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Mit Hellebarde durchs alte Dipps

Der Musiker, Maler und Heimatforscher Eckhart Böhm bietet als Nachtwächter Themenführungen an, auch zum Gruseln.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Welches Ereignis hat in der Geschichte der Stadt Dippoldiswalde die meisten Menschen angezogen? Solche Dinge weiß Eckhart Böhm aus dem Stegreif, auch wenn die Antwort in diesem Fall eher gruselig ist. Es war eine Hinrichtung im Jahre 1835. Dazu sind rund 6 000 Zuschauer gekommen. „Bei rund 2 000 Einwohnern in der Stadt“, sagt Böhm.

„Dippold“ Wolfgang Ruhmich hat elf Jahre lang Stadtführungen durch Dippoldiswalde angeboten. Ihm folgte dieses Jahr Eckhart Böhm als Nachtwächter nach.
„Dippold“ Wolfgang Ruhmich hat elf Jahre lang Stadtführungen durch Dippoldiswalde angeboten. Ihm folgte dieses Jahr Eckhart Böhm als Nachtwächter nach. © Egbert Kamprath

So etwas kann von ihm erfahren, wer an einer seiner Stadtführungen teilnimmt, die er in der Gestalt des Nachtwächters anbietet. Er macht diese Touren stilecht bei Dunkelheit, aber auch am Tage. „Dann erzähle ich immer, dass sich der arme Nachtwächter etwas dazuverdienen muss und deswegen am Tage auch arbeitet“, sagt Böhm und schmunzelt.

Wer ihn in seinem Eigenheim besucht, erkennt auf den ersten Blick sein Interesse an historischen Dingen. Das fängt bei der äußeren Gestaltung an. Mauerbögen zieren die Wände des Hobbykellers. An der Wand hängt eine mechanische Uhr im Holzgehäuse. „Mich mit alten Möbeln einzurichten, war immer normal für mich“, sagt der 49-Jährige.

Eckhart Böhm hat als Kind weder Krippe noch Kindergarten besucht. „Ich bin bürgerlich aufgewachsen und habe die Liebe zur Geschichte schon in der Kindheit mitbekommen“, erzählt er. „In Museen konnte ich mich nie sattsehen. Besonders alte Rüstungen hatten es mir angetan“, erinnert er sich. Sein Großvater hat ihn schon als Jungen überallhin mitgenommen, wo sich etwas ereignet hat, hat ihm alles erklärt. Seine Großmutter hatte eine Damenschneiderwerkstatt, in der auch die Mutter mitgearbeitet hat.

Böhm hat dann nach der Schule eine Ausbildung im Handwerk zum Maler absolviert, er war aber auch schon als Musiker unterwegs. Die „Combo“ ist mit seinem Namen verbunden. Bei den „Weltklasse Drei“ spielt er Gitarre. Und um das Jahr 2000 hat er begonnen, Bilder zu malen, die auch das alte Dippoldiswalde zum Thema hatten. Damals hat er auch den Schritt in die Selbstständigkeit als Künstler gewagt. „Mit der Musik hatte ich immer mehr zu tun“, sagt er. Wenn er seine Bilder irgendwo ausstellte, sollte er auch einige einführende Worte sagen. „Das wurde manchmal ein ganzer Vortrag.“ So kam dann eines zum anderen. Im Rahmen der Museumsvorträge in Dippoldiswalde bestritt Böhm regelmäßig eigene Abende. Er erklärte, wie Dippoldiswalde zu seinem Wappen gekommen ist, er berichtete über die Zinngießer in der Stadt oder über die Kneipen, die es früher hier gegeben hat.

Dabei entstand im Gespräch mit Anita Göhler im Museum die Idee, doch richtiggehende Stadtführungen anzubieten. Denn dafür war dieses Jahr in Dippoldiswalde Bedarf da. Elf Jahre lang hatte Wolfgang Ruhmich, als Dippold verkleidet, Besucher durch die Gassen und über den Markt geführt. Aber er hatte diese Aufgabe abgegeben, und dennoch fragten immer wieder Besucher danach. Eckhard Böhm konnte sich das durchaus vorstellen. Er wollte aber nicht als Dippold auftreten und hat sich daher eine andere Figur überlegt, den Nachtwächter.

Den gab es einst wirklich in Dipps, bis in das Jahr 1890. Damals wurde die erste reguläre Polizeiwache in der Stadt eingerichtet. Schon in den 1850er-Jahren ist die Straßenbeleuchtung eingeführt worden.

Bis dahin ist der Nachtwächter durch die dunklen Straßen gegangen, hat nach dem Rechten gesehen und dabei auch das ein oder andere mitbekommen, was vielleicht besser im Dunkeln geblieben wäre. Aber aus dieser Idee lassen sich viele Geschichten finden. „Der Nachtwächter ist freier in dem, was er erzählt, als die Sagenfigur Dippold“, stellt Böhm fest.

Böhm will den Nachtwächter auch stilecht verkörpern. So hängen an seinem Schlüsselbund Originale aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Laterne und Horn sind ebenfalls Originale. Eine Hellebarde wollte er anfangs nicht, aber vor allem Kindergruppen haben danach gefragt. So hat er sich auch eine angeschafft, musste sie allerdings aus Sicherheitsgründen abstumpfen, damit nichts passiert.

Und so erzählt er jedem, der eine Führung bei ihm bestellt, die Geschichten aus dem alten Dipps von Handwerkern, Kriegern und Übeltätern, die hier hingerichtet wurden.

Ein Rundgang mit dem Nachtwächter kostet 50 Euro. Kontakt: Telefon 03504 618632