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Meisterschuss in der Schonzeit

Bei Hobbyjäger Karl Schwald sitzt meist die erste Kugel. Für den Titel „Sachsens Unternehmer des Jahres“ brauchte der Chef der Firma Elaskon zwei Versuche.

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Von Michael Rothe

Karl Schwald gehört nicht zu jenen, die man zum Jagen tragen muss. Doch diesmal war es anders. Der Chef und Inhaber der Elaskon Sachsen GmbH in Dresden, begeisterter Hobbyjäger, hatte seine Bewerbung zu „Sachsens Unternehmer des Jahres“ erst kurz vor dem Halali im Februar eingereicht. Und nur auf Drängen anderer.

„Wir wurden schon vor drei Jahren vorgeschlagen, wurden Vierte“, sagt Schwald. „Warum dann noch mal?“ So viel Besonderes habe es im vergangenen Jahr ja nicht gegeben bei Elaskon, dem zu DDR-Zeiten weltgrößten Hersteller für Trabi-Rostschutz und heutigen Weltmarktführer für Drahtseilschmierstoffe. Gut, bei 23 Millionen Euro Umsatz wuchs die Belegschaft um sieben auf 71 Leute. Ein neues, 1,2 Millionen Euro teures Forschungslabor hilft, auch künftig einen Schritt vor der Konkurrenz zu sein. Vor den Chinesen etwa, die schon mit Kameras zwischen Fässern und Tanks in Dresden-Reick gesichtet wurden. Die eigene Expansion ins Reich der Mitte wurde angebahnt, ein Schmierstoffhändler in Thüringen übernommen. Und das Netz der Elaskon-Pflegestationen in Europa wuchs auf über 800. Und die Pläne für eine neue Lagerhalle stehen. Und, und, und.

Je mehr Schwald überlegt, umso mehr Vorzeigbares fällt ihm ein. Dennoch ist er keiner, der nach Trophäen lechzt. Das gilt für „Die Träumende“, die vergoldete Siegerstatue beim Unternehmerpreis-Wettbewerb, ebenso wie für das Geweih eines Sechzehnenders, den er mal in der Dübener Heide erlegt hat. Solche Prachtstücke sind für den 55-Jährigen Beiwerk. Für Schwald zählt das Davor mehr als der Beleg: Erfolg des Unternehmens hier und das Naturerlebnis in Wald und Flur dort.

Dort – das ist ein 1 000 Hektar großes Stück Sachsen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Mit vier Einheimischen hat der Allgäuer die zehn Quadratkilometer bei Liebstadt im Osterzgebirge gepachtet, wo sie jeder für sich auf die Pirsch gehen. Manchmal, im Herbst, auch gemeinsam. Das heißt dann Treibjagd. Voriges Jahr hat es das Quintett auf 120 Wildschweine gebracht. „Wenn du alles allein machst, hast du auch keine Freunde“, sinniert Schwald.

Er sei ein Gemeinschaftsmensch. „Es macht mir Freude, Freude zu teilen.“ Mitten im Revier steht ein 200 Jahre alter Bauernhof. Schwald hat die Ruine gekauft und will sie bis zum Herbst sanieren: als Unterkunft für Bruder und Sohn, später als Alterswohnsitz für sich, Ehefrau Ute „und ein paar Viecher“. Im Tal gurgelt der Großröhrsdorfer Bach. „Mehr Ruhe geht nicht.“

Schwald ist ein Genießer: gute Bücher, Opern und Freizeit mit seiner Frau. Die hält ihm als Unternehmer den Rücken frei, toleriert die Jagd und teilt sein zweites Hobby: Golf. Wie sein jüngster Sohn. Michael, mit Handicap null fast Profi, könnte mal den Platz in Ullersdorf leiten, hofft Schwald. Ihm gehört die Anlage.

Doch der dreifache Vater weiß, dass Eltern auch irren. Seine hatten einen Tante-Emma-Edeka-Laden in Kempten. „Den sollte ich übernehmen, aber es zog mich raus.“ In den Osten. Der Laden im Allgäu ist heute dicht, der Schmerz von Mutter und Vater nicht ganz verflogen. Gleichwohl gesellt sich Stolz hinzu. Auf das, was ihr Großer seit seinem Einstieg bei Elaskon 1993 und der Komplettübernahme 2000 erreicht hat.

Dresden und Elaskon Sachsen gehören zusammen – wie die Kürzel auf dem Kennzeichen von Schwalds Mercedes: DD-ES 1000. Die Liaison mit der Abkürzung aus „elastisch konservieren“ währt seit 1957. Zwar war die Marke durch das Rostschutzmittel K 60 ML in der DDR vor allem Trabantbesitzern ein Begriff, dennoch machte sie auch mit Seilschmierstoffen Furore, heute wichtigstes Standbein.

Die roten Tonnen des Weltmarktführers stehen an der Seilbahn des Tafelbergs bei Kapstadt, am Mont Blanc in den Alpen, auf Ölbohrinseln vor Singapur, beim Instandhaltungskommando von Venedigs Brücken – in Summe Drahtseilakte in 57 Ländern. Zudem pflegt Elaskon die Schneeräum- und Transportflotten von Flughäfen, produziert Formen- und Trennmittel für den Bau und ist Vertriebspartner des US-Ölriesen ExxonMobil.

Schwald ist vernarrt in das alte Gehöft bei Liebstadt. Wenn er mit leuchtenden Augen im Halbdunkel des einstigen Stalls von seinen Plänen erzählt, wähnt sich der Baustellengast schon im fertigen Gewölbe von Küche und Kaminzimmer. Der Mann weiß, was er will.

Auch als Unternehmer. „Wir werden ein Büro und ein Lager in Shanghai eröffnen“, sagt Schwald. Bruder Richard und Sohn Tobias, auch Elaskon-Chefs, wollten sich dort ablösen, damit das erhoffte Geschäft mit den 160 Drahtseilereien in China in Gang kommt. „Großkunden werden weiter von Dresden aus beliefert“, baut der Chef Sorgen vor, die Produktion könnte verlagert werden. Er sei hier verwurzelt, so Schwald. „Meine Zukunft liegt in Sachsen.“

Elaskon geht es gut. „Das erste Quartal 2013 war unser bestes“, sagt ein entspannter Chef. „Wenn ich doch mal Stress habe, fahre ich um drei Uhr raus und schalte ab.“ Dabei sind dann außer einem Wachtelhund die Strickjacke mit den Hornknöpfen, die speckige Lederhose, Hut, Fernglas, ein Hirschfänger, je eine Flinte für Schrot und Kugeln. Und der Mond, die Jägersonne. „Wenn ich mal zwei Wochen nicht zur Jagd kann, geht’s mir richtig schlecht“, sagt Schwald. Er halte es nicht lange im Büro aus. Oft komme er ohne Beute zurück. Aber auch ohne Ärger.

„Großvater liebte das Jagen und Fischen, Vater züchtete Hunde“, erzählt Karl. „Mein Bruder und ich kennen es nicht anders, waren schon als Sechsjährige bei der Jagd.“ Mit 16 habe ihm der Vater seine Bockbüchsflinte geschenkt. Die treffe auf gut 100 Metern und fast immer mit dem ersten Schuss. Nicht Töten sei der Antrieb. Es gehe zuerst um’s Beobachten: „Da kommt links eine Ricke mit zwei Jungen aus dem Wald, rechts ein junger Bock ...“ Mitleid habe er nie, auch kein schlechtes Gewissen. Jagd habe mit Ethik zu tun. In der Aufzucht seien Schüsse tabu.

Der Hobbyjäger klagt über „falsch verstandenen Naturschutz“ und „selbst ernannte Umweltschützer“. „Würden wir nicht nach strengen Regeln für ausgewogene Bestände sorgen, gäbe es hier keine Landwirtschaft mehr.“ Schwald zeigt auf die aufgewühlten braunen Stellen im Grün. Anders als Rot- und Muffelwild, das in Sachsen erst ab August gejagt werden darf, könnten Wildschweine das ganze Jahr geschossen werden. Er habe schon einige Drei-Zentner-Keiler erlegt, sagt Schwald. Kein Jägerlatein. Und ein wenig Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Ein Meisterschuss ist ihm jetzt geglückt. Ausgerechnet in der Schonzeit: Karl Schwald ist „Sachsens Unternehmer des Jahres“.