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Satanskult auf dem Nossener Friedhof

Einem Nossener wird Störung der Totenruhe vorgeworfen. Er soll Grabsteine und Holzkreuze gestohlen, Grabplatten umgedreht haben. Letzteres bestreitet er.

Von Jürgen Müller
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Auf dem Friedhof Nossen wurden Grabsteine gestohlen, andere herausgerissen und umgedreht.
Auf dem Friedhof Nossen wurden Grabsteine gestohlen, andere herausgerissen und umgedreht. © Foto: Claudia Hübschmann

Meißen/Nossen. Die Nossener Familie hatte gerade einen Angehörigen verloren. Als sie im Juli 2019 auf den Friedhof geht, ist sie schockiert. Das Holzkreuz auf dem frischen Grab ist verschwunden. Und nicht nur dieses. Auch zwei andere fehlen. Außerdem wurden auf dem Friedhof acht verankerte Grabsteine umgeworfen, drei weitere umgedreht und mit der Schrift nach unten in die Bepflanzung geworfen.

Es ist nicht der erste Vorfall auf dem Friedhof. Im Mai und dann noch Anfang August 2016 stahlen Unbekannte zwei Grabplatten im Wert von jeweils 350 Euro. Vier Wochen später machten die Täter auch vor der Leichenhalle nicht halt. Dort wurden drei große Stoffvorhänge und ein Kreuz entwendet. Die Täter konnten nicht ermittelt werden.

Doch dann kommt Kommissar Zufall zu Hilfe. In einer Wohnung in Nossen werden die Holzkreuze gefunden. Aber auch die Grabsteine und die Vorhänge. Der Mieter der Wohnung, ein 35 Jahre alter Deutscher, sitzt nun wegen Störung der Totenruhe vor dem Meißner Amtsgericht. Und gibt sich ahnungslos.

Wie die Grabsteine und die Vorhänge in seine Wohnung gekommen seien, könne er nicht sagen. "Er verwahrt sich auch vehement dagegen, die Holzkreuze gestohlen zu haben. Mit den Grabplatten hat er ebenfalls nichts zu tun. Er bestreitet das vollends", sagt sein Verteidiger.

Auf dem Friedhof übernachtet

Der Angeklagte, ganz in Schwarz gekleidet und die langen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, sagt plötzlich was anderes. "Kann sein, dass ich das mit den Grabplatten war. Kann aber auch sein, dass mir die jemand mitgebracht und geschenkt hat. Es waren immer viele Leute bei mir in der Wohnung", sagt er. Er könne sich nicht erinnern, habe sich täglich zugedröhnt mit Crystel, Speed, Alkohol in rauen Mengen. Psychopharmaka, Stechapfel, Engelstrompete. Er nahm alles, was er kriegen konnte, wird eine Gutachterin später sagen.

Auch das mit den Vorhängen könnte stimmen. Wie er denn in die Leichenhalle gekommen sei, will die Richterin wissen. "Na, bestimmt nicht mit dem Schlüssel, so die Antwort. Er sei damals regelmäßig auf dem Friedhof gewesen, habe dort sogar übernachtet. "Dort habe ich wenigstens meine Ruhe", so der Nossener.

Seine Wohnung ist eine regelrechte Kultstätte. Die Wände sind schwarz und rot gestrichen, die Holzkreuze hat er verkehrt herum aufgehängt. "Das muss so sein", sagt er. Es ist eine Handlung aus dem Satanskult genauso wie das Umdrehen der Grabsteine. Dass er eine Vorliebe für die Friedhofsszene hat, gibt er zu. Dem Satanskult will er aber nicht frönen. Er hört aber Musik aus dieser Szene. Und hat unter dem Lautsprecher einen Grabstein liegen.

Immer im Rauschzustand

Mit acht, neun Jahren habe er angefangen, Alkohol zu trinken, seit seinem zwölften Lebensjahr nimmt er Drogen. Die Schule verließ er ohne Abschluss, aus der Lehre flog er raus. Eine Beziehung, aus der zwei Kinder hervorgingen, zerbrach nach sechs Jahren wegen des Alkohols, und weil er seine Partnerin schlug. Danach trank er noch mehr. Zwei Flaschen Alkohol täglich. "Nach einer Flasche bin ich doch noch nüchtern", sagt er. Er habe den Wodka mit Saft gemischt. "Da kriegt man das Zeug besser runter. Ich bin immer im Rauschzustand, auch jetzt", sagt er. Er trinkt, was da ist, nimmt an Drogen, was er in die Finger bekommt.

Eine Gutachterin bescheinigt ihm eine Persönlichkeitsstörung. Er sitzt zu Hause und trinkt, verlässt die Wohnung nur in Ausnahmefällen. "Wenn ich raus muss, ballere ich mich vorher zu. Draußen ist es hell, da sind viele Menschen", sagt er. Nachts fühlt er sich wohl, vor allem auf Friedhöfen.

Er bezieht Arbeitslosengeld II, sieht keinerlei Erfordernis, arbeiten zu gehen, wie die Gutachterin sagt. Der 35-Jährige hat eine Betreuerin, was ihm gefällt. Da muss er sich um nichts kümmern. "Wenn was im Briefkasten liegt, wandert das gleich in die blaue Tonne. Ich erwarte keine Post", sagt der Mann. Er hat mindestens 12.000 Euro Schulden, vor allem aus Unterhaltsverpflichtungen und nicht bezahlten Stromrechnungen. Einige Zeit war er auch obdachlos.

Gefühle der Angehörigen verletzt

Nach einem Gespräch mit seinem Anwalt gibt er den Diebstahl der Holzkreuze doch zu. Das ist letztlich das einzige, was übrig bleibt. Entgegen der Einschätzungen der Gutachterin geht Staatsanwältin Christine Eißmann davon aus, dass er wegen seines Alkohol- und Drogenkonsums vermindert schuldfähig ist.

Zudem könne er die Taten aus dem Jahr 2016 nicht allein begangen haben. Diese würden außerdem in diesem Jahr verjähren. Auch dass er Grabsteine umgedreht hat, könne ihm nicht sicher nachgewiesen werden. Sie fordert deshalb, dass diese Tatvorwürfe im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung wegen der anderen Taten eingestellt werden. So bleibt nur der von ihm gestandene Diebstahl der drei Holzkreuze. Die Art und Weise, wie er sie aufgehängt habe, spreche für ein Ritual und für eine Störung der Totenruhe.

Der Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis zu drei Jahren Haft. "Mit dem Diebstahl der Kreuze von den frischen Gräbern haben Sie die Gefühle der Angehörigen verletzt. Sie wissen schon, was sie tun", sagt die Staatsanwältin dem Angeklagten. Auch wenn sie für einige Taten Einstellungen fordere, gehe sie davon aus, dass der Angeklagte so gehandelt habe, wie es in der Anklageschrift steht.

Wie von der Staatsanwältin beantragt, verurteilt Richterin Petra Rudolph den Nossener wegen Störung der Totenruhe zu einer Geldstrafe von 1.350 Euro. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.