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Nun sollst du gerichtet werden.

Das Leben eines Ehrlosen am Rande der Gesellschaft. Der Scharfrichter von Meißen.

Von Christiane Weikert
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Richtblock im Tower von London
Richtblock im Tower von London ©  Symbolfoto: Pixabay

Meißens Geschichte und Meißner Geschichten. Die Zeiten des 17. Jahrhunderts waren damals noch dunkel. Im Mittelalter wurden vor den Mauern der Stadtgrenze verurteilte Straftäter meist auf höchst grausame Art und Weise vom Leben zum Tode gebracht wurden. Der Volksmund nannte den Vollstrecker Angstmann, Blutvogt, Meister Hämmerlein. Sein bürgerlicher Name war Samuel Hustig.

Er war der Scharfrichter von Meißen.

Der Scharfrichter (der „mit der Schärfe des Richtbeils oder des Richtschwertes Richtende“) ist eine seit dem Mittelalter gebräuchliche Berufsbezeichnung für den Vollstrecker der Todesstrafe oder anderer Gerichtsurteile.

In der Regel übernahmen Begnadigte oder ausgediente Landsknechte diesen unangenehmen Job. Von nun an standen Sie am Rande der Gesellschaft, hatten ihren eigenen Platz im Wirtshaus und in der Kirche und wurden von den übrigen Menschen gemieden, wie die Pest. Der Angstmann war von Anfang an ehrlos. Auch war im untersagt zu jagen, außer Wölfe.

Es ist unmöglich zu sagen, wann und wo zum ersten Mal ein berufsmäßiger Scharfrichter angestellt wurde. Überall war das Bedürfnis vorhanden, aber in jeder Stadt, in jedem Gericht hat ein anderer Weg zu ihm geführt.

Ein Vollstrecker muss her

Mit dem Hergang des Strafvollzuges im 13. Jahrhundert, bildete sich auch das Scharfrichteramt immer mehr heraus indem man versuchte, die Rechtsprechung in die Hand des Staates zu bringen. Private Fehden und Gewalttaten sollten so unterbunden werden, die zur damaligen Zeit noch unter den Streitenden ausgetragen wurden. Es oblag von nun an den juristisch geschulten Beamten und Gerichtsdienern, den Tatbestand herauszufinden. Ziel war immer das Geständnis, bei welchem auch vermehrt die Folter oder die „Hochnotpeinliche Befragung“ zur Anwendung kam.

"Enthaupten durch das Fallbeil" Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. um 1512
"Enthaupten durch das Fallbeil" Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. um 1512 © Bild: wikipedia
"Enthaupten von Aufrührern auf einem Schafott" Holzschnitt von Hans Burgkmair im Weisskunig, 1775
"Enthaupten von Aufrührern auf einem Schafott" Holzschnitt von Hans Burgkmair im Weisskunig, 1775 © Bild: wikipedia
"Vorbereitung der Folter" Holzschnitt aus der Bambergensis, Ausgabe 1580
"Vorbereitung der Folter" Holzschnitt aus der Bambergensis, Ausgabe 1580 © Bild: wikipedia
"Daumenschrauben und Schnürung in der Constiutio Criminalis Theresiana", 1769
"Daumenschrauben und Schnürung in der Constiutio Criminalis Theresiana", 1769 © Bild: wikipedia
Verschiedene Strafen: Verbrennen, Hängen, Blenden, Rädern. Holzschnitt aus Tengler "Layenspiegel" gedr. v. Joh. Schöffer, Mainz
Verschiedene Strafen: Verbrennen, Hängen, Blenden, Rädern. Holzschnitt aus Tengler "Layenspiegel" gedr. v. Joh. Schöffer, Mainz © Bild: wikipedia

Die Aufgaben des Meister Hämmerlein

Dies gehörte zu den direkten Aufgaben des Scharfrichters und war Teil des Gerichtsverfahrens. Die Vorstufe zur Befragung gestaltete sich so, dass dem Angeklagten die Folterinstrumente vorgeführt und erläutert wurden. Wenn das nicht die gewünschte Wirkung erzielte, begann man mit der „Peinlichen Befragung“, um das Geständnis zu erwirken. Der Begriff peinlich leitet sich aus dem Wort „Pein“ ab und bedeutete so viel wie „schmerzhaft“.

Der Scharfrichter durfte diese Methode der Geständniserpressung erst einsetzen, wenn zuvor die Verfahrensmethode der Beweisaufnahme noch der Anklagte auf Grund von Indizien überführt werden konnte. Ausgeschlossen davon waren Kinder unter 14 Jahren, Behinderte, Greise, schwangere Frauen, stumme sowie kranke Personen, welche die Befragung nicht überlebt hätten.

Außerdem war der Scharfrichter auch für Körper- und Ehrenstrafen zuständig, musste unangenehme Aufgaben wie die Reinigung der Stadt-Kloake übernehmen, war als Bestatter für seelenlose Selbstmörder tätig und passte auf die Prostituierten auf. Aus praktischen und finanziellen Gründen war er auch für das „Abdecken“ also die Beseitigung von Tierkörperverwertung zuständig, womit er sein mageres Einkommen aufbesserte.

