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Mit dem Flixbus in die Bundesliga

Die 17-jährige Volleyballerin Lydia Stemmler spielte in dieser Saison für Dresden, aber zweimal gegen den DSC.

Von Alexander Hiller
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Unübersehbar: Lydia Stemmler hat eine Schwäche für Schwarz-Weiß-Mode. Das Volleyball-Talent aus Dresden spielte in dieser Saison für zwei Ausbildungsklubs in zwei Ligen.
Unübersehbar: Lydia Stemmler hat eine Schwäche für Schwarz-Weiß-Mode. Das Volleyball-Talent aus Dresden spielte in dieser Saison für zwei Ausbildungsklubs in zwei Ligen. © René Meinig

Es führen manchmal ganz verschlungene Wege zum Erfolg. Lydia Stemmler nutzte dafür den Flixbus, zumindest in dieser Saison. Die 17-jährige Volleyballerin vom VC Olympia Dresden, dem Talenteteam des Bundesligisten DSC, hat sich aus freien Stücken auf eine außergewöhnliche Konstellation eingelassen.

In der Woche trainierte sie bis zu neunmal mit den Zweitliga-Talenten in Dresden, ging dort ans Sportgymnasium in die 11. Klasse und spielte am Wochenende in Berlin. Dorthin wurde vor knapp 25 Jahren der Bundesstützpunkt VC Olympia verpflanzt. Als fast komplette Juniorinnen-Nationalmannschaft spielt das Nachwuchsteam aus der Hauptstadt per Sondergenehmigung des Deutschen Volleyball-Verbandes regelmäßig in der Frauen-Bundesliga mit, kann aus dem Oberhaus sportlich aber nicht absteigen.

Stemmler, die erst vor anderthalb Jahren wegen vermeintlich besserer Entwicklungsmöglichkeiten vom Mittelblock auf Diagonalangreiferin umlernte, wurde im Oktober aus Berlin angefragt, ob sie denn nicht für den dortigen VCO spielen könne. Dresden und Berlin wurden sich schnell auf einen Kompromiss einig. „Ganz nach Berlin zu gehen, wäre für mich nicht infrage gekommen“, sagt Stemmler. Also ließ sie sich auf die VCO-Heimspiele, das Auswärtsspiel in Potsdam und natürlich auf den Auftritt beim Dresdner SC ein. „Ich bin dann meistens am Vortag mit dem Flixbus vom Hauptbahnhof aus nach Berlin gefahren, habe noch ein-, zweimal mit dem Team trainiert, dann war das Spiel“, erzählt sie. Bei einer Sportart, bei der es auf Wiederholungen, genaue Absprachen, exaktes Timing, auf millimetergenaue Zuspiele ankommt, klingt das nicht gerade nach optimalen Vorzeichen. Die Fahrt- sowie Essens- und Übernachtungskosten werden Stemmler aus Berlin erstattet, das ist jedoch die einzige finanzielle Zuwendung.

Auch Waibl wählt das Talent aus

Stemmler aber hat ihre Chance genutzt. Und das, obwohl sie hin und wieder am Wochenende doppelt im Einsatz war. Sonnabends für Berlin, sonntags für den VCO Dresden – oder umgekehrt. Spiellizenzen hat sie für beide Mannschaften. In drei von nur sieben Erstligapartien für Berlin wurde die gebürtige Dresdnerin von den gegnerischen Coaches zur wertvollsten Spielerin des VCO gewählt – auch von DSC-Cheftrainer Alexander Waibl. Fast eine 50-Prozent-Quote, in jedem Fall sehr auffällig. In der 2. Bundesliga erhielt sie weitere dreimal im Trikot des Dresdner Talenteteams diese Auszeichnung. „Ich bin echt überrascht, dass das alles so gut geklappt hat, aber die sind auch alle superlieb, haben mich in Berlin richtig gut aufgenommen.“

Die 1,85 Meter große Angreiferin ist dieses Abenteuer gern eingegangen. „Am Ende weiß man, wofür man das macht, man trainiert für dieses Ziel – und das ist vordergründig, früher oder später in der ersten Liga einen Vertrag zu bekommen“, sagt sie. Am liebsten natürlich in Dresden. DSC-Volleyballchef Jörg Dittrich macht Stemmler zumindest für die nächste Saison noch keine konkreten Hoffnungen. Im Profiteam ist die Position der designierten besten Punktesammlerin mit der nach ihrer Verletzung wiedererstarkenden Piia Korhonen nahezu idealbesetzt. Zumal die Finnin mit ihren 22 Jahren auch noch nicht ausgereift ist. Eine echte Konkurrenz ist Stemmler natürlich noch nicht.

„Sportlich hat mich der Schritt nach und in Berlin auf jeden Fall weitergebracht. Das Spielniveau ist weitaus höher als in der zweiten Liga“, findet sie und kommt zunehmend ins Plaudern. „Es ist auch cool, wenn man den Profis gegenübersteht. Das ist Wahnsinn. Das war ja früher mein Traum.“ Dem ist sie jetzt näher als je zuvor. Und sie genießt die Bühne, die ihr geboten wird. Damit hat Stemmler schon Erfahrung. Denn als Mitglied der Luxor Dance Company absolvierte sie Auftritte im Kulturpalast oder in der Messe und stand aufgrund ihrer Größe und guten tänzerischen Voraussetzungen oftmals im Mittelpunkt. Das noch eher unfreiwillig. Als sie in der 3. Klasse vom ehemaligen DSC-Profi Barbara Makowska für den Volleyball begeistert und entdeckt wird, ändert sich das. „Das war damals keine leichte Entscheidung, aber Volleyball hat mich gepackt“, begründet sie ihre Wahl gegen das Tanzen.

Berlin geht in die 2. Liga

Mittlerweile übernimmt sie gern Verantwortung. Auf ihrer Position muss sie das auch. Stemmler wird wohl in der nächsten Saison die neue Hauptangreiferin des VCO Dresden in der 2. Bundesliga – da war sie bisher hinter Spielführerin Deborah Scholz die Nummer zwei. Aber die 19-Jährige fällt wegen ihres Alters in der neuen Saison aus dem Stützpunkt-Projekt.

Eine Doppellösung für Stemmler wird es nicht mehr geben, weil sich das Berliner Talente-Modell aus freien Stücken eine Etage tiefer eingliedern wird. Darauf deuten alle Vorzeichen hin. Offiziell ist das noch nicht. Dass die Berlinerinnen auch in der abgelaufenen Hauptrunde in 22 Partien sieglos blieben, mag den Rückzug erleichtern. „Es frustriert einen schon, das wird auch immer so bleiben“, sagt Stemmler.