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Missbrauch bei der Feuerwehr

57 Mal soll sich der Angeklagte an einem Jungen aus Hellerau vergangen haben. Er ist einschlägig vorbestraft.

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© Robert Michael

Von Maren Soehring

Für Henry P. (Name geändert) war Daniel H. in schweren Zeiten eine Art Vaterersatz und Vertrauensperson: Seine Eltern trennten sich, seine Mutter erkrankte schwer, regelmäßig verbrachte Henry die Wochenenden bei seinem „Feuerwehr-Kumpel“ Daniel H. Doch der 38-Jährige nutzte die Situation laut Anklage über viele Monate zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse aus. Spätestens ab Anfang des Jahres 2010 bis zum Herbst 2012 soll der Taxifahrer den damals zwölf bis 14 Jahre alten Jungen anal und oral missbraucht haben, bei 43 der 57 angeklagten Taten war dieser unter 14, also noch ein Kind. Zu den Übergriffen kam es meist in den beiden Zimmern, die H. im Haus seiner Großeltern in Hellerau bewohnte. Mit seiner Mutter teilte er sich dort die erste Etage. Auch bei zwei Zeltlagern in Berlin und Kamenz sei es zu Missbrauchsfällen gekommen.

Nach Verlesung der Anklage zogen sich die Prozessbeteiligten zu einem Rechtsgespräch zurück. Sowohl die Kammer als auch Oberstaatsanwalt Lorenz Haase stellten dem Angeklagten bei einem Geständnis eine Haftstrafe zwischen acht und neun Jahren in Aussicht, einbezogen werden sollen zwei ältere Urteile. Denn Daniel H. ist massiv vorbestraft: Im Sommer 2013 wurde er am Landgericht wegen des Missbrauchs eines geistig und körperlich behinderten Jungen zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Opfer kannte er aus seiner Zivildienstzeit, die er in einem Heim für behinderte Kinder absolvierte. Bereits 2011 hatte er am Amtsgericht sieben Monate auf Bewährung erhalten. Schon damals hatte Daniel H. junge Mitglieder der Stadtteilfeuerwehr Hellerau unsittlich berührt.

H.’s Verteidiger Peter Manthey lehnte den „Deal“ mit der Kammer ab, geständig zeigte sich sein Mandant aber dennoch: H. berichtete von einem zweijährigen Aufenthalt in einem „Spezialkinderheim“ in Weißwasser. Dort wurde er 1987 wegen Fehlverhaltens in der Schule eingewiesen. „Ich hatte Probleme, habe gestört. Heute wäre es wahrscheinlich ADHS“, sagte H. Damals habe er als Zehn- bis Zwölfjähriger erste homosexuelle Kontakte mit Gleichaltrigen im Heim gehabt, sei aber generell bisexuell orientiert. Besonders attraktiv für ihn seien aber pubertierende Jungen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, so H.

In dieses Raster passte Henry. In seiner Funkion als Jugendwart rekrutierte H. den Jungen für den Nachwuchs der Freiwilligen Feuerwehr, kam auch mit der Mutter über das gemeinsame Hobby „Internet-Radio“ in Kontakt. „Als sie Probleme hatte, hat sie mich immer wieder angerufen.“ Während der Trennungsphase stand ihr H. als Ansprechpartner zur Seite, am Tag des Umzugs in ihre neue Wohnung übernachtete Henry das erste Mal bei ihm. Kurz darauf sei es zu den ersten Taten gekommen, so H. Henry, inzwischen 17, tritt im Prozess als Nebenkläger auf, sein Anwalt Andreas Boine beantragte den Ausschluss der Öffentlichkeit für die weitere Einlassung von Daniel H. zu den angeklagten Taten. Ihr Urteil will die Jugendschutzkammer des Landgerichts kommende Woche sprechen.