"Daumenschraube" aus dem 17. Jahrhundert, Märkisches Museum Berlin
"Daumenschraube" aus dem 17. Jahrhundert, Märkisches Museum Berlin © Foto: wikimedia
"Die Eiserne Jungfrau von Nürnberg", Mittelalterlichen Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber
"Die Eiserne Jungfrau von Nürnberg", Mittelalterlichen Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber © Foto: wikimedia
"Der Folterstuhl"
"Der Folterstuhl" © Foto: wikimedia
"Mundbirne", Museum der Festung Hohensalzburg
"Mundbirne", Museum der Festung Hohensalzburg © Foto: wikimedia

Entschuldigung, was kostet meine Enthauptung?

Ehrenstrafen, die meist heimlich uns zu nachtschlafender Zeit ausgeführt wurden, dienten der öffentlichen Demütigung des Angeklagten. Mit dieser Art der Bestrafung verlor die Person Ihre Ehrbarkeit, so z.B. bei übler Nachrede, Ehebruch, Diebstahl oder Geldfälscherei. Zu den Strafen gehörten der Pranger, der Schandkorb oder Pfahl, die Halsgeige, der Lästerstein oder der Eselsritt.

In den Anfängen, als der Scharfrichter noch nicht von der des Stadt beschäftigt wurde, mußte der Delinquent vor seiner eigenen Hinrichtung selbst einen Obolus zahlen oder seine Familie wurde zur Kasse gebeten, dass war rechtlich festgelegt. Um 1700 kostete eine Enthauptung 15 Taler und eine anschließende Verbrennung 25 Taler.

Wo wohnte der Scharfrichter?

Die Wohnungen bzw. die sogenannten Henker- oder Schinderhäuser befanden sich oft außerhalb der Stadt vor den Toren. Eine wesentliche Ursache für diese räumliche Ausgrenzung dürfte auch auf die Geruchsbelästigung durch die Abdeckerei zurückzuführen sein. Ebenso häufig befanden sich die Häuser in verrufenen Stadtvierteln, in der Nähe von Bordellen oder in Armenvierteln.

Wie wurde gerichtet?

Mit einem Beil oder einem Schwert, was aber ein gewisses Geschick voraussetzte. Der Kopf sollte nach Möglichkeit mit einem Schlag vom Körper getrennt werden. War das nicht der Fall und der Scharfrichter ungeschickt oder ein Anfänger in seinem Beruf, war das für den Hinzurichteten eher unangenehm. Der Schlag wurde solang ausgeführt, bis beide Körperteile getrennt waren. Erst dann war die Hinrichtung vollzogen.

Durch diese Tätigkeiten konnte sich der Scharfrichter ein großes Wissen des menschlichen Körpers und dessen Anatomie aneignen und verdiente teils ein Zubrot noch als Chirurg oder Rossarzt. Allerdings beanspruchten die studierten Ärzte diese Einnahmequelle natürlich für sich und so wurde dem Scharfrichter nur noch die Behandlung von äußeren Wunden gestattet. Trotz des auferlegten Verbotes suchten in der damaligen Zeit viele Menschen lieber bei dem eigentlich geächteten Scharfrichter Rat bei Ihren körperlichen Problemen, als bei den damaligen Ärzten.

Lehrausbildung: Scharfrichter

In den Anfängen hatten die Scharfrichter ihr Wissen von den Schlachtfeldern der damaligen Kriege. Meist waren es ehemalige Söldner, die das Töten gewöhnt waren.

Der Scharfrichter musste die Fähigkeit besitzen, erfolgreiche Geständnisse zu entlocken durch die regelkonform angewandte Folter. Er musste also über medizinische Kenntnisse verfügen um beurteilen zu können, ob die angewendete Tortur den Delinquenten überleben lässt. Sein Ziel war das Geständnis. Es gab sogar eine „Abschlussprüfung“, bei welcher mit einem Schlag bzw. Hieb - unter Aufsicht – der Kopf vom Rumpf sauber getrennt werden musste. Erst dann erhielt er einen „Meisterbrief“ und durfte sein Amt rechtmäßig ausüben. Ohne den Brief sahen die Möglichkeiten einer Festanstellung eher rar aus.

Nicht nur Männer, sondern auch Frauen agierten Hin und wieder als Henkerinnen. Das hing aber viel damit zusammen, das diese Art von Familien eher „Ausgestoßene“ waren und nur untereinander heiraten konnten. Normale Berufe waren für Töchter von Henkern nicht möglich. Meist waren sie Wahrsager, Prostituierte oder beschäftigen sich mit Naturheilkunde, was natürlich wieder Nahe an Hexerei grenzte. Die Söhne der Scharfrichter traten meist in die Fußstapfen ihrer Väter.

Das setzte sich teilweise z.B. in Frankreich über viele Jahrhunderte fort, aber das Strafgericht veränderte und relativierte sich. Anfang des 19. Jahrhundert genoss der öffentlich bestellte Scharfrichter sogar ein hohes gesellschaftliches Ansehen und wurde zu gesellschaftlichen Ereignissen eingeladen, ohne an einem extra Tisch sitzen zu müssen.

Der letzte Henker der DDR

Der Beruf des Henkers setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Die meisten Henker arbeiteten ab 1945 eher anonym. In der DDR wurden von 1969 bis 1981 noch 20 Hinrichtungen durch einen Scharfrichter vollzogen. Die letzte Hinrichtung wurde von Hauptmann Hermann Lorenz am 26. Juni 1981 in Leipzig an Werner Teske wegen angeblicher Spionage und Fahnenflucht vollzogen. Das Urteil wurde 1993 annulliert und seine Lebensgeschichte 2021 verfilmt. „Nahschuss“.

Quelle: Wikipedia, Michael Kirchschlager Verlag ""Henker, Blutvogt, Carnifex"