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Mit Holz und Mikroben gegen Öl-Katastrophen

Dresdner Forscher können verseuchte Stellen auf Gewässern ganz ohne Chemikalien reinigen.

Von Stephan Schön
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Die ökologischen Ölbinder sehen ein bisschen wie Kekse aus. Sie sind auch so saugfähig.
Die ökologischen Ölbinder sehen ein bisschen wie Kekse aus. Sie sind auch so saugfähig. © SörenTech

Dresden. Mit Holz können Dresdner Wissenschaftler die Weltmeere sauber halten. Die Forscher werfen vom Flugzeug oder Helikopter aus Holz-Chips gegen eine Ölpest aufs Wasser. Das klingt einfach, hat jedoch enorm viel Materialwissenschaft, Biologie und letztlich Hydrologie in sich, berichtet André Wagenführ. Er ist der Projektleiter und Professor mit dem Spezialgebiet der Holz- und Faserwerkstofftechnik.

Mit ihren nur wenige Zentimeter großen Spezial-Pellets aus Holzfasern gelingt es den Dresdner Wissenschaftlern erstmals, ein ökologisches Verfahren gegen mit Öl verseuchte Gewässer bereitzustellen. Ob Tankerunglück oder defekte Pipeline im Meer: Bisher werden Unmengen Chemikalien aufs Wasser gesprüht und gerieselt, um das Öl zu binden. Meist sinkt es dann als Klumpen auf den Meeresgrund. Die Dresdner wollen ohne chemische Substanzen das Öl einfangen und aus dem Wasser holen, statt es zu versenken. Und das gelingt ihnen nun selbst bei starker Strömung, Brandung Seegang und Sturm, wie sie nachgewiesen haben. Für diese Entwicklung erhielten die TU-Forscher jetzt einen der bundesweiten Umweltpreise.

Die Holzfaser-Stückchen sind so gefertigt, dass sie lange auf dem Wasser schwimmen. Sie saugen sich nicht mit Wasser voll, sondern mit dem Öl. Jeder Kubikmeter Holz kann so 600 Kilogramm Öl aufnehmen. Mit Netzen wird das ölverseuchte Holz dann aus dem Meer gefischt. Oder in der Bucht zusammengeschaufelt. Oder mit Schwimmsperren aufgefangen. Was dabei den Havarie-Fischern an Öl-Holz durchs Netz geht, belastetet dennoch nicht den Meeresgrund und somit das Leben im Meer. Das Holz ist mit einer biologisch aktiven Schicht getränkt. Cyanobakterien sind das, die Öl „fressen“, es in unbedenkliche Bestandteile zerlegen. Das dauert maximal ein halbes Jahr, berichtet Holger Unbehaun. Er ist maßgeblich an diesem Projekt beteiligt. Da werden also nicht irgendwelche exotischen Mikroben in die Ostsee eingeschleppt – „wir haben diese Mikroben direkt aus der Ostsee isoliert“, so Unbehaun. Vermehrt, kultiviert und ins Holz gebracht. Das reicht aber nicht. Diese Bakterien brauchen Sauerstoff. Und den bekommen sie aus einer Algenmixtur, die die Wissenschaftler hinzumixen. All dies zusammen macht erst die Innovation aus, mit der sich Ölhavarien anders als bisher bekämpfen lassen.

Ein Flugzeug streut die Pellets aus. Fotos: Sören Tech/Holger Unbehaun
Ein Flugzeug streut die Pellets aus. Fotos: Sören Tech/Holger Unbehaun
Auf dem verseuchten Wasser saugen sich diese mit Öl voll. 
Auf dem verseuchten Wasser saugen sich diese mit Öl voll. 
Mit Netzen können die ölgetränkten Holz-Chips eingesammelt werden.
Mit Netzen können die ölgetränkten Holz-Chips eingesammelt werden.
So sehen die mit Bakterien getränkten Spezial-Pellets aus Holzfasern aus.
So sehen die mit Bakterien getränkten Spezial-Pellets aus Holzfasern aus.

Bis Juni läuft derzeit noch ein EU-Großprojekt. Hier wird der Ernstfall einer Ölpest geprobt – ohne Öl auf dem Meer. Bisher mit Erfolg. Und was auf der Ostsee funktioniert, geht auch auf anderen Gewässern. Für die die Müritz, die Nordsee oder das Rote Meer wären aufgrund der unterschiedlichen Mikrobiologie jeweils eigene Holz-Chips nötig mit den eigenen Bakterien. Letztlich müssten dann für den Havariefall in den Risikogebieten ausreichend große Depots mit solchen Holz-Chips angelegt werden. So wie bisher in Risikogebieten Chemikalien gegen Öl auf Vorrat liegen.

Im Iran wird dies soeben mit Firmen aus Deutschland und vor Ort so umgesetzt. Die Straße von Hormus ist eine der am stärksten durch Öl-Havarien bedrohten Regionen der Welt. Und zu all dem wird das Meerwasser auch noch dringend für die Trinkwasserentsalzung benötigt.Auch Sachsens Gewässer sind für diese neue Havarie-Technologie geeignet, sagt Unbehaun. Dort wo Trinkwasser gewonnen wird oder wo große Schiffe unterwegs sind, in den Elbehäfen beispielsweise. Am wichtigsten aber wäre das neue Verfahren mit den Holz-Ölbindern bei Hochwasser. Dann etwa, wenn Öltanks auslaufen, wenn Kraftstoff auf dem Wasser treibt, könnte so eine dem Hochwasser folgende Verseuchung der Landschaft verhindert werden.