Nossen steht vor schwieriger Entscheidung

Nossen. Der geplante Verkauf weiterer Grundstücksflächen an die Firma Schaumaplast in Nossen dürfte den Stadträten Kopfzerbrechen bereiten. Grund ist der Bericht des Petitionsausschusses, der vom Sächsischen Landtag verabschiedet wurde. Ein Anwohner des Gewerbegebietes Augustusberg, wo der Schaumstoffproduzent angesiedelt ist, hatte die Petition eingereicht, weil er – wie weitere Anwohner – um seine Gesundheit wegen Luftschadstoff- und Lärmimmissionen fürchtet. Besonders Angst bereiten den Anliegern die gesundheitsgefährdenden Stoffe Styrol und Pentan, die von Schaumaplast inzwischen nachweislich emittiert werden. Nun will sich das Unternehmen erweitern, das beängstigt die Anwohner. Denn als gesundheitliche Folgen berichten Anwohner über Augenbrennen, Kopfschmerzen und Atembeschwerden. Außerdem fürchten sie neurologische Leiden und Krebserkrankungen.
Petent fordert Schadstoffmessung bei Firma
Wie viel an gesundheitsgefährdenden Stoffen an die Umgebung abgegeben wird, ist bis heute unklar, weil Schaumaplast Emissionsmessungen verweigert. Deshalb hatte das sächsische Umweltamt orientierende Immissionsmessungen an Wohngrundstücken vorgenommen. Styrol und Pentan wurden dabei in so geringer Menge nachgewiesen, dass bei diesen Werten eine Gesundheitsgefährdung als wenig wahrscheinlich eingestuft wurde. Doch in dem Bericht heißt es auch, dass die Messungen nur orientierenden Charakter haben, aufgrund der begrenzten Zeit und der Messverfahren und Messmittel, auf die zurückgegriffen werden musste.
Hilfe erhofften sich die Anwohner nun durch die Petition, in der unter anderem erneut eine Messung der Emissionen an den Quellen und darauf aufbauend die Installation geeigneter emissionsmindernder Abluftreinigungseinrichtungen gefordert wird. In der Schweiz beispielsweise wird dies längst praktiziert. Zudem sollte nach Ansicht des Petenten die geplante Lagerhalle für Styropor nicht im wohngebietsnahen Gewerbeareal zugelassen werden.
Schaumaplast hat Pflichten, der die Firma nachkommen muss
Das Problem: Aufgrund der derzeit noch geltenden Bundesimmissionsschutzverordnung (BImschVO) zählt der Betrieb der Firma nicht als genehmigungsbedürftige Anlage. Jedoch: „Eine Aufnahme von Styrol in die Anlage zur BImschVO wird auf Bundesebene diskutiert und würde die Inbetriebnahme einer neuen Anlage genehmigungsbedürftig machen, was aufgrund der Schwere der Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner auch dringend angemessen wäre. Deshalb überweist der Petitionsausschuss das Anliegen der Petenten auch an die zuständige Bund-Länder-Kommission“, teilte die Leiterin des Petitionsausschusses, Antonia Mertsching (Linke), mit. „Da es leider keine belastbaren Langzeitmessungen über den Ausstoß von Styrol und Pentan durch die Firma Schaumaplast gibt, kann nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern Orientierungswerte eingehalten werden. Dem Sächsischen Landtag stehen deshalb derzeit keine rechtlichen Grundlagen zur Verfügung, um dem Anliegen der Petenten nachzukommen. Ich sichere den Petenten aber weiterhin meine Unterstützung zu.“
Mertsching verweist zudem auf den Passus im Petitionsbericht, wonach Betreiber immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen trotzdem gesetzlich die Pflicht zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und erheblichen Belästigungen haben. „Dieser Pflicht hat auch das ortsansässige Unternehmen nachzukommen.“ Der Petitionsausschuss empfehle deshalb vor weiteren Entscheidungen in dieser Angelegenheit einen moderierten Konfliktlösungsprozess zwischen dem Unternehmen, den Betroffenen und der Stadt. Zur Erhaltung des sozialen Friedens im Ort müsse ein Kompromiss zwischen den beteiligten Konfliktparteien hergestellt werden. Wirtschaftliche Interessen allein dürften nicht entscheidend sein.
SPD-Landtagsabgeordneter Frank Richter, der sich in dieser Sache bereits im vorigen Jahr engagierte, sagte: „Ich begrüße, dass der Bericht seriös beschreibt, wo der Konflikt liegt und die Gefährdungslage für die Anwohner im Umfeld der Firma sowie den Bedarf weiterer Messungen benennt.“ Zwar gebe es die kommunale Selbstverwaltung, der Landtag könne den Stadträten die Entscheidung zum Verkauf der weiteren Grundstücke an Schaumaplast nicht abnehmen, aber „ich persönlich halte es für sehr riskant, den betroffenen Anwohnern noch mehr ‚Luft zu nehmen‘“. Ein Vermittlungsverfahren halte Richter für unerlässlich. Der Bericht wird nun am 29. Juli den Stadträten in einer öffentlichen Ausschusssitzung vorgestellt.