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Mit einer Zeitungsente hat alles angefangen

Der Projektleiter von Hilfstransporten spricht über sein Ehrenamt und die Zustände in Litauen.

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Thomas Kretschmann berichtet im Pfarramt von Grünlichtenberg über die von ihm organisierten Hilfstransporte nach Litauen.
Thomas Kretschmann berichtet im Pfarramt von Grünlichtenberg über die von ihm organisierten Hilfstransporte nach Litauen. © André Braun

Von Helene Krause

Grünlichtenberg. Bilder von mit Hilfsgütern voll beladenen Sattelzügen, von Frauen und Männern, die Kleidung, Möbel und andere Dinge einpacken und verladen und von ärmlichen Behausungen flimmerten über die Leinwand im Gemeindesaal des Pfarrhauses in Grünlichtenberg. In dem voll besetzten Raum hielt der Projektleiter des Vereins Communitas Hainichen Thomas Kretschmann einen Vortrag über die von ihm organisierten Hilfstransporte nach Litauen und in die Ostukraine.

Wie alles begann

Seit 1994 gibt es diese Transporte. Sie sind auf eine Initiative von Maria Jagsteidt zurückzuführen. Die im Memelland geborene Frau hatte eine litauische Schulfreundin. Als 1943 die Rote Armee ins Memelland einmarschierte, mussten sich die Freundinnen trennen und fliehen. Während Jagsteidt in Mobendorf heimisch wurde, ging die Freundin nach Litauen. Nach der Wende fuhr Maria Jagsteidt zum ersten Mal wieder in ihre Heimat. Dort traf sie die Freundin wieder. Die kam mit ihrem Mann zu einem Gegenbesuch nach Deutschland. Als die Freundin Tage später mit ihrem Privatauto, das mit Kleidung, Haushaltswaren und anderen Dingen vollgeladen war, wegfuhr, bekam das eine Zeitung mit. Im Bericht stand, dass Maria Jagsteidt einen Hilfstransport organisiert hätte. Doch das stimmte nicht. Es waren lediglich Geschenke, die Jagsteidt und ihre Freunde und Bekannten der Freundin gegeben hatten. Doch die Zeitungsente hatte ihr Gutes. Es kamen Spenden für Litauen herein. Das war die Geburtsstunde der Hilfstransporte.

Erster Hilfstransport 1994

1994 fuhren die ersten Transporte in dieses osteuropäische Land. Damals waren es noch zwei Jeeps. Da immer mehr Spenden abgegeben wurden, mussten Lkw und später sogar Sattelzüge eingesetzt werden.

1999 kam Thomas Kretschmann, der katholisch ist und seine Vorträge konfessionsübergreifend hält, zu den Hilfstransporten. Maria Jagsteidt hatte erfahren, dass er Medientechnik studierte und nebenbei als freier Journalist tätig war. Er konnte ihr bei der Pressearbeit und anderen organisatorischen Dingen helfen. Kretschmann, der 2001 in Litauen seine Diplomarbeit über Medientechnik schrieb, übernahm später die Organisation der Hilfstransporte. Heute stehen ihm 15 ehrenamtliche Helfer, seine litauische Ehefrau und die Mitarbeiter seiner Firma zur Seite. Viele seiner Helfer sind seit Jahren mit dabei und bereits im Rentenalter.

Ein Transport kostet etwa 1.250 Euro

Fünf Stunden dauert es, einen Sattelzug mit Hilfsgütern zu beladen. Alle Gegenstände werden vorher noch einmal sortiert und bruchsicher verpackt. Gepackt wird nach einem bestimmten System, bei dem erst schwere Gegenstände, wie Schrank-nähmaschinen und Möbel eingelagert werden. Leichte Sachen, wie Handtücher oder Unterwäsche kommen ganz nach oben. Ein Lkw fasst 90 Kubikmeter, das sind 14 Tonnen Ladung. Alle zwei bis zweieinhalb Monate geht solch ein Transport auf Tour. Die Strecke beträgt rund 1 050 Kilometer. Die Kosten dafür belaufen sich für einen Transport auf 1.250 Euro. Das sind rund 6.000 Euro im Jahr. Alles muss aus Spenden finanziert werden. Die werden unter anderem auf Vorträgen und bei kirchlichen Veranstaltungen wie dem Erntedankfest gesammelt.

Kretschmann erzählte, dass es in Litauen kein Sozialsystem wie in Deutschland gibt. Daher geraten immer mehr Menschen in Armut. Denn Arbeitslose erhalten keine Hilfe, Rentner bekommen nur eine sehr geringe Rente, und die Preise im Supermarkt sind sehr viel höher als in Deutschland. Das war auch auf den Fotos von Familien zu sehen, die in ärmlichen Katen leben, in denen es innen aussieht, wie in einem alten Schuppen.

Unterstützt werden von den Helfern die Caritas in Alytus und einem Verein in Kelm, der sich um Behinderte kümmert. Hilfstransporte gehen aber auch in die Ostukraine. In Mariupol am Asowschen Meer lebt ein Pastor, der elternlose Kinder, die in der Kanalisation hausen, aufnimmt. Ihnen gibt er ein Zuhause, verhilft ihnen zu Bildung und zu einem geordneten Leben. Auch von ihnen zeigte Kretschmann in seinem Vortrag Bilder.

Wer Hilfsgüter abgeben möchte, kann das in Hainichen an der Gottlob-Keller-Siedlung 27. Da die Helfer die Gegenstände nicht selbst abholen können, müssen sie dorthin gebracht werden. Gesammelt werden Möbel, Kleidung, Wäsche, Fahrräder, Nähmaschinen, Rollstühle, Krücken, Rollatoren und andere Dinge des täglichen Lebens. Eine Ausnahme sind Gegenstände aus DDR-Zeiten. Die werden aus Altersgründen nicht angenommen. Bei der Abgabe der Spendengüter soll darauf geachtet werden, dass sie sauber und in Ordnung sind. Ebenso benötigen die Helfer stabile Kartons, und auch Geldspenden sind willkommen.