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Mitten in der Bitcoin-Blase

Was sind die besten Investment-Strategien für Kryptowährungen? Experten sprachen in Berlin zu Chancen und Risiken. In dem Markt lauern leider auch viele Gefahren.

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© Colourbox.com

Von Ulf Mallek

Die meisten Teilnehmer kamen im T-Shirt oder Pullover kombiniert mit Turnschuhen. Einige hatten Jeans und Sakko angezogen. Doch nicht einer band sich eine Krawatte um. Mit der Welt von gestern wollte hier offensichtlich niemand etwas zu tun haben. Das Durchschnittsalter im Auditorium lag vielleicht bei guten 40 Jahren, das bei den Vortragenden vorn auf der Bühne schätzungsweise bei Mitte 20. Nein, hier versammelten sich keine Programmierer, Facebook-Admins oder E-Commerce-Experten. Viel besser: Hier traf sich die deutsche Blockchain-Szene. Das Thema der Veranstaltung im Berliner Tryp-Hotel lautete: Investorentag Kryptowährungen 2018.

© Grafik/SZ

Leider war dieser Freitag zufällig ein ziemlich schwarzer Freitag für Krypto-Investoren. Das sah man an den Mienen der 176 Anwesenden. Schon nach dem ersten Morgenkaffee hatten viele von ihnen rund ein Drittel ihres Vermögens verloren. Bitcoin & Co. befanden sich im freien Fall. Wieder einmal. „Das wird noch ein Blutbad“, stöhnte einer der Teilnehmer und steckte sein Smartphone weg.

Doch als wenig später die Steuerexpertin Anka Hankert von der Kanzlei Winheller zu Fragen der Besteuerung von Gewinnen aus Krypto-Investitionen sprach, hatte das Publikum die roten Zahlen vergessen. Es gab Gemurmel, aufgeregte Zwischenrufe und drängende Nachfragen. So schlimm war es mit den Verlusten jetzt wohl doch nicht, oder? Der unglaubliche Kursanstieg des Vorjahrs hatte viel Geld auf die Konten der Investoren gespült. Wer von Jahresanfang dabei war, konnte 1 000 Prozent oder sogar mehr als 10 000 Prozent Gewinn einfahren. Einige sind so zu Millionären geworden.

Wie ich meine Coins am besten schütze

Wie alles begann? Bitcoin wurde im Jahr 2008 von einer Person oder einer Gruppe erfunden, die sich Satoshi Nakamoto nannte. Ihre Identität ist bis heute ungeklärt. Ausgangspunkt war die Finanzkrise und das weltweite schwindende Vertrauen in die Notenbanken. Satoshi Nakamoto suchte nach einer Alternative zu Dollar und Euro und veröffentlichte ein kompliziertes achtseitiges White Paper für einen Zahlungsverkehr ohne Banken.

Was ist eine Blockchain? Eine Blockchain ist die komplette und unveränderbare Kette aller Transaktionen einer dezentralen Gemeinschaft, die für jeden einsehbar ist. Jeder Block ist mit dem nächsten verbunden und enthält alle Transaktionen. Es gibt keine Bank oder andere Autorität, die darüber Kontrolle hat. Die Blockchain ist die Grundlage für alle Anwendungen, die auf ihr laufen können. Kryptowährungen sind da nur ein Beispiel.

Was sind Bitcoin und Kryptowährungen? Bitcoin ist die erste digitale Währung, die auf der Blockchain läuft. Andere Kryptowährungen heißen Etherum, Ripple, Litecoin oder Bitcoin Cash. Insgesamt gibt es 1558 verschiedene Kryptowährungen mit einer Marktkapitalisierung von ca. 303 Milliarden Euro (Stand 13.3.2018). Das ist nicht einmal halb so viel wie die Marktkapitalisierung der Aktien von Amazon (628 Milliarden). Die Währungen sind mit einem Algorithmus so programmiert, dass Manipulationen durch zentrale Gewalten wie Regierungen nicht möglich sind.

