Mit dem Geld anderer Leute jongliert

Meißen. Es fließen bei der Angeklagten viele Tränen im Meißner Amtsgericht an diesem Vormittag. Da ist wohl auch viel Selbstmitleid dabei. Was sie getan hat, ist allerdings tatsächlich zum Heulen. Die 24-jährige Radebeulerin ist eine rechtskräftig verurteilte Betrügerin. Erst im Juli vorigen Jahres erhielt sie wegen Betruges in 15 Fällen eine Haftstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Und dennoch betrügt sie munter weiter. Die Masche ist immer gleich. Sie bietet Waren bei Ebay zum Verkauf an, kassiert das Geld der gutgläubigen Käufer, liefert aber nicht.
Dabei betrügt sie gleich doppelt. Denn die Elektronikartikel, meist Smartphones oder Nintendo-Spiele, bietet sie als neu an. Tatsächlich aber sind es gebrauchte Geräte, die sie repariert haben will. Woher sie diese Geräte hat und vor allem die Fähigkeiten zur Reparatur, diese Erklärung bleibt die ungelernte Reinigungskraft schuldig.
Angst vor Menschen
Fragen die Geprellten nach, hält sie diese hin, kommt mit allerlei Ausreden, spricht davon, dass sie viel Stress habe. Und meldet sich später gar nicht mehr. Die Masche ist nicht neu. Neu ist aber die Begründung der Angeklagten für ihre Taten. Sie habe Angst vor Menschen, sagt sie. Deshalb habe sie sich nicht auf die Post getraut, um die Pakete abzugeben, weil dort immer so viele Menschen sind. "Ich wollte niemandem schaden", beteuert sie unter Tränen. Aus Angst vor Menschen habe sie auch keine Ausbildung begonnen.
Merkwürdig ist nur, dass sie keine Angst vor Menschen hat, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzt. Und auch wenn Menschen in ihre Wohnung kommen, ist die Angst verflogen. Vor allem aber: Bei der Verhandlung vor wenigen Monaten spielte die angebliche Angststörung überhaupt keine Rolle. Und obwohl sie so krank sein will, ist sie nicht in Behandlung, nimmt keine Medikamente.
Ihrer Bewährungshelferin hat sie nichts von den neuen Tatvorwürfen gesagt. "Ich hatte Angst", so die Radebeulerin. Staatsanwältin Christine Eißmann nimmt ihr das alles nicht ab. "Es fällt mir schwer, Ihnen zu glauben. Das, was Sie getan haben, ist noch nicht durch Ihren Kopf. Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht begreifen, worum es hier geht. Sie haben nicht nur Scheu vor Menschen, sondern Probleme mit der Realität", sagt sie. Fast wöchentlich seien neue Anzeigen eingegangen. Wenn sie wisse, dass sie solche Angst vor Menschen habe, dass sie nicht zur Post gehen könne, dann müsse sie eben mit den Verkäufen aufhören.
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Was auffällt: Die Angeklagte hatte oft nur wenige Cent auf dem Konto. Sobald Geld aus Betrügereien einging, hat sie das sofort wieder ausgegeben. "Sie haben mit dem Geld anderer Leute jongliert, sie haben von diesem Geld gelebt", wirft die Staatsanwältin der Angeklagten vor.
Der Verteidiger hingegen sieht keinen Vorsatz. "Meine Mandantin wollte nicht betrügen. Sie hatte ja vor, die Waren zu verkaufen, traute sich aber aus Angst nicht zur Post", sagt er. Die Frage, warum sie nicht jemanden beauftragte, die Pakete zur Post zu schaffen, wenn sie es selbst nicht kann, beispielsweise ihre Mutter, bei der sie lebt, stellt er nicht. Dagegen stellt er die Frage, ob durch die Angststörung die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten eingeschränkt sei.
Will sie dem Gericht einen Bären aufbinden?
Diese Frage kann aber nur ein Psychiater beantworten. Deshalb soll die Angeklagte jetzt psychiatrisch begutachtet werden. Das kann freilich nach hinten losgehen, wie selbst der Verteidiger einräumt. "Dann werden wir sehen, ob sie wirklich krank ist oder uns einen Bären aufbindet", sagt er. Im letzteren Fall muss die Angeklagte nicht nur mit einer Haftstrafe ohne Bewährung rechnen, sondern auch das Gutachten bezahlen.
Die Staatsanwältin hatte angedeutet, dass sie sich trotz der laufenden Bewährung wegen einer einschlägigen Vorstrafe nochmals eine Bewährungsstrafe vorstellen könnte. Ob dieses Angebot im Falle einer Verurteilung immer noch steht, darf bezweifelt werden.
Die Verhandlung wurde ausgesetzt, ein neuer Termin wird bestimmt, sobald das Gutachten vorliegt.