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Meißen: Früher suchte die Region Firmen, heute suchen die Firmen Flächen

Die Wirtschaftsförderung im Landkreis Meißen feiert ihr 20-Jähriges. Das Geschäft hat sich gewandelt, von den Ansiedlungen hin zur Begleitung der Firmen.

Von Ines Mallek-Klein
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Grundsteinlegungen und Richtfeste, wie hier bei DHL 2017 in Klipphausen, bestimmten früher das Geschäft der Wirtschaftsförderung Region Meißen. Heute gehe es vorrangig darum, bestehende Firmen bei ihrer Erweiterung und Fachkräftesuche zu begleiten.
Grundsteinlegungen und Richtfeste, wie hier bei DHL 2017 in Klipphausen, bestimmten früher das Geschäft der Wirtschaftsförderung Region Meißen. Heute gehe es vorrangig darum, bestehende Firmen bei ihrer Erweiterung und Fachkräftesuche zu begleiten. © SAE Sächsische Zeitung

Herr Dienel, die Wirtschaftsförderung Region Meißen feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Sie sind seit 2008 Geschäftsführer, welche Erinnerungen gibt es an die Anfänge?

Als die Wirtschaftsförderung gegründet wurde, war ich 2002 noch im Studium. Es gab damals drei Wirtschaftsförderer im Landratsamt. Von Andreas Herr, dem heutigen Beigeordneten, und einigen Bürgermeistern im Altkreis Meißen ging die Initiative aus, einen Dienstleister zu gründen. Hintergrund war zum einen die Arbeitslosenquote, die über 15 Prozent lag. Wir hatten zudem Gewerbegebiete mit freien Flächen und noch zahlreiche Brachen. Die Wirtschaftsförderung wurde als Dienstleister gegründet. Ein Drittel der Anteile hielt der Landkreis, ein Drittel die Sparkasse und ein Drittel die Kommunen. 2003 wurden die ersten Mitarbeiter eingestellt. Ihre erste Aufgabe war es, Kontakt zu Unternehmen aufzubauen und ein Spektrum für die Dienstleistungen zu erarbeiten. Ich habe 2008 angefangen, in der Wirtschaftskrise und nach der Kreisfusion. Der Kreistag hatte beschlossen, dass wir auch in Großenhain und Riesa aktiv werden sollen. Also haben wir Netzwerke mit den Kommunen und Unternehmen aufgebaut.

Was sind die spektakulärsten Ansiedlungen im Landkreis?

Die Wirtschaftsförderung Sachsen sendete regelmäßig Anfragen von Firmen in die Regionen. Gerüchten zufolge sollen sich hier auch Porsche und BMW umgesehen haben, aber das war vor meiner Zeit. Ein einzelnes Unternehmen lässt sich heute schwer herausgreifen, aber das Gewerbegebiet Klipphausen kann man sicher als Erfolgsgeschichte bezeichnen.

Welches ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsrezept der Wirtschaftsförderung im Landkreis Meißen?

Ein klarer Vorteil war, dass wir von Anfang an nicht nur mit der Sparkasse, sondern auch mit anderen Banken zusammengearbeitet haben. Die Wirtschaftsförderung wurde so als unabhängiger Berater wahrgenommen. Dass die Geschäftsführer immer einen Bankhintergrund hatten, hat auch sicher vieles vereinfacht. Dazu kommt die Beratung aus einer Hand, von der Förderantragstellung und zu verschiedensten Genehmigungsverfahren. Wir setzen dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit der jeweiligen Fachebene im Landratsamt, um den Investoren verlässliche Auskünfte zu liefern. Sie wollen und brauchen Planungssicherheit.

Wir sind Sie personell und finanziell aufgestellt?

Wir sind derzeit sieben Mitarbeiter. Seit 2018 haben wir für den Landkreis auch noch die Breitbandkoordination übernommen. Unser jährliches Budget liegt bei 280.000 Euro, das unsere 29 Gesellschafter absichern. Darunter sind 27 Kommunen, der Landkreis und die Sparkasse. Wir hoffen, nach der Kommunalwahl bald auch Nünchritz als einzige fehlende Kommune mit im Boot haben. Für unsere Gesellschafter sind wir als Dienstleister unterwegs, in der Wirtschaftsförderung, aber auch beim Breitbandausbau und der Fachkräftesuche.

Wandelt sich Ihr Aufgabengebiet?

