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Mit Beharrlichkeit ans Reißbrett

Paul Groß lernt Bauzeichner. Die Ausbildung befindet sich im Umbruch – eine Herausforderung auch für den Ausbildungsbetrieb.

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© D. Thomas

Von Heike Heisig

Roßwein. Der 17-jährige Paul Groß ist ein aufgeschlossener, zielstrebiger junger Mann. Er weiß, was er will. Und vielleicht hat er gerade deshalb die Lehrstelle bekommen, die er sich ausgesucht hat: Bauzeichner mit der Fachrichtung Architektur.

„Seit mehreren Jahren schon habe ich mit großer Begeisterung gezeichnet, hauptsächlich Gebäude“, erzählt der Roßweiner. Mit dieser Begründung hat er sich bei seiner jetzigen Chefin Kerstin Bauer vom gleichnamigen Bauplanungsbüro zunächst als Praktikant empfohlen. Das habe sie aufhorchen lassen, gibt Kerstin Bauer mit einem Lächeln zu. Nach einem Schülerpraktikum und zweimaliger Ferienarbeit hat Paul schließlich eine Ausbildungsstelle im Büro von Jochen und Kerstin Bauer bekommen. Allerdings: Die Entscheidung dafür haben sich die Bauers nicht leicht gemacht.

Das liegt aber nicht an Paul, sondern an geänderten Bedingungen. „Ausgebildet haben wir schon mehrfach, damals war die Berufsschule allerdings noch in Leipzig, unsere Lehrlinge konnten hier in den Zug steigen oder hatten schon die Fahrerlaubnis. Bei Paul ist das anders“, nennt Kerstin Bauer einen Grund für das anfängliche Zögern. Er ist noch minderjährig, zur Ausbildung muss er nach Chemnitz, eine direkte Zuganbindung gibt es nicht mehr. Doch nach den ersten Wochen Praxis kann der 17-Jährige sagen: „Es klappt gut. Ich steige hier um 5.14 Uhr in den Bus und in Döbeln dann in den Zug.“ Ziemlich früh, zugegeben. Dafür kann der Jugendliche an den Praxistagen im Ausbildungstrieb ein wenig länger schlafen. Denn Paul wohnt in der Querstraße, wo sich auch das Planungsbüro befindet. Dort geht’s morgens erst halb Acht los.

Wegen Paul steht in einem der Büroräume jetzt wieder ein Reißbrett. Daran arbeiten die übrigen vier Mitarbeiter nicht mehr. Sie planen am Computer, inzwischen schon überwiegend dreidimensional, was der Vorstellungskraft vieler Auftraggeber entgegenkommt. Doch Kerstin Bauer findet es wichtig und richtig, dass zunächst am Reißbrett die planerischen Grundlagen erlernt werden, die Auszubildenden ein Gefühl für den Stift und geometrische Grundkonstruktionen entwickeln können. Nur so könne man später nachvollziehen, was der Computer plant und vor allem prüfen, ob alles korrekt ist. Wie Paul erzählt, wird im ersten Schuljahr überwiegend am Zeichenbrett gearbeitet, in den nächsten Lehrjahren käme dann die Planung am Computer hinzu.

Künftig dreidimensional planen

Nur 30 weitere junge Leute haben mit dem Roßweiner in diesem Jahr in Sachsen mit der Bauzeichnerlehre begonnen. Lange hat Kerstin Bauer die Daumen gedrückt, dass die Klasse überhaupt zusammenkommt. Während zu DDR-Zeiten Hunderte auf diesem Gebiet ausgebildet worden sind, ist die Zahl inzwischen enorm geschrumpft. Den Beruf sieht die Roßweiner Planerin trotzdem nicht aussterben. Sie denkt, dass er reformiert, die Ausbildung dem technischen Stand angepasst werden sollte. „Beispielsweise für den Tiefbau werden auch in Zukunft immer qualifizierte Bauzeichner gebraucht“, ist Kerstin Bauer überzeugt. Sie spricht von einem anspruchsvollen Beruf, für den eine gute räumliche Vorstellungskraft Grundvoraussetzung ist.

Und der Beruf ist vielseitig. „Wir als kleines Büro bemühen uns, Paul möglichst viel mitzugeben, ihn auf die Baustellen zum Aufmessen mitzunehmen und beim Entwickeln von Ideen und Zeichnungen dabeisein zu lassen“, so die Bauplanerin. Doch alle Bereiche könnten nicht mehr abgedeckt werden. Bei der Ausbildung in Leipzig konnten die angehenden Bauzeichner in einem überbetrieblichen Ausbildungszentrum in Oschatz praktische Erfahrungen sammeln. Dieses Angebot steht nicht mehr. „Doch der praktische Teil ist überaus wichtig. Dafür müssen wir für Paul jetzt Praktikumsplätze in verschiedenen Unternehmen organisieren“, schildert Kerstin Bauer. „Ich glaube, wenn wir gewusst hätten, was jetzt nach dem Wechsel von Ausbildungsstätte und Kammer auf uns zukommt, hätten wir es uns noch einmal überlegt, ob wir einen Lehrling ausbilden“, so die Planerin. Doch Paul ist hartnäckig geblieben, hat immer wieder nachgefragt. Jetzt soll er die bestmöglichen Startbedingungen bekommen – auch für ein später mögliches Studium.

Dem 17-Jährigen gefällt, dass er beim Entwickeln und Umsetzen von Ideen – wie gerade der Rekonstruktion eines Fachwerkhauses – dabei sein kann. Schon in der letzten Phase der Oberschulgestaltung war er als Praktikant eingebunden und konnte die „neue“ Oberschule nach ihrer Fertigstellung noch zwei Jahre genießen. „Es war schon toll, zu wissen, weshalb etwas so und nicht anders gebaut worden ist“, gibt er zu.

Seiner Ausbildung kann Paul Groß bis jetzt nur Gutes abgewinnen. Probleme sieht er möglicherweise auf sich zukommen, wenn es um die DIN-Normschrift geht. In der sind auf jeder Zeichnung die wichtigsten Daten wie Projektname und Bauherr vermerkt. Die Normschrift könnte ihm deshalb Schwierigkeiten bereiten, weil er Linkshänder ist, seine Hand beim Schreiben weniger beweglich ist.

Auch in seiner Freizeit zeichnet Paul noch Gebäude, ab und an aber auch Abstraktes. Und er fährt gern Fahrrad und engagiert sich bei der Feuerwehr in Gleisberg, wo er genau wie bei der Ausbildung Aufgaben meistern kann, die ihn fordern.