Was ist ein öffentlicher und privater Schlüssel? Der Zugang zu Kryptowährungen ist vergleichbar mit einem E-Mail-Konto. Die E-Mail-Adresse ist für jeden einsehbar und jeder kann an sie Mails schicken. Das ist der öffentliche Schlüssel. Der private Schlüssel ist vergleichbar mit dem Passwort für das E-Mail-Konto. Nur wer es kennt, kann selbst E-Mails verschicken. Übertragen in die Kryptowelt bedeutet das: An den öffentlichen Schlüssel können Gelder gesendet werden. Um vom Konto Geld abzuheben, ist aber der private Schlüssel nötig. Dieser Schlüssel sollte deshalb vom Investor sehr gut geschützt werden.

Wie kann ich Bitcoins sicher aufbewahren? Die Coins werden innerhalb der Blockchain aufbewahrt, geschützt durch einen privaten Schlüssel. Dieser private Schlüssel wird in sogenannten Wallets gespeichert. Es gibt davon folgende Arten: Papier-Wallet (auf einen Zettel geschrieben), Software-Wallet (in einer Desktop- oder mobilen App gespeichert), Hardware-Wallet (offline, eine Art USB-Stick), Börsen-Wallet (gespeichert auf Internet-Handelsbörsen). Wer mehr als nur etwas Spielgeld in Kryptowährungen getauscht hat, sollte nach Expertenmeinung unbedingt eine Hardware-Wallett bevorzugen.

Was ist ein ICO? ICO steht für Initial Coin Offering. Der Name ist abgeleitet von IPO (Initial Pub- lic Offering, der Börseneinführung von Unternehmen). Mit dem ICO gibt eine Firma digitale Token heraus. Für Investoren besteht so die Möglichkeit, Geld in die Firma zu investieren.

Was heißt Mining? Mit dem Mining wird Konsens hergestellt, damit alle Teilnehmer im System wissen, was passiert und damit einverstanden sind. Die Miner kontrollieren alle Transaktionen. Das erfordert eine Menge Computer-Power und Energie. Die Miner werden für ihre Arbeit mit neuen Coins entlohnt. Der Handel mit Kryptowährungen ist hochriskant und kann zum Totalverlust führen. Wer es dennoch probieren möchte, sollte sich vorher gründlich informieren. Hardware-Wallets zur Speicherung der Funds werden dringend empfohlen. Alles, was online bei fremden Anbietern aufbewahrt wird, kann wieder gestohlen werden.

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Dass ein Privatanleger diesen Vermögenszuwachs mit seinem persönlichen Steuersatz versteuern muss, wenn er die Anlage oder den Coin nicht mindestens ein Jahr gehalten hat, wussten die meisten. Doch was genau ist ein Privatanleger? Was unterscheidet ihn vom gewerblichen Investor? Und was sind eigentlich Gewinne? Und wie stelle ich sie ohne Hilfe einer Bank richtig dar? Denn Banken gibt es ja nicht mehr in der Krypto-Welt.

Banken beschäftigen sich ungern mit den Bitcoins. Vielleicht fürchten sie ja, dass die neue Blockchain-Technologie ihre ohnehin unter Druck stehende Branche noch weiter schaden könnte. Mit der Blockchain sind sichere Vermögenswertübertragungen ohne Bank oder Notar möglich. Werden beide bald überflüssig? Vermutlich so schnell nicht. Doch das Geschäftsmodell der Banken wackelt trotzdem. Sie verdienen nicht mehr an der Zinsdifferenz und müssen ihre Gebühren erhöhen.

„Banken kümmern sich nicht um Blockchain, sie beschäftigen sich lieber mit sich selbst“, sagte Andrei Martchouk, Gründer der Kölner KI Group und früher selbst mal Banker. Es ist für Banken schwer verständlich, dass auf einem Telefon vielleicht ein paar Bitcoins liegen, die plötzlich mehrere Zehntausend Euro wert sind. „Die Banken können damit nicht umgehen“, sagt Martchouk. Als Vergleich zieht er das Aufkommen der E-Mails vor rund 25 Jahren heran. Da gab es wissenschaftliche Studien, die besagten, dass sich E-Mails niemals im kommerziellen Gebrauch durchsetzen werden. Die Speicherkapazität der damaligen Festplatten reichte dafür bei Weitem nicht aus. Drei Jahre später aber war das Speicherproblem gelöst. So wird es auch mit der Blockchain sein, denn diese Technologie steht wie die E-Mail damals noch ganz am Anfang.

