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Ministerbüro zugekleistert

Ein „Kommando Großenhain“ hat es auf Thomas de Maizière abgesehen – und kündigt weitere Aktionen an.

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© Screenshot/SZ

Von Birgit Ulbricht und Ulf Mallek

Großenhain. Vier Menschen laufen mit zwei Eimern, Pinseln und Papierrollen in der Hand auf die Salzgasse gleich neben dem Zentrum von Großenhain. Einer filmt sie dabei. Es ist Nacht. Die Szenerie wirkt gespenstisch. Die vier Menschen sind komplett in weißen Hygieneanzügen verhüllt, die Gesichter mit schwarzen Skimasken getarnt. Die Kamera schwenkt. Das Wahlkreisbüro des Bundesinnenministers Thomas de Maiziere (CDU) ist zu sehen. Er teilt es mit dem Kreisvorstand seiner Partei.

Als Song für ein selbst gedrehtes Video von der Attacke wählen sie Musik einer linken Punkband.
Als Song für ein selbst gedrehtes Video von der Attacke wählen sie Musik einer linken Punkband. © Screenshot/SZ

Die Vier rollen ihre Pro-Flüchtlingsplakate aus und kleben sie an die Scheiben. Als Musik dudelt im Video als Hintergrund der Song „Als ich ein Turnschuh wär ...“ der linken Hamburger Punktband „Die goldenen Zitronen“. Es ist eine Persiflage auf einen Schlager aus den 50er Jahren: „Für eine Fahrt ins Mittelmeer geb ich die letzten Mittel her“. Jetzt aber wird der Flüchtlingsstrom übers Mittelmeer besungen. Das ist das Thema, das die Vermummten antreibt.

Sie selbst bezeichnen sich in einer Pressmitteilung als „Aktivisten des Kommandos Großenhain“. Sie verklebten Plakate, auf denen Bilder vom Grenzzaun in Idomeni und dem Mittelmeer zu sehen sind. Zu lesen war auch ein aus dem Zusammenhang gezogenes Zitat des Ministers zum EU-Türkei-Deal: „Auch wenn wir jetzt ein Paar harte Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist richtig.“ Außerdem kippten die Links-Aktivisten Schuhe vor die Tür, die sie nach eigenen Angaben angeblich vom Strand des griechischen Lagers Moria auf der Insel Lesbos eingesammelt hätten.

Mit der Aktion will das „Kommando Großenhain“ auf die EU-Außenpolitik aufmerksam machen. Aktivisten-Sprecherin Laura Stern (Name ist ein Pseudonym): „De Maizière ist Ziel unserer Aktion geworden, da er beispielhaft für den Zynismus deutscher Realpolitik steht und mit erfundenen Statistiken den Rechtsruck und den rassistischen Konsens hierzulande befeuert.“

Bundesminister de Maiziere erreichte die Nachricht von der Aktion am Donnerstagmorgen in Berlin. Er teilte der SZ mit: „Ich bestätige die Attacke auf das Großenhainer Wahlkreisbüro. Die Großenhainer Polizei hat den Vorfall aufgenommen und der Staatsschutz ermittelt.“ Alle Verunreinigungen konnten schnell beseitigt werden. Das Wahlkreisbüro arbeitete bereits am Morgen wieder uneingeschränkt.

Großenhains Revierleiter Dieter Greß sagte, dass die Großenhainer Plakatattacke juristisch schwer zu bewerten ist. Es sei weder eine Straftat, weil niemand beleidigt wurde, noch nicht einmal eine Sachbeschädigung, da die Täter wasserlöslichen Kleber verwendet haben und sich die Plakate mühelos mit Wasser und Lappen von den Fenstern entfernen ließen. Er bezeichnete die Angelegenheit lediglich als „groben Blödsinn“.

Politisch schlägt der Vorfall dagegen Wellen: „Eine solche Aktion, noch dazu heimlich in der Nacht, ist feige“, sagt JU-Kreisvorsitzender Johannes Fiolka, der gleichzeitig Vorsitzender des Großenhainer CDU-Stadtverbandes ist. „Anstatt offen das Gespräch zu suchen und konkrete, realpolitische Vorschläge zu liefern, wird eine populistische Aktion durchgeführt, deren Argumente jeder differenzierten Betrachtung der EU-Außenpolitik entbehren.“ Thomas de Maizière habe weder, wie es in der Erklärung der Aktivisten heißt, „mit erfundenen Statistiken den Rechtsruck und den rassistischen Konsens hierzulande befeuert“ noch ist die deutsche Sicherheits- und Außenpolitik menschenverachtend. Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) postete auf Facebook: „Da trifft es ja nun wirklich den Falschen. Wenn sich jemand bemüht, Anspruch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen und Menschen in Not zu helfen, dann ist es unser Thomas de Maiziere. Abgesehen davon gibt es auch keinen Richtigen, den eine solch schwachsinnige Aktion treffen kann.“ Der CDU-Landtagssprecher Christian Fischer sieht im Wort Aktivisten „für Kriminelle einen liebvollen Euphemismus“. Öffentliche Befürworter dieser Attacke gibt es wenige, wie den Großenhainer Student Stefan Beyer: „Auch wenn es Sachbeschädigung ist, kann man die Beweggründe sehr gut nachvollziehen.“

Diese Debatte wird die linke Gruppierung nicht von weiteren Attacken abhalten. Sie kündigt neue Aktionen an, die sich auch gegen die geplanten Einheitsfeierlichkeiten zum 3. Oktober in Dresden richten. Der sächsische Verfassungsschutz wollte auf Nachfrage gestern keine Stellung beziehen.