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Messerattacke im Hochhaus

Ein Racheakt am Varkausring in Pirna läuft aus dem Ruder. Dabei soll ein Leipziger zugestochen haben. Doch er war nicht allein.

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Von Stephan Klingbeil

Eigentlich hat der Pirnaer Steve K. mit seiner kriminellen Vergangenheit abgeschlossen. Der 29-Jährige will nicht mehr erinnert werden an die Drogendelikte, mag nicht mehr daran denken, dass er im Rausch ein Polizeiauto demoliert und jemanden überfallen hat. Er macht einen Entzug. Mit den Leuten am Varkausring auf dem Pirnaer Sonnenstein hat Steve K. kaum noch zu tun. Bis voriges Jahr lebte er selbst noch in einem der Hochhäuser dort. Nun kehrte der Mann wieder zurück.

Vergangene Woche musste er vor dem Schöffengericht in Pirna aussagen. Dort begann der Prozess gegen einen mutmaßlichen Messerstecher. Der Leipziger Victor H. muss sich wegen Raubes und gemeinschaftlicher Körperverletzung verantworten. Der Angeklagte soll am 27. November 2012 auf den betrunkenen K. eingestochen haben. An jenem Abend wurde der verurteilte Straftäter K. am Varkausring selbst zum Opfer.

Angeklagter schweigt vor Gericht

Der heute 25-jährige Angeklagte sagt nichts zu den Vorwürfen. Zeugen, die ebenfalls in den Vorfall verstrickt sind, hatten Victor H. aber in ihren vorherigen Prozessen am Amtsgericht Pirna als Messerstecher belastet. Die Attacke auf Steve K. im Eingangsbereich des Mehrgeschossers sei Schlusspunkt einer Racheaktion gewesen, die komplett aus dem Ruder gelaufen war.

H., Vivien G., die kurzzeitige Lebensgefährtin des Opfers, und weitere Männer sollen in jener Nacht vor über zwei Jahren zu dem Hochhaus am Varkausring gefahren sein. Dort lebte Steve K. in der Mietwohnung einer Freundin. Der Rachetross wollte angeblich Sachen von Vivien G. aus der Wohnung holen – und dem Koch obendrein eine Abreibung verpassen. Denn Steve K. soll seine Ex zuvor gezwungen haben, in Unterwäsche Geld einzutreiben. Die Frau, die später vom Vorwurf der Anstiftung zum Raub freigesprochen wurde, sei von ihrem Ex-Freund drangsaliert worden. Sie hätte ihm 200 Euro geschuldet.

Außerdem habe sie Klamotten getragen, die ihr nicht gehört hätten. K. habe die Frau genötigt, die geborgten Sachen auszuziehen, drängte sie danach raus in die Kälte, um bei Bekannten das Geld aufzutreiben. Als das nicht klappte, steuerten sie die Wohnung befreundeter Araber an. Dort habe K. seine Ex-Freundin für 50 Euro verhökern wollen. Er bestreitet dies. Tatsächlich verhalfen die Araber der Frau zur Flucht.

Befangenheitsantrag gegen Richter

Am Abend darauf kehrte sie an den Var-kausring zurück. Steve K. schlief in der Wohnung der Bekannten, als drei der Männer des Rachetrupps die Tür aufbrachen. Der Koch wachte auf, floh ins Schlafzimmer, rief die Polizei. Das Trio fackelte nicht lange, ließ Fernseher, Playstation und Handy mitgehen. Auch eine Pistole verschwand. Die Fremden nahmen zudem die zwei Hunde mit, die der Bekannten von K. gehörten. Danach verfolgte er die Diebe, stellte sie zur Rede. Was dann geschah, ist immer noch unklar. Steve K. kann sich nicht genau erinnern. Er erlitt aber nach dem Handgemenge im Hausflur Stichverletzungen an Oberschenkel und Hoden. Die Diebe verschwanden.

Trotz stundenlanger Verhandlungen ist weiterhin unklar, wer der Messerstecher war. Victor H. ist Hauptverdächtiger. Doch er war damals nicht allein. Die Aussagen der Beteiligten sind unkonkret, Erinnerungen der Zeugen verblassen immer mehr.

Auch deshalb drängt das Gericht auf eine rasche Klärung des Falls. Doch die wird es so schnell nicht geben. Denn der Anwalt von H. hält den Vorsitzenden Andreas Beeskow und eine der Schöffen für befangen, sah nach fast acht Stunden Verhandlung kein faires Verfahren mehr gegeben. Am Amtsgericht Pirna wird nun der Befangenheitsantrag geprüft. Daher wird der Prozess bis auf Weiteres unterbrochen.