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Mieten mal anders

Bewohner haben ihr Haus am Konkordienplatz von der Stadt gekauft. Eigentümer sind die Pieschener dennoch nicht.

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Dresden. Sie nennen es die Zentrale. Die Türen zu Martin Billerts Wohnung stehen immer offen, dort treffen sich die Bewohner seit 15 Jahren. So lange wohnt er schon in dem Haus am Konkordienplatz. Die Gemeinschaft von acht Erwachsenen, vier Kindern und zwei Hunden ist über viele Jahre hinweg zusammengewachsen. Nun gehen sie gemeinsam ein großes Projekt an: Sie haben das Haus gekauft und wollen es nun komplett sanieren – der Kauf war allerdings nur bedingt freiwillig.

Denn zunächst war der Schock groß, als Ende 2014 ein Schreiben der Stadt eintrudelte. Die war bis dahin Eigentümer des Hauses in Pieschen. In dem Brief wurde der Verkauf des Gebäudes angekündigt. Das traf die bunt zusammengewürfelte Truppe wie ein Blitz. Doch die Hoffnung keimte relativ schnell wieder auf. Denn der Stadtrat hatte beschlossen, Bewohnern eines Hauses beim Verkauf das Vorkaufsrecht einzuräumen. Billert und seine Mitbewohner waren sich zwar schnell einig, dass sie am Konkordienplatz bleiben wollen. Doch Eigentümer werden?

Sie stehen alle an unterschiedlichen Punkten im Leben, sind teilweise noch sehr jung und wollten sich nicht auf Dauer binden. „Die Antwort kam plötzlich aus einer eher unerwarteten Richtung“, sagt Billert. Nämlich aus dem Stadtplanungsamt. Dort drückte ein Mitarbeiter dem Gespann eine Broschüre vom Mietshäuser Syndikat in die Hand. Selbstverwaltet, selbstorganisiert und solidarisch? Das war genau das, was die Pieschener gesucht haben. Sie kontaktierten die Gesellschaft umgehend.

Deren Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, indem sie sich am Hauskauf beteiligen. Der Weg: Die Bewohner gründen eine Firma, von denen ihnen der Großteil gehört. Auf der Konkordienstraße ist das die K-Hoch3 Dresden GmbH. Das Syndikat erwirbt auch einen Teil der Firma, meist 49 Prozent. Der Firma gehört das Haus. Die Bewohner sind hingegen weiterhin nur Mieter. Wer es sich anders überlegt, kann also jederzeit aus der autonomen Wohngemeinschaft ausziehen. Nun galt es, die Stadt zu überzeugen.

Denn in Dresden ist das Mietshäuser Syndikat bislang eher unbekannt. Deutschlandweit gibt es derzeit 121 umgesetzte Syndikatsprojekte. In ganz Sachsen sind es 20, in Dresden gerade einmal fünf. Hochburgen sind hingegen die Städte Berlin und Freiburg mit jeweils 17 Syndikaten, in Leipzig gibt es immerhin elf. Obwohl das Konstrukt also in der Landeshauptstadt nicht an der Tagesordnung steht, konnten Billert und die anderen die Verwaltung schließlich überzeugen. Nach mehreren Gutachten, Problemen bei der Finanzierung, viel Zuspruch und Unterstützung sowie einigen Selbstzweifeln haben die Bewohner nun den Kaufvertrag abgeschlossen. Damit wartet das eigentliche Mammutprojekt.

Denn der viergeschossige Gründerzeitbau ist in einem so schlechten Zustand, dass er dringend saniert werden muss. Die Stadt hat jahrelang nichts mehr am Haus gemacht. „Das fanden wir auch nicht schlimm“, so Billert. Meist legten die Bewohner selber Hand an und reparierten so einiges. Ähnlich soll es bei der Sanierung laufen – möglichst viel in Eigenregie, nicht alles auf einmal. Am meisten Priorität hat das undichte Dach, es soll als Erstes an die Reihe kommen.

Irgendwann ist es dann geplant, die bisher unbewohnten Apartments im Erdgeschoss auszubauen. Dort will Billerts Freundin Romy Backhaus einziehen, die derzeit noch in einer Mietwohnung in Pieschen wohnt. Sie möchte dort gerne eine Wohngemeinschaft mit Flüchtlingen gründen. In der zweiten ebenerdigen Wohnung sollen Büros und eine Werkstatt entstehen. Künftig werden sie die Bewohner vom Konkordienplatz die Zentrale nennen.

Dresdner Syndikate

Koko-Hoch-3, Konkordienplatz, Personen: 12, Kosten: 499 000 Euro, Miete: 5,61 Euro pro Quadratmeter

Betriebsküche, Berliner Straße, Personen: 12, Kosten: 644 000 Euro, Miete: 6,04 Euro pro Quadratmeter

RM16, Robert-Matzke-Straße, Personen: 14, Kosten: 316 000 Euro, Miete: 3,41 Euro pro Quadratmeter

Mangelwirtschaft, Overbeckstraße, Personen: 19, Kosten: 646 000 Euro, Miete: 6,49 Euro pro Quadratmeter

2n40, Wilhelm-Franke-Straße, Personen: 25, Kosten: 847 000 Euro, Miete: 5,36 Euro pro Quadratmeter

Weinberg 21, Weinbergstraße, Personen: 30, Kosten: 1,8 Millionen Euro, Miete: 5,53 Euro pro Quadratmeter