Merken

Millionen für 40 Zentimeter Bronze

Nach 100 Jahren Abwesenheit kehrt der 400 Jahre alte „Mars“ heim nach Sachsen. Dafür waren gute Beziehungen nötig - und sehr viel Geld.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Am Mittwoch wurde der Rückkehrer im Freiberger Stadt- und Bergbaumuseum der Öffentlichkeit präsentiert - flankiert von "Wächtern" in traditioneller Bergmannstracht.
Am Mittwoch wurde der Rückkehrer im Freiberger Stadt- und Bergbaumuseum der Öffentlichkeit präsentiert - flankiert von "Wächtern" in traditioneller Bergmannstracht. © Arvid Müller

Von Katja Solbrig

Die etwa 40 Zentimeter große Statue ist nicht nur ein Meisterwerk ihrer Zeit: Giambologna, der damals als der bedeutendste Bildhauer Europas galt, schenkte sie 1587 dem sächsischen Kurfürsten Christian I. zu dessen Amtsantritt. Der dankte dem Künstler mit einer wertvollen Goldkette. Zusammen mit drei weiteren Statuetten aus Giambolognas Werkstatt gehörte der Mars zum Grundstock der Dresdner Kunstkammer, mit ihnen begann die Sammlungsgeschichte am sächsischen Hofe.

Weil der Mars also nicht nur ein Glanzstück des Manierismus ist, sondern als Teil der kulturellen Identität Sachsens und Deutschlands gilt, haben mehrere Institutionen tief in die Taschen gegriffen und so ermöglicht, dass die Bronzefigur nun wieder im Freistaat weilt. Denn 1924 wurden mit der sogenannten Fürstenabfindung die Wettiner nach ihrer politischen Entmachtung finanziell entschädigt, neben zahlreichen anderen Kunstwerken kam auch der Mars an den Familienverein „Haus Wettin“. Er wurde weiterverkauft und gelangte schließlich 1988 durch eine Schenkung in die Kunstsammlung der Bayer AG.

Im Juli 2018 wollte Bayer die Figur bei Sotheby‘s versteigern, was die Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) kurz vor dem Versteigerungstermin erfuhren. „Sotheby‘s wollte von uns Details für den Katalog“, erzählte Marion Ackermann, Generaldirektorin der SKD, am Donnerstag beim Festakt im Bergbaumuseum in Freiberg, bei dem sich alle an der „Heimkehr des Mars“ Beteiligten zum Erfolg nochmals gratulierten.

Ackermann schilderte anschaulich die dramatischen Tage im letzten Sommer: Wie sich sofort Unterstützer fanden aus Politik und privaten Geldgebern. Wie etwa Martin Hoernes von der Ernst von Siemens Kunststiftung täglich Mut machte, man werde das Geld schon auftreiben. Wie Kunstministerin Eva-Maria Stange die Ministerkollegen der Länder informierte und auf ihrer Seite wusste. Wie das Direktorenkollegium der SKD beschloss, für zwei Jahre auf jeglichen Ankauf zu verzichten. Wie auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters Hilfe zusagte. Dass es wirklich gelingen könnte, den Mars zurückzukaufen, war noch Ende Juni alles andere als sicher.

Ein Sturm der Entrüstung fegte durch die Kunst- und Kulturpolitikwelt. Der prallte aber an der Bayer AG ab. Geradezu faszinierend, dass der durch die Glyphosat-Diskussionen momentan nicht gerade mit Positivschlagzeilen gesegnete Bayer-Vorstand auch hier die negative Presse in Kauf nahm. Sowohl die Bitten der Erben des ersten Käufers Theodor Plieninger – des einzigen, der für den Mars wirklich Geld gezahlt hat – als auch die Aufforderung von Kulturstaatsministerin Grütters, dieses Kunstwerk von nationaler Bedeutung den SKD zu schenken, zeigten keinen Erfolg.

Und so war nun bei der Mars-Präsentation allen Beteiligten noch einmal die Erleichterung darüber anzumerken, dass ihnen der Coup gelungen ist, Bayer dem Verkauf schließlich zustimmte und nicht auf den wohl höheren Auktionspreis bestanden hatte. Beide Seiten haben Stillschweigen über die Summe vereinbart – doch allein aus Grütters’ Ministerium floss eine Million Euro. Auch die Kulturstiftung der Länder, die Siemens Kunststiftung, der Freistaat Sachsen und der Freundeskreis der SKD beteiligten sich an der Finanzierung. „Wir hatten nie einen Zweifel daran, dass der Mars uns diese Summe wert ist“, so Eva-Maria Stange. „Die größte Schwierigkeit bestand darin, Bayer dazu zu bewegen, ihn aus Sotheby‘s zurückzuziehen. Es ist schon beachtlich, wie wenig Sensibilität Bayer dafür hat, dass auch Kunst den Reichtum unseres Landes ausmacht.“

Die Ironie an der ganzen Geschichte: Das Geld vom Mars will Bayer zur Förderung zeitgenössischer Kunst verwenden.

„Klein und leicht ist diese Figur nur hinsichtlich ihrer Maße“, so Grütters. „Im Blick auf ihre kulturhistorische Bedeutung ist sie ein echtes Schwergewicht.“ Für die Debatte um den Rückkauf und um den Umgang mit national wertvollen Kulturgütern sei dieser Streit sehr wichtig gewesen. Sie hoffe, ihn niemals wieder führen zu müssen, und warb nochmals für ihre Novelle des Kulturschutzgesetzes.

Jetzt aber ist er wieder da, dieser kleine große Mars – und begibt sich unter die Leute. Unter dem schönen Titel „Ein Gott auf Reisen“ tourt die Statue zunächst durch Sachsen, auf dass die Menschen ihn wieder sehen und endlich richtig kennenlernen können. Und er wird in Zusammenhängen gezeigt, die beweisen, wie wichtig dieser Mars für Sachsen war. Denn Kurfürst Christian I. war von Giambolognas Statuetten so angetan, dass er dessen Schüler Cesare del Palagio beauftragte, die Grabkapelle der Wettiner im Freiberger Dom in diesem Stil auszustatten. Diese Kapelle steht den Grabmälern Kaiser Maximilians I. und Kaiser Karl V. nicht nach. Deshalb ist der Dresdner Mars von heute an bis zum 31. März im Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg zu sehen. Nach Stationen in Chemnitz und Torgau bezieht der Dresdner Mars schließlich eine Ehrenkammer in der dann wiedereröffneten Sempergalerie.

„Ein Gott auf Reisen“ bis 31. März im Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg, Am Dom 1, geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr