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Mit dem DDR-Fahrrad durch Afrika

Stefan Frotzscher durchquerte radelnd den Kontinent. Nach 14 Jahren ist das Abenteuer vorbei. Auf Vorträgen erlebt er die Reisen noch einmal nach.

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© Arvid Müller

Von Beate Erler

Coswig. Gerade hat Stefan Frotzscher sich gesetzt, Sachertorte und Pfefferminztee bestellt, da springt er plötzlich auf, um sein Fahrrad noch einmal umzuparken. „Es hat einen materiellen Wert von Null, aber der ideelle Wert ist unschätzbar“, sagt er. Der 65-jährige Coswiger hat mit dem alten metallicblauen DDR-Fahrrad in 14 Etappen ganz Afrika durchradelt. So entstand die innige Beziehung zwischen Rad und Radler.

Von seiner letzten Tour ist er erst im Dezember zurückgekehrt. Sie führte ihn von Kamerun nach Coswig und war gleichzeitig das Ende vom Abenteuer Afrika. Dass er so etwas einmal machen wird, hätte Stefan Frotzscher nie für möglich gehalten. Zumal die ersten Annäherungsversuche an das Fortbewegungsmittel nicht sehr vielversprechend waren. Erst im Alter von zwölf Jahren gelang es seinem Onkel, ihm das Fahrradfahren beizubringen. Auf einer huckeligen Wiese, erinnert er sich. „Schon mein Vater und mein Opa hatten es ewig probiert“, sagt Stefan Frotzscher und lacht. Der Onkel sei ein Pragmatiker gewesen und habe ihm eine Wäschestange zum Festhalten hingestellt. Heute ist das Fahrrad sein ständiger Begleiter. Ein Auto hat er schon Jahrzehnte nicht mehr.

Alles begann mit der Idee eines Bekannten im Jahr 2004. Leipzig hatte sich gerade für die Olympischen Sommerspiele beworben. Auf einer Werbefahrt fuhren Stefan Frotzscher und 25 Begleiter von Leipzig nach Athen. Das sollte erst der Anfang sein. Damals arbeitete Stefan Frotzscher als Informatiker in der Walzengießerei Coswig. Mit 58 Jahren hängte er den Job an den Nagel: „Das Leben ist zu kurz und die Pläne zu viel“, sagte er sich. Er weiß, dass ihn viele Leute in seinem Alter für extrem halten. „Die Leute hier haben so ein enormes Sicherheitsbedürfnis“, sagt er. Ab einem gewissen Alter reiche es den meisten, vor dem Fernseher zu sitzen und vielleicht noch einen Schrebergarten zu haben. Stefan Frotzscher hält sich und seine Reisen aber keinesfalls für extrem. „Afrika ist nicht gefährlicher als beispielsweise Berlin“, sagt er heute. Früher hatte er auch dieses Klischee im Kopf, dass hinter jeder Ecke das Verbrechen lauert. Doch mit Kriminalität sei er nie in Berührung gekommen. „Die Menschen sind sehr freundlich, lieb und hilfsbereit“, sagt er. Wenn er abends in einem Urwalddorf keine Unterkunft gefunden hatte, fragte er den Dorfältesten und der fand in jedem Fall eine Hütte, die geräumt und ausgefegt wurde. Diese Begegnungen haben seine Weltsicht verändert.

Natürlich gab es auch bedrückende Momente. Zweimal seien ihm und seiner damals weiblichen Reisebegleiterin ein Baby zur Adoption angeboten wurden. Er erinnert sich an den Dreck und die Armut in Lagos, der Hauptstadt Nigerias. Abseits der Touristenzentren gab es in den Hotels, in denen er übernachtete, ein Holzgestell als Bett, einen Eimer Wasser und keinen Strom. Als er nach der längsten Etappe von 20 Wochen in Urwald und Wüste wieder zurück war, sei er wie auf Samtschuhen durch Coswig gelaufen.

Alles war so sauber und in den Supermärkten gab es von allem hundert verschiedene Sorten. „Allen Menschen, die sich immer nur beschweren wie schlecht hier alles ist, empfehle ich, durch Afrika zu reisen“, sagt er. Aber nicht mit so einer Kuschelagentur, sondern richtig. Das würde ihre Meinung sicher verändern.

Info: Am Sonntag, 18. März, 18 Uhr, ist Stefan Frotzscher in der Börse Coswig und stellt in einem Multimediavortrag seine letzte Etappe „Durch die Sahara nach Hause“ vor. Kartenpreis zwölf Euro.