Meißen. Coswigs Ex-Bürgermeister Frank Neupold (parteilos) kennt das Dilemma aus langjähriger leidvoller Erfahrung. Oft genug in seinen elf Jahren an der Rathausspitze hat ihm der Fährbetrieb zwischen dem Coswiger Ortsteil Kötitz und dem linkselbischen Gauernitz schlaflose Nächte bereitet.
Wer eine Fähre betreibe, brauche nicht nur viel Geld, sondern benötige vor allem Spezialtechnik und Knowhow. So formuliert es Neupold am Donnerstagabend auf der jüngsten Kreistagssitzung im Riesaer Stern. Als gutes Beispiel hierfür, lässt sich die jüngste Revision der Fähranleger in Kötitz und Gauernitz heranziehen. Aufgrund teils widriger Witterung musste die Verbindung über die Elbe insgesamt acht Wochen pausieren.
Zu prüfen und zu warten waren auf Coswiger Seite ein Brücken-Steg mit drei Pontons und auf Gauernitzer Seite ein Brücken-Steg mit zwei Pontons, die Steganlagen und die Stahlseilwinden. Jeden Ponton schliffen die Arbeiter und strichen ihn anschließend zehnmal im Unterwasserbereich. Zuvor wurde die Wandstärke der Pontons getestet. Diese Arbeiten wurden in Meißen durchgeführt, weshalb Tieflader und Kran erforderlich waren.

Coswig ist nicht die einzige Kommune an der Elbe, die regelmäßig vor solchen und ähnlichen Herausforderungen steht. Im Landkreis Meißen existieren mit Riesa, Diesbar-Seußlitz und Strehla drei weitere Städte beziehungsweise Gemeinden, in denen Fähren die beiden Elbufer verbinden. Dazu kommen die drei Linien der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) in der Landeshauptstadt, sowie bis hinauf zur böhmischen Grenze die zehn Fähren des Regionalverkehrs Sächsische Schweiz und Osterzgebirge.
Dabei dürften die Probleme in der Zukunft nicht geringer werden. Der Technische Dezernent des Landkreises Meißen Andreas Herr verweist auf die zumeist überalterte Bootsflotte, die oft noch mit Material aus den 1960er Jahren arbeiten muss. Die Antriebe sollten durchweg auf gleichfalls in die Jahre gekommenen Dieselmotoren beruhen. In der Folge kommt es immer wieder zu Ausfällen. In Niederlommatzsch und Diesbar-Seußlitz gab es diesen Sommer massiv Ärger bei Gewerbetreibenden, weil die Stolzenfels monatelang nicht übersetzen konnte und so Touristen und Kunden ausblieben. Erschwerend kommt hinzu, dass EU-weit die beruflichen Anforderungen an Fährmänner weiter nach oben geschraubt werden sollen. Dadurch könnte sich das bereits jetzt bestehende Personalproblem weiter verschärfen.
Weitere Angebote für Touristen schaffen
Um die Fähren im Landkreis Meißen für die Zukunft zu sichern, hat der Kreistag am Donnerstagabend in Riesa einstimmig einen weitreichenden Beschluss gefasst. Im Kern geht es darum, dass künftig die Verkehrsgesellschaft Meißen (VGM) für den Fährbetrieb auf allen vier jetzigen Linien zuständig sein soll. Auf diese Weise ließen sich Synergien realisieren, so Technikdezernent Herr. Die verschiedenen Betreiber wären nicht länger als Einzelkämpfer unterwegs.
Entscheidend dürfte allerdings der nächste Schritt sein: Der Landkreis möchte sich zusammen mit den Partnern VGM und DVB, welche Mehrheitsgesellschafter bei der Verkehrsgesellschaft Meißen sind, an einem bundesweiten Verkehrsförderprogramm beteiligen. Mit Hilfe einer 80-prozentigen Förderung könnte der Prototyp einer Solarfähre entwickelt werden, die umweltfreundlich sowie bei Niedrigwasser einsetzbar ist und flexibel touristische Bedürfnisse erfüllt. Es gehe nicht darum, immer nur von links nach rechts überzusetzen, so Andreas Herr. Mit Längsverkehren ließen sich neue Angebote für Besucher im Elbland schaffen. Es sei daran gedacht, einige der brachliegenden früheren Anlegestellen zu reaktivieren sowie die Ticketpreise an den standardmäßigen Tarif des VVO anzugleichen.
Im Meißner Landratsamt und bei der VGM hoffen die Verantwortlichen, dass der erste Stapellauf vielleicht bereits 2022 stattfindet. Gehen alle Wünsche in Erfüllung, könnte ab 2023 eine neue Flotte aus insgesamt fünf Solarbooten auf der Elbe zum Einsatz kommen. Eine Fähre würde als Reserve für eventuelle Ausfälle vorgehalten. Möglicherweise ergeben sich aus diesem Projekt auch neue Kooperationsmöglichkeiten mit den DVB oder darüber hinausgehend mit dem Regionalverkehr Sächsische Schweiz und Osterzgebirge.
In Berlin verkehrt der Fährbär
Solarfähren werden in Deutschland bereits auf verschiedenen Gewässern eingesetzt. Von Radolfzell aus gleitet etwa die Helio, ein futuristisch anmutendes Ausflugsschiff, über den Bodensee.
In Stralsund bauen die Firmen Ostseestaal und Ampereship gegenwärtig einen 21 Meter langen vollelektrischen Katamaran für die Hansestadt Rostock. Die neue Elektro-Solar-Personenfähre ist für den Einsatz im Stadthafen vorgesehen, wo sie ab Mitte 2021 auf einer Strecke von einem halben Kilometer zwischen Kabutzenhof und Gehlsdorf pendeln soll. Der Rumpf des Katamarans wird aus Stahl gefertigt. Die Fähre befördert bis zu 80 Personen und 15 Fahrräder auf einer Tour, vollelektrisch und komplett emissionsfrei.
Als Fährbär wiederum wird eine Serie von elektrisch betriebenen Solarfähren in Berlin bezeichnet. Seit 2014 verkehren sie im Auftrag der BVG auf vier Fährlinien. Die Schiffe gehören der Weißen Flotte in Stralsund.