Pulsnitz. Ein Treff mit dem Bundespräsidenten ist nicht alltäglich. Die Pulsnitzer Bürgermeisterin Barbara Lüke hatte jetzt die Gelegenheit dazu im Schloss Großenhain. Dort traf sich Frank-Walther Steinmeier mit Ehrenamtlern. Darunter mischten sich auch Lokalpolitiker von der Basis, um mit dem Bundespräsidenten über die Probleme der Kommunen zu diskutieren. Die SZ sprach nach dem Treffen mit der Bürgermeisterin.
Frau Lüke, warum waren gerade Sie als Pulsnitzer Rathauschefin mit unter den Gästen?
Vielleicht habe ich es ja in der Vergangenheit verstanden, in den Dresdner Ministerien klarzumachen, dass sich in Pulsnitz viele Probleme exemplarisch wie in einem Brennglas fokussieren: Die alternde Bevölkerung gehört dazu, das Spannungsfeld zwischen kleinstädtischem und ländlichem Raum. Es ist der Fachkräftemangel zum Beispiel im Pflege- und Krankenhausbereich. Wir sind ja auch ein Standort zweier Kliniken und der Altenpflege. Und dort ist der Personalmangel teilweise so akut, dass vorhandene Kapazitäten nicht ausgeschöpft werden können und Heimplätze frei bleiben. Der Wettbewerb um Fachkräfte zwischen Mittelstand und Großbetrieben. Und das alles vor den Toren Dresdens.
Was haben Sie konkret angesprochen?
An dem Gesprächstisch, an den ich eingeladen war, ging es um den demografischen Wandel im Ländlichen. Viele junge Menschen sind weggezogen. Und viele kommen auch nicht zurück. Gleichzeitig zeichnen sich Neuansiedlungen großer Unternehmen ab. Ich denke an Daimler mit Accumotive in Kamenz und Müllermilch in Leppersdorf. Der Standort wird mit der Ansiedlung von Homann weiter wachsen. Das sind sehr starke Konzerne ...
Aber das ist doch auch für Pulsnitz ein Gewinn. Was bereitet Ihnen Sorge?
Wir haben in Pulsnitz eine gesunde mittelständische Unternehmensstruktur mit vielen kleinen Betrieben. Der Fachkräftemangel schlägt auf die lokale Wirtschaft besonders hart durch. Die befindet sich letztlich in der Konkurrenz mit Großkonzernen um Fachkräfte. Solche finanzstarken Unternehmen können natürlich sehr attraktive Bedingungen anbieten. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Beispiel und beim Gehalt. Da sind die Mitarbeiter bei unseren kleinen Betrieben weg. Die haben keine Chance, solche Angebote zu machen. In dieser Konkurrenzsituation müssen wir unseren Mittelstand stützen. Ich denke an Elektriker, an Heizungs- oder Sanitärfirmen. Die werden natürlich gebraucht. Unsere Aufgabe als Kommune muss es sein, ausgleichend tätig zu werden. Damit wir angemessene Lebensverhältnisse für alle Arbeitnehmer schaffen können.
Das haben Sie dem Bundespräsidenten erklärt?
Der Fachkräftemangel war der Ausgangspunkt. Wir haben eine alternde Bevölkerung. Und wir brauchen Fachkräfte angesichts der genannten großen Ansiedlungen. Es nützt ja niemandem, wenn wir im ländlichen Raum wohnen und es kümmert sich keiner mehr um unsere Heizung, und der kleine Elektriker macht dicht. Die Kommunen müssen einspringen, um Unternehmen, die keine Betriebskindergärten und so weiter schaffen können, zu unterstützen.
Sind sie zuversichtlich, dass Ihre Worte etwas bewirken?
Ja, es war für ihn sichtbar ein wichtiges Thema. Der Bundespräsident kommt selbst vom Dorf. Ich denke er versucht ernsthaft diese spezifischen Themen ins Bewusstsein zu rücken und wollte auch Lösungsansätze wissen. Denn er weiß, dass die Städter in der Politik nicht immer die Kompetenz besitzen, unsere Probleme nachzuvollziehen. Er will dem ländlichen Raum mehr Gehör verschaffen und sieht ihn nicht als Gebiet, das sowieso bald leergezogen sein wird. Sondern als Region, in der Menschen gern leben und die lebenswert bleiben muss.
Wo sehen sie die Lösungen?
Man kann nicht mehr wie bisher mit der Gießkanne Geld an die Kommunen verteilen, sondern muss schauen, wo die spezifischen Probleme liegen. In einer Kommune, die nur einen großen Arbeitgeber hat, sieht es anders aus als in Kommunen wie Pulsnitz mit einem gesunden Mittelstand. Es ist notwendig, dass Kommunen in solchen Konkurrenzverhältnissen bessere Angebote machen können und dafür auch die finanzielle Basis brauchen. Es geht um flexiblere Angebote bei der Versorgung von Kindern, um den Ausbau des schnellen Internets, um den Personennahverkehr. Und wir müssen schauen, was junge Familien brauchen, um zu uns zuziehen. Damit wir nicht um die Arbeitskräfte vor Ort konkurrieren, sondern neue Fachkräfte gewinnen. Die ländliche Region muss attraktiv sein mit einer guten Infrastruktur und dazu noch die Natur bieten.
Hatten sie auch Gelegenheit quasi unter vier Augen mit dem Bundespräsidenten zu sprechen?
Das Protokoll ist ja ganz genau. Es waren 17 Minuten hier am Tisch mit Frank-Walter Steinmeier. Wir waren vier Leute und haben alle gesprochen. Was mich aber besonders gefreut hat: Der Bundespräsident kam noch einmal zu mir zurück, um mich persönlich nach Lösungsvorschlägen zu fragen. Da hatte ich noch einmal fünf oder sechs Minuten Zeit, direkt mit ihm zu sprechen. Das war mir wichtig.
Gespräch: Reiner Hanke