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Mitreden beim Kita-Masterplan

Das wollen Eltern und Erzieherinnen in Bischofswerda schon lange. Ein Bürgerforum war jetzt der Auftakt dazu.

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© Steffen Unger

Von Constanze Knappe

Einbeziehen, das war am Donnerstagabend in Bischofswerda vermutlich das am meisten gesagte Wort. Verwendet haben es Vertreter der Stadtverwaltung ebenso wie Stadträte, Leiterinnen, Erzieherinnen und Elternvertreter aus Kindertagesstätten in der Stadt und den Ortsteilen. Um deren Zukunft ging es bei einem auf Initiative des Ortsvereins der SPD veranstalteten Bürgerforum im Kleinen Saal des Kulturhauses. Mit großen Erwartungen waren etwa 100 Frauen und Männer gekommen, hatte doch Oberbürgermeister Holm Große vorab angekündigt, mit dieser Veranstaltung die immer wieder geforderte öffentliche Debatte über die Kita-Konzeption der Stadt einleiten zu wollen.

Der jüngste Zuhörer. Um seine und die Zukunft seiner Altersgefährten ging es. Auch wenn der Kleine selbst davon noch gar nichts verstand.
Der jüngste Zuhörer. Um seine und die Zukunft seiner Altersgefährten ging es. Auch wenn der Kleine selbst davon noch gar nichts verstand. © Steffen Unger

Dass dies bisher nicht geschah, begründete er wie auch Stadtrat Robert Geburek (BfB) damit, dass man sich zunächst über Standorte klarwerden wollte. Mit dem Stadtratsbeschluss zur Errichtung eines Kinderzentrums in Bischofswerda-Süd sei das der Fall. Er sieht für 4,9 Millionen Euro den Neubau von zwei selbstständigen Kitas unter einem Dach, aber mit getrennten Außenbereichen vor. Finanziert mit Fördergeld aus vier verschiedenen Programmen. Was in dem Vortrag von Sybille Müller, Leiterin des Bürger- und Familienamts, überaus logisch klang, überzeugte nicht jeden im Auditorium. Wohl auch deshalb nicht, weil manch einer oder eine mit vorgefasster Meinung erschien und sich schwertat, der Argumentation eine Chance zu geben. „In dieser Stadt sind viele Dinge viel zu lange vor sich hergeschoben worden“, so der OB. Das habe zu dem riesigen Sanierungsstau geführt. Die Stadt könne nicht an vielen Stellen gleichzeitig investieren. An einer müsse man anfangen. Ende 2018 soll der Neubau in Süd stehen, spätestens 2019 die Kitas eingezogen sein. Wer mit welchem Konzept, ist im nächsten Schritt zu klären. Sicher ist, das betonte der OB ausdrücklich, dass an der Vielfalt der pädagogischen Konzepte der Kitas nicht gerüttelt werden soll. Denkbar wäre ein Umzug der Kita Sonnenschein, die wegen des hohen Sanierungsbedarfs der Villa seit Langem am Rande der Betriebserlaubnis arbeitet. Es bedeute nicht, die Einrichtung plattzumachen. Ein besorgter Elternvertreter erhielt zur Antwort, dass das Montessori-Konzept nicht an das Gebäude der Villa gebunden sei. Entschieden sei dazu aber noch gar nichts.

Eltern wollen kleinere Einrichtungen

Viel zu wenig Information aus dem Rathaus, beklagte Annett Barkow. Das habe Ängste geschürt, so die Erzieherin aus der Kita „Buddelflink“ Großdrebnitz. Das Team sei aber professionell genug, dies nicht die Kinder spüren zu lassen. Auf die Investition in der Südstadt bezogen, sagte sie: „Beim Begriff Kinderzentrum hat es mich geschüttelt. Das klingt nach Lärm, Verkehr und Stress. Wollen wir das wirklich unseren Kindern antun?“ Eltern würden kleine familiäre Einrichtungen bevorzugen. Dem schloss sich Sigrid Petzold an, Leiterin der Kita „Glückskäfer“ in Schönbrunn, deren Haus stark sanierungsbedürftig ist und die Zahl der Plätze von 36 auf 25 gesenkt werden soll. „Wir alle versuchen, Schönbrunn zu erhalten, dort gehört eine Kita hin“, erklärte Stadtrat Dr. Bernd Grüber (CDU). Eine Lösung dafür hatte er ebenso wenig in der Tasche wie die Leiterin des Bürger- und Familienamts oder Robert Geburek (BfB). Der sagte: „Wir wollen Schönbrunn erhalten. Ob auf jeden Fall, das möchte ich nicht sagen. Etwas Sinn muss es schon machen“.

Den bezweifelt Sabine Strauß, Geschäftsführerin des Kreisverbands der Volkssolidarität, der die Kita „Märchenland“ betreibt. „Sinnvoll sind mindestens 60 Plätze. Eine Kita mit 25 Plätzen ist bei den Vorgaben des sächsischen Bildungsplans nicht zu halten. Ansonsten müssten alle Eltern viel mehr Betriebskosten zahlen“. Aber gerade das will man im Rathaus nicht. An die Erarbeitung des Kita-Masterplans ging man mit der Maßgabe heran, Betriebskosten und damit Elternbeiträge senken zu können.

Bildungsplan gilt auch für freie Träger

Sabine Strauß verwahrte sich gegen einen seit Monaten kursierenden Brief an die Stadträte, indem es unter anderem heißt, dass bei freien Trägern pädagogische Fach- durch Hilfskräfte ersetzt werden. „Wer das behauptet, hat keine Ahnung vom sächsischen Bildungsplan. Der gilt auch für die freien Träger“, erklärte sie. In Äußerungen anderer war die Angst vor der Überführung städtischer Einrichtungen in freie Trägerschaft zu spüren, auch wegen der Verdiensteinbußen. Aus Sicht von Holm Große ist das Thema „noch nicht vom Tisch“. Diskutiert worden sei darüber aber noch nicht. Das blieb am Donnerstag in der Schwebe wie auch die Pläne für ein zweites Kinderzentrum in der Innenstadt, wofür es noch viel abzuwägen gilt. Für das in Süd könnte man in einem Wettbewerb einen Namen suchen, um den Begriff zu ersetzen. In die weiteren Diskussionen sollen die Meinungen von Experten einfließen. Auch die der Kita-Mitarbeiter und Eltern, die sich schon länger wünschen, endlich einbezogen zu werden. „Es wird Gespräche mit den Elternvertretern geben. Aber wir können nicht jeden befragen und es auch nicht jedem recht machen“, kündigte Sybille Müller an. Man werde die Anregungen der Eltern aufnehmen. Allerdings, so gab sie zu bedenken: „In drei bis vier Jahren sind die Kinder rausgewachsen. Dann sind andere Eltern dran und die haben womöglich ganz andere Vorstellungen.“

In den zwei Stunden blieb manche Frage ohne Antwort, weil es noch keine gibt. Die öffentliche Diskussion aber ist angeschoben. „Wir sollten uns die Zeit für eine vernünftige Lösung nehmen“, so der OB. Bis 2022 soll das Kita-Konzept umgesetzt sein. „Eine sportliche Zeitschiene.“ Und eine Mammutaufgabe, wie das Forum zeigte.