Vage Antworten

Meißen. So einer Pandemie und den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung ist durchaus auch Positives abzugewinnen. Diesen Eindruck vermittelt die virtuelle Einwohnerversammlung zu geplanten Straßenbauvorhaben in der Stadt vom Dienstagabend. Über einen Youtube-Kanal konnte die Bürgerschaft den Ausführungen zum Stand von sieben Projekten in der Stadt verfolgen, die sich derzeit in unterschiedlichen Stadien der Planung befinden.
Die Möglichkeiten zum Nachfragen der Bürgerschaft mussten natürlich begrenzt bleiben. Einige Bürger waren der Aufforderung in der kurzfristigen Ankündigung dieser Veranstaltung gefolgt und hatten ihre Fragen schriftlich ans Rathaus gesandt. Natürlich konnten Fragen mit Bezug auf Aussagen zu den einzelnen Vorhaben während der fast zweistündigen Einwohnerversammlung per E-Mail oder über Facebook an die Referenten auf dem Podium gestellt werden. Es blieb Bürgermeister Markus Renner als Moderator überlassen, welche der eingehenden – für die Zuschauer nicht sichtbar – Fragen er weiterreichte.
Breiten Raum nahm an diesem Abend erwartungsgemäß der Ausbau des Plossenanstieges ein. Holger Wohsmann, der Chef der Meißner Niederlassung des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv), präsentierte Skizzen und Fotografien, um zu erklären, warum diese Bauvorhaben nicht „unter Verkehr zu realisieren“ ist. Nicht nur Anwohner fordern das.
Stützmauern müssen abgerissen, in einer Tiefe von 1,50 Meter neu gegründet werden, nicht zuletzt der Arbeitsschutz für die Bauleute eingehalten werden, erklärte Holger Wohsmann, warum er als Bauingenieur „keine Alternative zur Vollsperrung“ während der Bauarbeiten sieht. Ja, hin und wieder höre er, dass in Italien vergleichbare Bauvorhaben bei einseitiger Straßensperrung erfolgt seien. Solche Berichte ließen außer Acht, dass in Meißen täglich etwa 8.000 Fahrzeuge auf diesem Abschnitt der Wilsdruffer Straße unterwegs sind – ein Vielfaches mehr als auf einer Nebenstraße in den Alpen
Die beste Lösung finden
Das Verfahren sei dazu da, die beste Lösung für das Bauprojekt zu finden. Finde sich eine bessere Lösung als in den vorliegenden Entwürfen, „dann bauen wir die“, so der Lasuv-Chef. Er gab zu, dass seine Antworten auf Fragen nach dem Beginn und den Kosten der anstehenden Bauarbeiten mit der Zeit immer vager werden. Das Planfeststellungsverfahren im nächsten Jahr zum Abschluss zu bringen „wäre mein Wunsch“, sagte er. Mit Hochdruck arbeite ein Ingenieurbüro daran, die im bisherigen Verlauf des Verfahrens geänderten Umleitungsplanungen im Bereich Lercha in die vorliegenden Entwürfe einzuarbeiten. Diese im Bauwesen als Tektur bezeichnete Ergänzung muss öffentlich ausgelegt und in einem gesonderten Verfahren durch seine Behörde erläutert, verteidigt und gegebenenfalls verbessert werden.
Zu den Kosten erklärte Holger Wohsmann, dass die zehn Millionen Euro, von denen am Beginn des Planfeststellungsverfahrens die Rede war und von denen die Stadt 1,5 Millionen Euro übernimmt, heute nicht mehr ausreichen. Er begründete das mit der seit Längerem zu beobachtenden Steigerung der Baupreise um jährlich etwa vier Prozent. Außerdem müssten höhere Kosten für die veränderte Umleitungskonzeption „eingepreist“ werden, ebenso für neue Überlegungen im Bereich des Umweltschutzes. Auch die Gestaltung der neuen Stützmauer, die das Stadtbild nicht unwesentlich prägen wird, zieht weitere Kosten nach sich. Am Ende und im Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens würden alle Kosten neu berechnet.
Natürlich werde auch der Anteil der Stadt steigen, kündigte der Lasuv-Chef an. Außer ihrem Beitrag zum Bau der Gehwege, für Arbeiten im Leitungsbestand und für die neue Straßenbeleuchtung, werde die Stadt auch Kostenanteile für Stützmauern und Umleitungen übernehmen müssen. Hier verwies er auf die derzeit geltenden Fördermöglichkeiten, wonach 90 Prozent des städtischen Kostenanteils über Zuschüsse finanziert werden können. Bei einer derzeit geplanten Bauzeit von zweieinhalb Jahren könne die Stadt ihren Anteil an den Baukosten über mehrere Jahre strecken.
Hoffen auf intelligente Lösungen
Die Sprache kam auch auf die Sorge vieler Meißner, dass die S 177 nach dem Ausbau des Plossenanstieges noch mehr Verkehr – vor allem Schwerverkehr – in die Stadt bringt und die ohnehin schon stark frequentierten Straßen weiter belastet. Als Vertreterin der städtischen Verkehrsbehörde verwies Ordnungsamtsleiterin Belinda Zickler auf hohe Hürden hin, die der Gesetzgeber vor eine Einschränkung des „Gemeingebrauches“ einer Straße gesetzt hat. Sie zitierte aus einer aktuellen Stellungnahme aus dem Dresdner Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, wonach es „keine verkehrsrechtlichen und baufachlichen Gründe“ gebe, den Lkw-Verkehr auf der S 177 in Meißen zu verbieten oder durch eine Tonnagebegrenzung einzuschränken.
Der Anteil des Schwerverkehrs werde auch im Jahr 2030 einen Anteil von sieben Prozent ausmachen, wie Holger Wohsmann erklärte. Das hätten Prognosen ergeben, die das Planfeststellungsverfahren vorschreibt und die auf Grundlage einer im vorigen Jahr am oberen Stadteingang installierten automatischen Verkehrszählstelle ermittelt wurden. Die vorliegenden Werte stellten keine wesentliche Änderung im Vergleich zur gegenwärtigen Situation dar. Das liege auch an Verlagerungseffekten, die durch den schrittweisen Ausbau der S 88 auf der anderen Elbseite in den nächsten Jahren zu erwarten seien.
So notwendig der Ausbau des Plossenanstieges aus Sicht der Experten sein mag – in Meißen ist das Vorhaben nicht zuletzt deshalb umstritten, weil die Stadt von Störungen auf der Autobahn sehr betroffen ist, wie es in einer während der Veranstaltung hereingereichten Frage zum Ausdruck kam. Diese Wahrnehmung teile seine Behörde, sagte Holger Wohsmann. In Zukunft könnten Verkehrswege aber so ausgestattet werden, dass eine Kommunikation zwischen ihnen und den Fahrzeugen möglich ist. Und Systeme zur intelligenten Steuerung könnten dafür sorgen, dass Teile des Autobahnverkehrs zwischen Nossen und Radeburg bei Störungen nicht mehr durch Meißen fließen.
Neben der Beeinflussung von Navigationsgeräten nannte er die Steuerung von Lichtsignalanlagen und die Einrichtung von sogenannten Pförtner-Ampeln am Stadtrand, „die nur so viele Fahrzeuge in die Stadt hineinlassen, wie sie verträgt“, wie er sagte. Konkrete Daten dazu erwartet das Lasuv von einem Modellversuch, für den das Meißner Stadtgebiet als Testregion auserkoren wurde.