der Baum des Jahres noch ein Exot. Das soll sich nun ändern. Um auf die langen Trockenzeiten zu reagieren, brauche es über die Stadt verteilt, die unterschiedlichsten Bäume, um herauszufinden, was in Meißen weiterhin besonders gut gedeiht.

Einen Anfang hat Forstbotaniker Andreas Roloff gemacht, sein bestes Hemd mit buntem Stechpalmen-Muster herausgesucht und am Mittwoch ebendiese Baumpatenschaft übernommen. Es ist bereits die dreizehnte in diesem Jahr: Roloff findet den Ansatz der Stadt – die Grünflächen aufwerten und die Meißner in diesen Prozess mit einzubeziehen – unterstützenswert. Künftig werden mehr Bäume ins Stadtbild einwachsen, um der Hitze zu begegnen – nicht nur als Schattenspender. "Deshalb ist es wichtig, die Bürger dafür zu sensibilisieren, dass sie im Herbst ihre Blätter abwerfen und dass auch sonst mal was runterfällt", sagt Roloff.

Unter den Augen des Oberbürgermeisters pflanzt Andreas Roloff die Stechpalme im Nikolai Park ein. Im Herbst wird der Baum des Jahres 2021 Früchte tragen und jährlich zehn bis zwanzig Zentimeter wachsen.
Unter den Augen des Oberbürgermeisters pflanzt Andreas Roloff die Stechpalme im Nikolai Park ein. Im Herbst wird der Baum des Jahres 2021 Früchte tragen und jährlich zehn bis zwanzig Zentimeter wachsen. © Claudia Hübschmann

Der Professor der TU Dresden hat nicht nur eine Patenschaft übernommen, er bringt auch einen großen Erfahrungsschatz mit. In der Landeshauptstadt beobachtet er die 145 verschiedenen Baumarten: Welcher Baum davon besonders gut gedeiht und der Hitze standhält, sei nur sehr schwer vorherzusagen und müsste deshalb ausprobiert werden. Oft wären selbst Forstbotaniker von den Anpassungsfähigkeiten der Bäume erstaunt. "In Dresden gab es viele Überraschungen. Das lässt sich woanders nur ausprobieren."

Obwohl Meißen und Dresden klimatisch wenig trennt, lassen sich die Erkenntnisse kaum übertragen, dafür seien die Städte zu unterschiedlich, angefangen mit Baumgrößen und lokalen Unterschieden: "Dazu kommt, dass die Hitze in Meißen vergleichsweise weniger Probleme bereiten, weil es nicht ganz so viele versiegelte Flächen gibt", so Roloff.

Die Eibe schenkt Hoffnung

Sicherlich spiele auch die Elbtalweitung eine entscheidende Rolle, ergänzt Meißens Baumkontrolleur Matthias Karich: "In Dresden ist die Elbaue viel breiter: Dementsprechend hat der Fluss viel breitere Schotterterrassen aufgetragen. In Meißen haben wir ein sehr enges Tal und dementsprechend viele Steillagen, gerade die Wälder und Parkflächen sind von der schroffen und steilen Lage gezeichnet."

So entwickelt sich in Meißen vor allem die Eibe prächtig. Zur Überraschung des Forstbotanikprofessors, der das Gewächs eher für ein "Sensibelchen" hielt. Aber nichts da: "In den Trockenjahren sind alle möglichen Baumarten stark dezimiert worden, aber die Eibe legt gerade so richtig los. Ganz ohne Anzeichen, dass ihr der Wassermangel Probleme bereiten würde – auch nicht an den Hängen." Das Anpassungspotenzial der Eibe sei größer als erwartet. "Während alle anderen Baumarten in der Sonne schneller wachsen, weil sie so mehr Zucker produzieren, scheint das der Eibe völlig egal zu sein", sagt Roloff.

Kühlanlage für die Innenstadt

Am Mittwoch stand jedoch die Pflanzung der Stechpalme im Nikolai Park im Mittelpunkt, den Roloff gerne als Kühlanlage bezeichnet: "Ich finde es spannend, dass der Nikolai Park die Kaltluftquelle für die ganze Innenstadt ist: Im Sommer rauscht die Luft aus dem Stadtwald herunter und sorgt dafür, dass trotz der vielen Parkplätze noch kühle Luft in die Stadt kommt", sagt Roloff. Denn von der Elbe schaffe es kaum eine kühle Brise nach oben: "Meißen steht mit seinen vielen Parkanlagen im Verhältnis zur Stadtgröße sehr gut da. Mit Blick auf den Stadtpark oder Siebeneichen handelt es sich auch noch um richtig große Anlagen."

Gerade schreibt Roloff an seinem Buch "Inspiration Natur". Eine Anleitung, die einen durchs Jahr begleiten soll, um bewusste, intensive Naturerlebnisse zu ermöglichen, welche die Mundwinkel nach oben ziehen: "Aktuell blüht alles und alles treibt aus. Das hebt sich die Stimmung fast von alleine. Im Oktober wirken sich dann die vielen Farben positiv auf unsere Stimmung aus", so Roloff, der vor seiner forstlichen Laufbahn Psychologie studiert hat – was in seiner Arbeit immer noch mitschwingt.

Im Spätherbst, wenn dann der Novemberblues eintritt, werde es schon anspruchsvoller. Das Buch soll dabei unterstützen, selbst den Novemberblues in den Griff zu bekommen. Ein guter Anfang: Rausgehen und die Natur einatmen.

Ebenfalls am Mittwoch hat der Meißner Allgemeinmediziner Olaf Perßen gleich die nächste und wohl letzte Baumpatenschaft des Jahres übernommen – die Baumpflanzsaison geht nun zu Ende. Nächstes Jahr gehe es nahtlos weiter, denn die Bewerberliste sei lang. Einen neuen Baum zu stiften kostet 600 Euro. Dazu gibt es ein Baumschild mit Widmungstext und auch auf Baumart und Standort lässt sich ein Einfluss nehmen. Eine Patenschaft für junge Bestandsbäume kostet etwa 250 Euro.