Moritzburg. Das sollte doch eine leichte Übung sein. Wer ist eigentlich Mitglied im Gutachterausschuss des Landkreises Meißen? Das möchte der Moritzburger Obergrundsteuerrebell Torsten Küllig herausfinden. Trotz seiner guten digitalen und hohen verwaltungstechnischen Kenntnisse scheitert er an dieser Aufgabe zunächst.
Küllig landet bei seiner Suchaktion schnell auf den Seiten des Landkreises Meißen, Kreisvermessungsamt. Dort findet er das Sachgebiet Gutachterausschuss/GIS. Was auch immer GIS bedeuten möge. (Später entdeckte er die Erklärung: Geoinformationssystem.) Doch die Namen der Mitglieder bleiben im Dunkeln.
Nach hartnäckigem weiteren Googeln kommt Küllig über den Umweg des aktuellen Immobilienmarktberichtes auf eine neue Seite "Gutachterausschuss". Dort steht geschrieben: "Die derzeitigen Mitglieder des Gutachterausschusses wurden mit Wirkung zum 1. Juli 2019 für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Namentlich können diese in der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses erfragt werden."
Ganz aktuell ist diese Aussage natürlich nicht, denn im Sommer wurden bereits die neuen Mitglieder bestimmt. Zudem erschien es Küllig etwas umständlich, die Namen in der Geschäftsstelle zu erfragen. Warum diese Geheimniskrämerei? Was macht das für einen Sinn? Küllig hatte sich selbst um den ehrenamtlichen Job als Gutachter beworben und wurde mangels fachlicher Eignung abgelehnt.
Umständliche Suche ist nicht bürgerfreundlich
In einem persönlichen Gespräch im Großenhainer Kreisvermessungsamt wird ihm nach seinen Angaben mitgeteilt, dass der neue Gutachterausschuss aus 20 Personen bestehe. Auf die Stellenausschreibung hätten sich neben den bereits amtierenden Mitgliedern zehn weitere Bewerber gemeldet, vier mit keiner entsprechenden Qualifikation und sechs mit Qualifikation. Nur für diese sechs Neubewerbungen "erfolgte ein Auswahlverfahren und Eingruppierung in eine vorgeschriebene Bewertungsmatrix." Die vier nicht qualifizierten Bewerbungen - darunter Küllig selbst - wurden nicht berücksichtigt.
Die Behauptung, dass die Namen der Mitglieder des Gutachterausschusses nicht transparent im Netz veröffentlicht seien, sei falsch, wird ihm entgegnet. Sie seien ja im jeweiligen Marktbericht des Kreises zu finden.
Die bestellten Gutachter umständlich in einem Marktbericht zu suchen, sei nicht bürgerfreundlich, antworten die Moritzburger Grundsteuerrebellen. Es sei doch besser, sie auf der Internetseite der Geschäftsstelle des Landkreises mit Bild und Vita zu veröffentlichen.
Das sei nicht so einfach, wird gesagt. Es handele sich bei dem Gutachterausschuss ja um eine eigenständige Behörde, die nicht der Fach- und Dienstaufsicht des Landrates unterliege und demzufolge auch nicht auf Ressourcen des Landkreises zurückgreifen dürfe. Es müsste vielmehr ein eigenständiger Internetauftritt geschaffen werden, dessen Finanzierung aber derzeitig nicht geklärt sei. Außerdem könnte dies nur auf Anregung des Oberen Gutachterausschusses erfolgen. Das sei wohl nicht vorgesehen.
Das Landratsamt teilt mit, dass die nächste Veröffentlichung der neuen Gutachter im Marktbericht für Herbst 2024 vorgesehen sei. Die Pressestelle verweist noch einmal darauf, dass der Gutachterausschuss eine selbstständige Körperschaft öffentlichen Rechts sei. Lediglich dessen Geschäftsstelle sei beim Landratsamt angesiedelt.
Transparenz ist wohl Fehlanzeige
Im Vermieterverein Haus und Grund Dresden wird heftig der Kopf geschüttelt. Die Auswahl der Gutachter sei für Außenstehende ein nicht durchschaubares Geheimnis, was zu Spekulationen führe, so Vorsitzender Christian Rietschel. "Transparenz, wohl Fehlanzeige?"
Hinzu komme noch, dass die Anzahl der möglichen Mitglieder zumindest in Meißen wohl nicht ausgeschöpft wird, obwohl genügend Bewerber vorhanden sind. "Was will man damit erreichen?" Schon in der Mitteilung, dass Bewerbungen möglich sind, sollten die Auswahlkriterien klar benannt werden und nicht im Nachhinein mit Verweis auf die Rechtsprechung gerechtfertigt werden. Die Kriterien bleiben so unverständlich und nicht nachvollziehbar.
Rietschel schlägt vor, dass Gutachterausschüsse ähnlich wie die ehrenamtlichen Richter oder Schöffen auch Laien zugänglich sein sollten. Und aus den Reihen der Grundsteuerrebellen kam sogar ein noch weitgehender Vorschlag: Die Sitzungen der Ausschüsse sollten öffentlich sein. Rietschel: "Es wird Zeit, dass die Politiker in den Parlamenten, Landtagen, Kreistagen und Gemeinderäten endlich aufwachen und viel deutlicher für Transparenz sorgen. Nur so kann Vertrauen in die Regierenden und Verwaltungen wieder hergestellt werden, sonst geht die Spaltung weiter, was nichts mit rechts oder links zu tun hat."
Wie unabhängig sind diese Ausschüsse wirklich?
Rebell Küllig wendet sich jetzt an den Oberen Grundsteuerausschuss in Dresden. Er fordert eine sachsenweit einheitliche Homepage mit Lichtbild, Name und Vita der Gutachter, auf der sämtliche Mitglieder der Gutachterausschüsse aller Landkreise veröffentlicht werden können. Die Beteiligung des Regionalentwicklungsministeriums wird angeregt, da sie die Fachaufsicht für die Gutachterausschüsse haben und eine Kostenübernahme durch den Freistaat denkbar wäre. Die URL www.gutachterausschuss.sachsen.de ist nach Külligs Recherche noch nicht vergeben.
Küllig hat nirgends eine Übersicht gefunden, aus der die genaue Anzahl und Zusammensetzung der Gutachterausschüsse zu erkennen ist. Aus der Sächsischen Gutachterausschussverordnung ergibt sich nach seiner Kenntnis keine entsprechende Verpflichtung, dennoch sollte es im Sinne einer bürgerfreundlichen Verfahrensweise freiwillig durch den Oberen Gutachterausschuss empfohlen bzw. angeordnet werden.
Letztlich verstehen die Rebellen nicht, weshalb die Mitglieder des Gutachterausschusses, der ja eine eigenständige Behörde darstellen soll, durch den Landrat oder Oberbürgermeister laut Sächsischer Gutachterausschussverordnung bestellt und vorzeitig abberufen werden können. Wie unabhängig sind denn diese Ausschüsse wirklich?
In der ARD-Mediathek ist ein Beitrag über die Moritzburger Grundsteuerrebellen zu finden.