In jedem Fall, das Ansiedlungsgeschehen ist nicht mehr so relevant, die Bestandsbetreuung wird wichtiger. Hier und da reden wir über Unternehmensnachfolge und über Firmenerweiterungen. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Fachkräftemangel. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat untersucht, wie sich die Demografie auf die Zahl der Arbeitnehmer im Landkreis Meißen bis 2030 auswirken wird. Die Ergebnisse waren teilweise erschreckend, vor allem für den nördlichen Teil des Landkreises, da 25 bis 30 Prozent der Mitarbeiter aus dem Arbeitsleben ausscheiden werden. Da entstand die Idee eines Personalerworkshops, den wir 2019 initiiert haben. Wir wollen damit für das Thema Personalgewinnung und -bindung sensibilisieren, auch in den kleinen und mittelständischen Firmen, die nicht über eine eigene Personalabteilung verfügen.

Und wie ist die aktuelle Lage der Unternehmen im Elbland in der auslaufenden Pandemie und mit dem Ukrainekrieg, der Logistikketten kappt und die Inflation treibt?

Es war und ist eine Herausforderung für die Firmen, das ist sicher. Aber Unternehmer warten nicht, bis man ihnen Lösungen anbietet. Sie agieren selbst und haben dafür gesorgt, dass auch in der Pandemie die Produktion weiterlaufen konnte. Hygienemaßnahmen wurden eingeführt und beispielsweise in Industriebetrieben einzelne Schichten strikt voneinander getrennt. Es gibt sogar Unternehmen, die mehr Umsatz haben als vor der Pandemie. Andere aber warten jetzt auf Zulieferteile und mussten ihre Fertigung drosseln. Es gibt natürlich Unsicherheit, auch wegen der gestiegenen Energiekosten. Wie diese sich auswirken, werden wir sehen. Wir haben bislang keine Insolvenzen von Unternehmen wahrgenommen und auch keine Rückzüge. Eine andere Herausforderung sind neue Großansiedlungen, wie Bosch in Dresden. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen wissen um die dort gezahlten Gehälter, mit denen sie schwerlich mithalten können.

Auf dem Großenhainer Flugplatz soll ein neues, großes Gewerbegebiet entstehen, die Pläne kursieren seit Jahren. Wie ist da der Stand?

Das Areal ist mit seinen 150 Hektar die letzte große zusammenhängende Gewerbefläche im Landkreis, wo zunächst die Altlastensanierung ansteht. Der Freistaat hat vorgegeben, dass keine der verkauften Fläche kleiner als 50 Hektar sein darf. Sie sollen also größeren Ansiedlungen vorbehalten bleiben. Bevor wir damit aber in die Vermarktung gehen können, wird es noch zwei Jahre dauern, auch wenn die Gespräche zu Energieanbindung und Wasserversorgung längst laufen.

Hätte der Landkreis denn eigentlich noch genügend Arbeitskräfte für weitere Ansiedlungen?

Durch die geringe Arbeitslosenquote von unter fünf Prozent und der demographischen Entwicklung sind Maßnahmen zur Fachkräftesicherung gefragt. 2021 sind wir mit unserem Landkreismarketing gestartet. Es geht darum, die Menschen hier in der Region zu halten, für Zuzug zu werben und Menschen, die weggegangen sind, zur Rückkehr zu bewegen. Wir werden uns dazu externen Beratern bedienen und haben entsprechende Fördermittel beantragt. Es gibt sicher Regionen, die sind uns da voraus, beispielsweise das Erzgebirge. Dort drückte der Schuh schon früher, was die Fachkräftesituation betrifft. Und die Region, das muss man anerkennen, hat sich marketingtechnisch sehr gut aufgestellt. Wir wollen jetzt nachziehen.

Und wie steht es um die Start-up-Kultur und die Kreativbranche im Landkreis?

Die hat sich in der Coronazeit sehr gewandelt und dabei ist Co-Working ein wichtiges Thema. Wir haben vor einigen Wochen mit einer Studie begonnen, die bis September, Oktober 2022 laufen wird. Es geht darum, die Potenziale und auch mögliche Standorte für Co-Working-Spaces, also Arbeitsorte, die sich verschiedene Personen teilen, auszuloten. Wir wollen wissen, welche Ansätze es im Landkreis gibt und wie man die Akteure zusammenbringen kann. Es gibt bereits einige Objekte, die dafür infrage kamen, der Wasa-Park beispielsweise in Radebeul, der jetzt zurückgebaut werden soll. Er wäre voll ausgestattet gewesen. Auch als die Alte Post in Meißen frei gezogen wurde, gab es Gespräche mit dem Eigentümer. Aktuell zeigt sich die Bienenwirtschaft Meißen offen für solche Projekte.