Nossen/Döbeln. Das Wort Reaktivierung möchte Henning Homann (SPD) gar nicht erst in den Mund nehmen: "Ich will den alten Zug nicht zurück. Die alte Verbindung musste scheitern, weil sie unattraktiv war", so der Döbelner Landtagsabgeordnete.
Als die Bahnstrecke 2015 eingestellt wurde, waren täglich lediglich 200 Fahrgäste zwischen Döbeln, Nossen und Meißen unterwegs. Diese Strecke zu reaktivieren würde etwa 14 Millionen kosten, rechnete die Technische Universität (TU) Dresden 2019 vor.
Allerdings sei davon auszugehen, dass eine reine Wiederbelebung zu einer ähnlich schwachen Auslastung führen würde, befürchtet Homann. Um Autofahrer zum Umstieg zu bewegen, dürfte die Strecke zeitlich allerhöchstens dem 1,5-fachen einer Autofahrt entsprechen. Die Fahrt zwischen Döbeln und Dresden dürfte nicht sehr viel länger als eine Stunde dauern.
Dafür müsste die sehr kurvige Strecke technisch auf den neusten Stand gebracht werden – mit digitalen Stellwerken und digitaler Signaltechnik. Ein moderner und schneller Zug könnte die Fahrgastzahlen beinahe verfünffachen: Die TU rechne unter diesen Bedingungen mit 1.000 Fahrgästen, der VVO und der Homann mit etwa 900 Fahrgästen.
Die dafür erforderlichen Investitionsmaßnahmen würden 35 Millionen Euro zu Buche schlagen, prognostizierte die TU Dresden – allerdings bevor die Preise für Baustoffe in die Höhe geschossen waren: Besonders kostenintensiv sei die Modernisierung der kurvenreichen Strecke, um dort auch Schnellzüge fahren lassen zu können. Außerdem müsste etwa ein Zehntel des Geldes allein für die Beseitigung der Schwellenschäden im Streckenabschnitt Nossen ausgegeben werden, teilte Eckart Sauter, Geschäftsführer der Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie (NRE), bereits vor wenigen Wochen mit.
"Gutachten sprechen gegen Investition"
Für Homann gehe um nicht weniger als die Anschlussfähigkeit von Nossen und Döbeln: "Wir sind nicht nah genug dran, um Speckgürtel zu sein. Aber wir können es versuchen Dann hat Dresden weniger Wachstumsschmerzen und wir weniger Schrumpfungsschmerzen", sagt der SPD-Politiker, der sich der parteiübergreifenden Unterstützung der Bürgermeister entlang der Bahnstrecke sicher ist. Allerdings auch einräumte, dass er die Positionierung des neuen Roßweiner Bürgermeisters Hubert Paßher (CDU) noch nicht kenne.
Nossens Bürgermeister und Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Christian Bartusch brennt hingegen für das Projekt: "Als Grundzentrum werden wir nie abdecken können, was in der heutigen Zeit zu einer Lebensgestaltung dazugehört." Bartusch hofft, mit der neuen Bahnverbindung beispielsweise Praktikanten aus den umliegenden Städten gewinnen zu können, um in Nossener Unternehmen reinzuschnuppern und im Idealfall dortbleiben würden.
Der Radebeuler Landtagsabgeordnete Geert Mackenroth (CDU) findet allerdings, dass die dafür veranschlagten Steuergelder effektiv eingesetzt werden sollten: "Es macht nicht nur finanziell eher Sinn, Döbeln über Riesa an die Welt anzubinden: Die Bahnverbindung ist seinerzeit nicht ohne Grund abbestellt worden, an den Gründen für diese Entscheidung hat sich bis heute nichts geändert. Die Gutachten sprechen eine beredte Sprache." Zumal sich die Betriebskosten der Bahnstrecke sich bei einem einstündigen Takt auf jährlich 10 Millionen Euro belaufen würden.
Nicht vor 2028 in Betrieb
Von den Kommunen müsste die Millioneninvestition nicht getragen werden, sondern könnte sich zwischen Freistaat und Bund aufteilen. Die Landesregierung hat ihre Hälfte der Investitionskosten bereits zugesichert. Die andere Hälfte des Großprojekts könnte im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) gefördert werden. Das Projekt wurde speziell für die Reaktivierung von Landstrecken eingerichtet. Seit dem 1. Januar liegt eine Milliarde dieser Fördermittel des Bundes bereit – bislang unangetastet. "Bislang hat in Deutschland noch kein einziges Bundesland dort ein Projekt beantragt, weil es so einen langen Vorlauf braucht", so Homann. Von den Projekten, die dafür infrage sei Meißen besonders weit, es fehle nur noch eine standardisierte Bewertung. Kostenpunkt: Weitere 600.000 Euro an Vorlaufkosten.
Homann räumt dem Projekt inzwischen eine realistische Chance ein: "Dafür brauchen wir weiterhin ein klares Bekenntnis der Staatsregierung – Mehrheiten können sich schließlich ändern – sowie die Förderzusage des Bundes."
Das Projekt steht und fällt mit der Zustimmung der Verkehrsverbünde Oberelbe und Mittelsachsen: "Wir haben mit den fünf Verkehrsverbünden ein System, das nicht mehr zeitgemäß ist: Jeder einzelne Verkehrsbetrieb plant und finanziert nur bis zu den eigenen Tarifgrenzen", sagt Homann, der die "gläsernen Grenzen" bei diesem Projekt ganz besonders zu spüren bekommen. Sollten alle Hindernisse genommen werden, ist mit einer Inbetriebnahme der Strecke nicht vor 2028 zu rechnen.