Meißen. Es knirscht, raschelt, knackt. "Ist da jemand?" Das habe er sich oft gefragt, als er allein durch Meißens Ruinen streifte, um Fotos zu schießen. Claus-Dirk Langer, ehemaliger Stadtplaner und nun selbstständiger Architekt, ist nicht nur selbsternannter Abenteurer, sondern auch Autor von zahlreichen Büchern über Meißen. Von einem Architektur- über einen Reiseführer zu einem Sagenbuch mit gruseligen Märchen der Stadt. Jetzt hat der Architekt seine alte Leidenschaft neu aufleben lassen und das Buch "Meißens verlassene Orte" im Selbstverlag neu aufgelegt. Schon immer habe ihn das Verfallene gereizt, erzählt er.
Die vergessenen Orte Meißens
Auf eine erste Kontaktaufnahme per E-Mail schreibt Claus-Dirk Langer, dass er sich nicht mehr mit diesen vergessenen beziehungsweise verlassenen Orten befasse. Denn es sei zunehmend mühsamer, rechtliche Voraussetzungen einzuhalten, um legal Fotos darüber zu veröffentlichen. Doch im persönlichen Gespräch in seinem Büro auf dem Dr.-Eberle-Platz 5D merkt man schnell, dass er noch immer von der Zeit zehrt, als er sein Buch zu den vergessenen Orten Meißens veröffentlichte.
"Das war damals sehr abenteuerlich", schaut er zurück. "Wenn ich eine Ruine betreten habe, war ich mir nie sicher, ob ich allein war." Ab und zu nahm er deswegen einen Begleiter mit. Diese Spannung hat er jedoch gemocht, sonst wäre auch das Buch nicht entstanden. Jetzt würde er nicht mehr auf "Fotopirsch" gehen, wie er sagt. Denn in seinen Augen sei der Hype um Lost Places verblasst.
Lost Places sind laut Wikipedia ein sogenannter Pseudoanglizismus, ein erfundenes, aber englisch klingendes Wort der deutschen Sprache. Wortwörtlich sind verfallene Orte gemeint. Und zwar von Menschen vergessene, weil sie in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine geringe Bedeutung einnehmen. Solche Ruinen gibt es nach Claus-Dirk Langer einige in Meißen. Unter anderem zum Beispiel das ehemalige Gebäude der VEB Bienenwirtschaft unweit der Porzellanmanufaktur oder der Hamburger Hof, der schon seit der Wende leer steht und wechselnde Eigentümer verzeichnet. Da der ehemalige und beliebte Veranstaltungsort der DDR nahe des Landratsamtes hinter dem Bahnhof liegt, soll dort eventuell ein weiterer Sitz der Kreisbehörde eingerichtet werden.
Mehr als 200 Fotografien

Als Claus-Dirk Langer 2012 Fotos des Hamburger Hofes geschossen hat, war daran nicht zu denken. Seine Bilder im Buch dokumentieren ein ehemals prunkvolles Haus, das nun als Ruine immer weiter verfällt. Man sieht so im großen Saal abgebröckelte Tapete herumliegen, vermischt mit schwarzem Dreck. Wenige Dreierreihen an Kinostühlen aus Holz, die verloren im Raum wirken. Und auf der Bühne ist ein langer, grüngelber Theatervorhang zu sehen. Aus der Ferne sieht er erstaunlich gut erhalten aus, zumindest 2012. Fünf Jahre später falle dem Hamburger Hof die Decke auf den Kopf, schreibt wiederum Fotograf Mario Gast auf seiner Internetseite, die einige Lost Places in Meißen online darstellt.
Der Verfall solcher Ruinen wird in Claus-Dirk Langers Buch anschaulich gezeigt. Er selbst wolle diesen nicht verurteilen, aber doch darauf aufmerksam machen. Denn die Gebäude seien alle für sich, ein Schandfleck Meißens, erklärt er. "Jedes Einzelne hat mehr Potenzial und könnte neu genutzt werden." Er ergänzt, dass dies bei manchen nun der Fall sei wie zum Beispiel bei der Jahnhalle. Insgesamt 20 vergessene Orte mit mehr als 200 Fotografien hat Claus-Dirk Langer nun veröffentlicht. Er sagt aber, in Meißen gebe es noch viel mehr. "Wer mit offenen Augen durch die Straßen geht, findet immer wieder verlassene Ort."
- Langer, Claus-Dirk (2020): „Meißens verlassene Orte. Urban Exploring“, 1. Auflage, erschienen im Selbstverlag, 132 Seiten, 15,95 Euro.
- Das Buch kann bestellt werden in Claus-Dirk Langers Büro am Dr.-Eberle-Platz 5D, per E-Mail [email protected] oder Telefon 03521/405971.