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Die russische Taiga brennt

In Sibirien herrscht Ausnahmezustand wegen riesiger Waldbrände. Die Menschen bekommen kaum Luft. Dabei kämpft man dort noch mit einer anderen Katastrophe.

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Ein Mitarbeiter des russischen Luftwaldschutzes (Avialesookhrana)  während der Bekämpfung eines der Waldbrände.
Ein Mitarbeiter des russischen Luftwaldschutzes (Avialesookhrana) während der Bekämpfung eines der Waldbrände. © -/RIA Nowosti/dpa

Von Ulf Mauder und Christian Thiele

Moskau. Die russische Taiga brennt. Der für das Klima auf der Erde wichtige Waldgürtel in Sibirien und im äußersten Osten Russlands steht teilweise in Flammen. Eine Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens ist bereits abgebrannt - mehr als 30 000 Quadratkilometer. Und noch immer breitet sich das Feuer aus. Mit der Feuerwalze ziehen auch gesundheitsschädlicher Rauch und Asche in die Städte und Dörfer. Tausende Helfer kämpfen gegen die Flammen. Flugzeuge des russischen Zivilschutzes und des Verteidigungsministeriums fliegen Löscheinsätze. Doch ein Ende der Brandkatastrophe ist nicht in Sicht.

Zwar konnten etwa in Irkutsk in der Nähe des Baikalsees und in Krasnojarsk die Menschen wieder etwas durchatmen, weil sich der Wind gedreht hatte. Der brenzlige Geruch verzog sich. Doch nicht überall gab es Entwarnung. Viele Menschen klagten in russischen Medien, dass selbst weitab der Brandherde die Lage wegen des Smogs unerträglich sei. "Es ist ein Gefühl, als ob man nicht in einer Stadt, sondern in einem Chemielabor lebt. Zu Hause, auf der Straße - überall ist dieser Brandgeruch zu spüren", berichtete Gennadi Scheweljow in der sibirischen Stadt Kemerowo.

In Ulan-Ude in der Teilrepublik Burjatien - in der Nähe des Baikalsees - sei die Sonne mehrere Tage nicht mehr zu sehen gewesen, berichteten lokale Medien. Einige Bewohner wagten sich demnach nur noch mit Schutzmasken vor die Tür. "Seit der Rauch in unserer Stadt ist, schmerzt mein Kopf, und mir ist schwindelig", erzählte die Rentnerin Tamara Saweljewa. "Diesem Geruch kann man nicht entkommen, weder auf der Straße noch zu Hause."

Feuer in Russland in den vergangenen 48 Stunden
Feuer in Russland in den vergangenen 48 Stunden © Grafik: A. Brühl/dpa

Das Gesundheitsministerium im mehr als 4.000 Kilometer entfernten Moskau riet den Betroffenen, sich so wenig wie möglich im Freien aufzuhalten. Türen und Fenster sollten mit nassen Handtüchern abgedichtet werden, falls Rauch in die Häuser zieht. "Seit drei Tagen huste ich. Das ist so anstrengend", sagte die 60-jährige Olga Kudrjawzewa in Ulan-Ude. Nachts schlafe sie kaum noch.

Das Internetportal Sibreal berichtete von leeren Spielplätzen und Fußgängerzonen in vielen Ortschaften und von Asche-Ablagerungen auf Autos.

Im gut 1.000 Kilometer entfernten Krasnojarsk sind viele Menschen wütend auf den Gouverneur der Region. Mehr als 2000 Bewohner forderten bei Protesten am Donnerstag den Rücktritt von Alexander Uss, weil sie sich nicht ausreichend vor den Folgen des Brandes geschützt sehen. Der Gouverneur hatte erst noch vor ein paar Tagen das Löschen der Waldbrände als sinnlos bezeichnet, da dies "ein weit verbreitetes Naturphänomen" sei.

Dass es jedes Jahr zu Wald- und Steppenbränden in Sibirien kommt, ist in der Tat so. Doch dieses Mal, darüber berichten russische Medien breit, haben die Behörden die Feuer zu lange sich überlassen - in der Hoffnung, dass sie von selbst ausgehen. Inzwischen mussten sie den Ausnahmezustand ausrufen etwa im Irktusker und Krasnojarsker Gebiet, in mehreren Regionen der Teilrepubliken Burjatien und Jakutien. Insgesamt mehr als 800 Ortschaften sollen in der von dem Rauch betroffenen Zone liegen. Es gibt auch Ermittlungen wegen Brandstiftung.

Besonders in den entlegenen Regionen der Taiga und Tundra im dünn besiedelten Norden Sibiriens hatten die Behörden schon aus Kostengründen auf die nicht billigen Einsätze verzichtet. Die Folgen sind verheerend. "Die Fläche der Brände hat sich so erhöht, weil es eine lange Dürreperiode gab und zugleich die aktiven Maßnahmen ausblieben, die meisten Brände zu löschen, darunter auch die in entlegenen Gebieten", sagte der Experte Sergej Abanin im russischen Zivilschutzministerium.

100 Jahre dauert es nach Meinung von Forstexperten, bis sich der Waldbestand erholt. Sie kritisieren aber den späten Löscheinsatz auch deshalb, weil sich das Feuer bisweilen tief in den Torfboden frisst und dort über Monate weiter kokelt. Die russische Forstverwaltung warnte in einer Prognose, dass sich die Lage weiter verschlimmern könne.

Starker Rauch verhüllt das Zentrum der ostsibirischen Stadt Tschita.
Starker Rauch verhüllt das Zentrum der ostsibirischen Stadt Tschita. © AP/dpa

2010 überzog giftiger Smog von Torfbränden auch in der Nähe von Moskau die gesamte russische Hauptstadt. Viele Menschen verließen damals wegen der Gesundheitsgefahr die Stadt. 2010 war auch das Jahr der landesweit schlimmsten Waldbrände der russischen Geschichte - mit vielen Toten und ganzen abgebrannten Siedlungen.

In Sibirien kämpfen die Behörden noch immer mit den Folgen einer anderen Katastrophe. In diesem Sommer war nach langen Regenfällen auch an vielen Flüssen das Wasser über die Ufer getreten. Es kam zu einem Jahrhunderthochwasser mit Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten. Tausende Menschen verloren ihre teils nur aus Holz gebauten Wohnungen. Ganze Ortschaften wurden evakuiert. Immer wieder hatte auch die Staatsführung in Moskau die lokalen Behörden zur Eile beim Wiederaufbau gemahnt. Der Winter in Sibirien hält bald Einzug. (dpa)