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Tankbetrüger oder nur vergesslich?

Ein Radebeuler tankt seinem Lkw voll, bezahlt in der Tankstelle aber nur sein Frühstück. Dass er getankt hat, hat er angeblich vergessen.

Von Jürgen Müller
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Das Auto vollgetankt und dann "vergessen" zu bezahlen? Das Gericht nimmt dem Angeklagten die Geschichte ab.
Das Auto vollgetankt und dann "vergessen" zu bezahlen? Das Gericht nimmt dem Angeklagten die Geschichte ab. © dpa

Meißen/Radebeul. Das ist der "Klassiker" an der Tankstelle. Da tankt jemand sein Auto voll, kauft sich in der Tankstelle noch eine Kleinigkeit – und bezahlt schließlich nur diese. Das Tanken hat er "vergessen". Juristisch ist das Betrug, also eine Straftat. Das wird auch einem 44-jährigen Radebeuler vorgeworfen. Zwei Zahlen zeigen, dass die Tat schon einige Zeit zurückliegt. Er füllt seinen Lkw Iveco mit 79 Litern Diesel für 84,47 Euro, der Liter kostete im August 2020 also 1,069 Euro. Heute, knapp zwei Jahre später, hat sich der Preis mehr als verdoppelt.

Danach geht der Mann in den Tankstellen-Shop, bestellt einen Kaffee und ein belegtes Brötchen und bezahlt. Aber nur den Imbiss. Dass er getankt hat, will er vergessen haben. Besonders unglaubhaft ist das, weil er in bar bezahlt. Während mancher bei einer Kartenzahlung nicht so genau hinschaut, hätte er aber merken müssen, dass der Preis nicht stimmen kann.

Nun sollte auch der letzte wissen, dass Tankstellen videoüberwacht sind und Tankbetrüger – falls sie nicht auch noch mit falschen Kennzeichen unterwegs sind – schnell ermittelt werden. So ist es auch bei dem Radebeuler, der nun auf der Anklagebank des Meißner Amtsgerichtes sitzt. Und entschuldigt sich erst mal bei diesem für den ganzen Aufwand, der durch ihn entstanden sei. Und nennt eine ganze Reihe von Gründen für seine "Vergesslichkeit".

Mitschuld des Personals?

Er sei nun mal eine "aufgeregte Persönlichkeit", habe viele Probleme, seine Scheidung habe damals noch nicht lange zurückgelegen. Und schiebt die Schuld zum Teil auch auf das Tankstellenpersonal. Er sei dort Stammkunde, man kenne sich. "Ich war am nächsten Tag wieder tanken. Da hätte man ja etwas sagen können, dass ich vergessen hatte zu bezahlen. Ich hätte sofort das Geld bezahlt. Es war doch keine Böswilligkeit von mir. Ich war enttäuscht, dass man mich nicht angesprochen hat", sagt er.

Doch zu diesem Zeitpunkt sei ein standardisiertes Verfahren schon in Gang gewesen, habe ihm die Kassiererin später gesagt, da habe sie nichts mehr machen können. Klingt fast wie eine Entschuldigung – der Kassiererin. Sie habe noch versucht, ihn zu beruhigen, sagt er.

Bezahlt hatte er seine Tankschulden bis dahin aber immer noch nicht. Das hat er erst nach seiner polizeilichen Anhörung getan. Aus dem Überwachungsvideo geht hervor, dass zwischen Tanken und Bezahlen elf Minuten vergingen. Der Richter nimmt dem Angeklagten deshalb zu dessen Gunsten seine Vergesslichkeit ab. Die Staatsanwältin hat Zweifel, es sei aber nicht so, dass sie ihm seine Vergesslichkeit nicht abnehme.

Am Ende einigt man sich, das Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen. Da keine Auflagen erteilt werden, bezahlt der Steuerzahler alle Kosten, auch die des Anwaltes. So bleibt die "Vergesslichkeit" des Radebeulers ungesühnt. Da kann der Bauunternehmer nur hoffen, dass seine Kunden nicht auch so vergesslich sind wie er, wenn es um das Bezahlen von Rechnungen geht. Wie der aufgeregte Vergessliche seine Firma führt, möchte man sich lieber nicht vorstellen.

Ein prominentes "Vorbild"

Kleiner Trost: Der Radebeuler hat ein prominentes "Vorbild". So hatte sogar ein ehemaliger sächsischer Justizminister vergessen, nach dem Tanken zu bezahlen. So zapfte er an einer Tankstelle in Großpösna (Landkreis Leipzig) etwa 50 Liter Sprit und war dann weitergefahren, ohne die Rechnung von rund 70 Euro zu begleichen. Er habe vergessen, an der Tankstelle zu bezahlen, habe das dann später sofort beglichen und sich entschuldigt, sagte er damals.

Gegen einen Strafbefehl des Amtsgerichts Borna über 3.300 Euro hatte er wie der jetzige Angeklagte Einspruch eingelegt. Zum Prozess kam es aber nicht. Das Gericht stellte das Verfahren gegen den damaligen Bundestagsabgeordneten, dessen Immunität der Bundestag aufgehoben hatte, kurzfristig ein. Statt vor Gericht zu erscheinen, musste er nur eine Geldauflage in Höhe von lediglich 1.000 Euro zahlen.

Die Entscheidung sorgte auch deshalb für große Verwunderung, weil der Angeklagte ein Wiederholungstäter war. Das Gleiche passierte dem Juristen schon an der Tankstelle „Dresdner Tor“, als er aus Zerstreutheit vergaß, zu bezahlen. Später dann an einer Tankstelle in Naunhof. Auch hier räumte er „Hektik und Eile“ ein, aber keinen Vorsatz. Er einigte sich nachträglich mit der Tankstellenpächterin, die zog ihre Anzeige zurück.