Fair zum Pferd

Lommatzsch. Aller Anfang ist schwer. Manchmal sogar schmerzhaft. So wie bei der Reiterin Sarah Schmidtgen aus dem Lommatzscher Ortsteil Dennschütz. Seit sie sitzen kann, sitzt sie auch auf Pferden. Mit vier Jahren fiel sie beim Longieren vom Pferd und brach sich einen Arm. Auf den Gips hatte sie sich ein Pferd malen lassen. „Gleich als der Gips ab war, bin ich wieder aufs Pferd. Nein, Angst hatte ich nie“, sagt die 21-Jährige und lacht.Die ganze Familie ist pferdebegeistert, führt nebenberuflich einen Reiterhof. Sarah ist da keine Ausnahme, in gewisser Hinsicht aber schon. Während Großvater, Vater, Schwester Springreiter sind oder waren, hat sie sich auf die Dressur verlegt. „Für das Springen bin ich nicht talentiert genug, das habe ich mit 14 Jahren gemerkt. Mir fehlt der Mut, Sprünge anzureiten“, sagt sie selbstkritisch.
Die Entscheidung für die Dressur hat sich gelohnt. Erst am Wochenende gewann die Lommatzscherin beim „Großen Preis von Lüttewitz“ mit ihrem elfjährigen Wallach Sirius, einem Deutschen Sportpferd, das in Dennschütz geboren und aufgezogen wurde, die Dressurprüfung in der Klasse M, der mittelschweren Kategorie. Nicht der erste Erfolg. Sie wurde 2018 Kreismeisterin im Landkreis Mittelsachsen, wo ihr Reitverein Lüttewitz ansässig ist. Ein Jahr zuvor war sie schon Vizemeisterin geworden.Doch damit gibt sich die junge Frau nicht zufrieden. „Mein Traum wäre es, einmal Sachsenmeisterin zu werden“, sagt sie. Doch zuvor will sie es schaffen, in die schwierigste Klasse aufzusteigen, die S-Klasse. Im nächsten Jahr soll es so weit sein.
Die Einzige in Sachsen
Auch beruflich hat Sarah Schmidtgen mit Pferden zu tun. Im Gestüt am Kirschberg in Mischwitz (Gemeinde Diera-Zehren) lernt sie im dritten Lehrjahr den Beruf einer Pferdewirtin in der Fachrichtung Zucht. Übrigens als einzige Frau in Sachsen, sie sie sagt. Es gibt aber auch noch einen männlichen Lehrling. Es ist ihr Freund Josef Müller. Den 19 Jahre alten Österreicher hat sie schon vor einiger Zeit in Mischwitz kennengelernt. "Seine Eltern hatten in dem Gestüt Pferde zur Aufzucht. Josef kam im Sommer und half auf dem Gestüt. Da hat es gefunkt", sagt sie. Die beiden arbeiten nicht nur in Mischwitz, sie wohnen auch dort.

Anfangs wurde sie von ihrem Vater trainiert, seit 2017 macht sie das unter Anleitung von Janett Gohrisch aus Prausitz. Dreimal die Woche ist Training angesagt, mehr jedoch nicht. "Man darf die Pferde nicht überfordern, sie sollen ja motiviert sein", sagt die 21-Jährige. Neben ihrem Turnierpferd Sirius reitet sie noch zwei andere Pferde, die fünfjährige Stute Orlando und den drei Jahre alten Wallach Feldmarschall. Letzteren reitet sie derzeit an, um ihn auf ein Leben als Sportpferd vorzubereiten. Bis zu einem Alter von 20 Jahren könne man die Tiere bei Wettkämpfen einsetzen. Das älteste Pferd auf dem Reithof sei 28 Jahre alt geworden.
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Ist Reitsport nur etwas für gut Betuchte, wie immer mal kolportiert wird? "Dieser Sport ist schon sehr kostenintensiv. Da muss man auf viele andere Dinge verzichten. So geht es zum Beispiel in den Urlaub in eine günstige Pension statt in ein Luxushotel", sagt die Lommatzscherin. Und dennoch: Mit ihrem Lehrlingsentgelt könnte sie ihr Hobby nicht finanzieren. Deshalb besitze sie auch kein eigenes Pferd. "Ich bin meiner Familie sehr dankbar, dass sie mich stets unterstützt und auch meinem Freund, der an manchen Wochenenden auf mich verzichten muss, weil ich bei Wettkämpfen bin", sagt sie.
Gewalt kommt für sie nicht infrage
Was sagt sie zu dem Vorfall bei den Olympischen Spielen, als eine deutsche Reiterin im Modernen Fünfkampf das ihr zugeloste Pferd schlug, weil es den Sprung verweigerte? "Natürlich war das großer Mist. Meiner Meinung nach müssen aber die Regeln überdacht werden. Es ist unmöglich, dass sich ein Reiter und ein ihm völlig unbekanntes Pferd innerhalb von 20 Minuten aufeinander einstellen können", so die Reiterin.
Im Umgang mit Pferden sei es jedenfalls nicht ihr Art, Gewalt einzusetzen. "Mein Motto ist, fair zum Pferd zu sein. Das sind äußerst sensible Tiere, die nicht überfordert werden dürfen. Es ist doch schon ein kleines Wunder, dass uns diese Fluchttiere erlauben, uns auf ihren Rücken zu setzen", sagt sie.
Jetzt muss sie aber los an diesem frühen Abend. In Lüttewitz muss aufgeräumt werden nach dem Turnier. Auch das gehört zum Leben einer Reiterin.