Merken

Mit urwüchsiger Erzählfreude

Im Blickpunkt

Teilen
Folgen

Von Harald Schmidt

An seinem Erzählstil scheiden sich die Geister. Martin Mosebach, der in Darmstadt mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt wurde, gilt als detailfreudiger Erzähler. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung würdigte Mosebach als einen „der humorvollsten und hintergründigsten Menschendarsteller unserer jüngeren Literatur“ und einer „ihrer glanzvollsten Stilisten“.

Doch für seine Vorliebe für Schachtelsätze und ausschweifende, mitunter langatmige Beschreibungen erntet der Schriftsteller auch heftige Kritik. Die „tageszeitung“ bezeichnete ihn vor Kurzem als „konservativ kulturkritischen Sprachdrechsler“ mit „überkommenen Vorstellungen“.

Bislang war der Katholik, der sich in keine Schublade pressen lässt und den österreichischen Romancier Heimito von Doderer (1896- 1966) als großes Vorbild bezeichnet, von einem Bestseller weit entfernt. „Die Entwicklung, wie meine Arbeit wahrgenommen worden ist, hat es mir vollständig ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ich schon Büchner-Preis-würdig sei. Ich bin kein Erfolgsschriftsteller“, sagte Mosebach schon im Juni in einer ersten Reaktion auf die unerwartete Auszeichnung.

Dabei sparte die Büchner-Preis-Jury nicht mit Lob und nannte den stets korrekt gekleideten Bildungsbürger einen Schriftsteller, der „stilistische Pracht mit urwüchsiger Erzählfreude verbindet und dabei ein humoristisches Geschichtsbewusstsein beweist“. Mosebach, der mit Romanen wie „Der Nebelfürst“ (2001) oder „Das Beben“ (2005) bekannt wurde, sei ein genialer „Formspieler auf allen Feldern der Literatur“ und „ein Zeitkritiker von unbestechlicher Selbstständigkeit“.

Der vielfach preisgekrönte 56-Jährige, den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ als „hemmungslosen Bewahrer von Stil und Form“ bezeichnete, kommentiert diese Einschätzungen nicht. „Der eigene Stil ist einem weitgehend unsichtbar“, sagte er.

Mosebach, 1951 als Sohn eines Arztes geboren, studierte Jura und machte 1979 sein zweites Staatsexamen. Statt eine juristische Laufbahn einzuschlagen, beschloss er 1980, freier Schriftsteller zu werden. Seitdem hat er Romane, Dramen, Gedichte, Hörspiele, Reportagen, Drehbücher und Essays veröffentlicht. Er ist verheiratet und hat zwei Stiefkinder.

Seiner Heimatstadt Frankfurt (Main) blieb Mosebach treu. Sie ist oft Schauplatz seiner Werke, etwa in „Westend“ (1992) oder im Roman „Der Mond und das Mädchen“. Die „Neue Zürcher Zeitung“ riet: „Und wer an Thomas-Mannschen Satzschlaufen und Eichendorffschem Duft nie seine Lust fand, sollte es mit Mosebach gar nicht erst versuchen. Aber wer für Stimmung und kunstvoll gefertigte Einzelheiten empfänglich ist, der wird gerade das, was Ungeduldige als Füllstoff empfinden, sehr lieben.“ (dpa)