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Mit Volldampf zurück in die Zukunft

Zum 175. Geburtstag der ersten deutschen Fernbahn Leipzig–Dresden werden Fans aus aller Welt erwartet. Es gibt viel zu erleben – und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

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© dpa

Von Michael Rothe

Verkehrte Eisenbahnwelt in Sachsen: Derzeit mit Chemnitz und teilweise auch Dresden vom Fernverkehr weitgehend abgekoppelt, wird Sachsen eine Woche lang zum Nabel des Schienenverkehrs. Vom 7. bis zum 13. April steigt eines der größten Bahnfestivals in Europa, feiert Deutschland den 175. Geburtstag seiner ersten Fernbahn von Leipzig nach Dresden.

Nach dreijähriger Bauzeit rollte am 7. April 1839 der erste Zug der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie über die Fernlinie. Die zwei englischen Loks „Robert Stephenson“ und „Elefant“ mit 15 Wagen im Schlepp brauchten für die fast 120 Kilometer rund vier Stunden. „Bis dahin hatte die Reise mit der Postkutsche mindestens zwei Tage gedauert“, beschreibt Joachim Breuninger, Direktor des Verkehrsmuseums Dresden, die technische Revolution.

Am kommenden Geburtstag eröffnet die Deutsche Bahn (DB) mit einer Sonderfahrt von Leipzig nach Dresden die Jubelfeiern. „Wir werden mit einem modernen ICE 3 in den ungefähren Fahrzeiten des historischen Eröffnungszuges von Leipzig nach Dresden fahren“, blickt der Konzernbevollmächtigte für Sachsen, Artur Stempel, voraus und ergänzt: „Da wir die Strecke heute in einer Stunde schaffen, werden wir die gewonnene Zeit für Halte in Wurzen, Oschatz und Riesa mit Festveranstaltungen ausfüllen.“

Das wird die Bahnfreunde freuen, denn Fernhalte sind dort längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch an den Anblick des neuesten ICE-Hochgeschwindigkeitszuges werden sich die Dresdner nicht gewöhnen können. Wie DB-Manager Stempel gegenüber der SZ einräumt, macht „das neue Paradepferd der DB“ nur für die Geburtstagsfeier mal einen Abstecher nach Ostsachsen. Die neue Baureihe 407, die nach mehrjähriger Lieferverzögerung erst kurz vor Weihnachten die Zulassung für die Doppeltraktion erhalten hatte, komme anderswo in Deutschland zum Einsatz. „Vielleicht ja auf der neuen Rennstrecke Berlin–Leipzig–München“, so Stempels Hoffnung. Immerhin hätte Sachsens Landeshauptstadt etwa auf der dümpelnden Berlin-Verbindung ab 2017 Aussicht auf den ICx – als Ersatz für die in die Jahre gekommene Intercity- und Eurocityflotte.

Kritik, Sachsen sei im Fernverkehr außen vor, lässt der Bahn-Manager nicht gelten. Es gebe „in Deutschland keine besser angebundene Region als die Spinne Leipzig“, sagt er. Dresden habe zwar noch ein paar Probleme, „aber unter den Landeshauptstädten liegt es bestimmt nicht an letzter Stelle“, so Stempel. Wiesbaden, Mainz und andere seien schlechter dran.

Oldtimerlok kommt nach Dresden

Carsten Schulze, Sprecher das Fahrgastverbandes Pro Bahn, nennt das „bitteren Zynismus“. Der Fernverkehr sei „ein seltsames Produkt geworden“, das unter „irrsinnigem Renditedruck“ stehe und für das ein Konzept fehle. „Wo die Wirtschaft flutscht, fahren auch Fernzüge“, sagt Schulze zur SZ. „Aber die hiesige Einkommensstruktur reicht nicht, um sie in die alltägliche Mobilität einzubeziehen.“ Das gelte auch für die Strecke Meißen–Döbeln als „zweite Leipzig-Dresdner Eisenbahn“. Denn die kleine Schwester der Jubilarin entlang der Freiberger Mulde soll abbestellt werden.

Schulze nennt es zudem „kurios, dass die Initiative zur ersten deutschen Fernbahn einst von Leipziger Kaufleuen ausging, das Jubiläum bislang aber fast nur in Dresden wahrgenommen wird“. Die Organisatoren der Geburtstagsfete im Frühjahr lassen sich ihre Vorfreude auch durch Dauerquerulanten nicht verderben. Schon seit einem Jahr bereiten Deutsche Bahn, Netzwerk Dresden Industriekultur, Verkehrs- und Eisenbahnmuseum in Dresden, Sächsische Modellbahnervereinigung, Händler, Gastronomen und Hoteliers das Großereignis vor. Beim letzten „Runden“ 1989 waren 250.000 Besucher dabei.

„Wir wollen nicht wiederholen, was es zum 150. Geburtstag gab und nicht in Nostalgie schwelgen. Wir möchten den modernen Fernverkehr darstellen“, sagt DB-Manager Stempel. Neben dem Sonderzug zur Hauptfestveranstaltung am 7. April – die 466 Plätze etwa hälftig mit Promis und via MDR verlosten Bahnfans – sind weitere Sonderfahrten geplant. Das Dresdner Verkehrsmuseum kündigt für seine Jubiläumsausstellung besondere Kleinode an: Aus dem englischen York kommt die „Old Coppernob“, eine Originallok von 1846, ähnlich der „Comet“, nach der Andreas Schubert die erste funktionsfähige deutsche Dampflok gebaut hat. Seine legendäre „Saxonia“ ist als Nachbau aus DDR-Endzeiten zu sehen. Und es gibt das Fragment des einzig erhaltenen Güterwagens der damaligen Strecke zu bestaunen. Höhepunkte sind auch Feste auf Leipzigs Hauptbahnhof und am Dresdner Altmarkt sowie Modellbahnausstellungen. Den Abschluss bildet ein Dampfloktreffen am Dresdner Eisenbahnmuseum vom 11. bis zum 13. April.

Der Geburtstagstisch zum „175.“ der ersten Fernbahn wird reich gedeckt sein. Bleibt die Sorge: Kommen die Bahnfans aus aller Welt auch problemlos nach Sachsen?

Infos zur Festwoche finden Sie im Internet unter www.ferneisenbahn.de