Es gibt technische Unzulänglichkeiten, Kinderkrankheiten. Die Blockchain ist noch sehr langsam. Kreditkarten-Firmen können mehrere 10 000 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten, Bitcoin schafft gerade mal acht oder zehn. Das könnte sich aber bald ändern. Im Sommer soll ein neues Lightning Network eingeführt werden, das die Transaktionsgeschwindigkeit erhöht. Ein weiterer Nachteil der Blockchain ist der hohe Energieaufwand. Der digitale Mechanismus, der in diesem offenen System Vertrauen schafft zwischen unbekannten Beteiligten, benötigt eine Menge Strom. Es muss viel berechnet werden, um es potenziellen Angreifern unmöglich oder zumindest sehr schwer zu machen. Ein weiteres Problem: Die Blockchain ist nicht strukturiert und es herrscht Uneinigkeit über die Weiterentwicklung. Was noch fehlt, ist eine massentaugliche Killer-Applikation. Wie der Internet-Browser zum Beispiel. Erst solch eine Anwendung macht die Blockchain für alle praktikabel. Noch ist sie eine Spielwiese für die Community.

Zur ersten Kaffeepause waren die Gesichter der Teilnehmer schon etwas freundlicher. Der Bitcoin fiel zumindest nicht weiter. Die Charts in der App TradingView auf den Telefondisplays zeigten erste Erholungsversuche, Krypto zuckte wieder aufwärts. „Vielleicht sollte man jetzt schon nachkaufen“, sagte ein Teilnehmer. „Oder noch warten. Er fällt noch bis 5 000.“ Irgendwie ist immer noch Goldgräberstimmung und irgendwie gab es das alles schon mal. So um das Jahr 2000, kurz bevor der neue Markt implodierte.

Davon sprachen zwei weitere Experten auf dem Investorentag, Philipp Giese, vom Mitveranstalter BTC-Echo, einer Krypto-News-Website, und der Daytrader Stefan Lübeck. Zweifel, Hoffnung, Jagdfieber, Optimismus, Depression, Glaube, Wut, Ärger, Panik und Euphorie gibt es im Krypto-Trading ebenso wie beim ganz normalen Trading mit Aktien. Allerdings, so Lübeck, ist reines Daytrading – also mehrfach täglich Kaufen und Verkaufen – im Bitcoin-Markt etwas schwieriger. Die Transaktionskosten auf den speziellen Coin-Exchanges sind deutlich höher als bei inzwischen sehr preiswerten Direkt-Banken. Zudem kann man im Moment noch nicht bequem auf fallende Kurse setzen.

„Es sieht nach einer Blase aus“, sagte Lübeck und fasste damit die Meinung nahezu aller anwesenden Experten zusammen. Ja, die Bitcoin-Welt ist zu einer riesigen Blase aufgepumpt worden. Leute, die vor ein paar Tagen noch nicht mal wussten, dass es eine Blockchain gibt, fragen nach, wie sie ihr Geld dort hineinbekommen können. Dabei sein ist wichtig. FOMO sagen die Experten dazu, Fear of missing out.

Doch die Blase lässt schon Luft. Vom Hoch sind Kurse heruntergekommen. Bis zur Hälfte und noch weiter darunter. Jetzt fangen sie sich gerade wieder. Keiner weiß, ob es nicht noch einmal tiefer geht. Doch was alle Experten zu wissen glauben, ist das: Die Kurse können schwanken, die Blase kann platzen, doch die Blockchain-Technologie wird nicht mehr verschwinden. Sie hat eine großartige Zukunft vor sich. Das ist gut vergleichbar mit dem Platzen der Dot.com-Blase um die Jahrtausendwende, sagen sie. Damals wurde wie heute blind gekauft. Jeder wollte bei den Börsengängen dabei sein, kleine InternetStart-ups schwammen plötzlich im Geld – kurze Zeit später verschwanden sie vom Markt. Doch am Ende setzten sich die Starken durch. Amazon, Google, Microsoft, Apple. Auch sie haben ihren Wert inzwischen mehr als verhundertfacht. Das Internet ist nicht verschwunden, ebenso wie die Blockchain nicht verschwinden wird.

Sven Laepple, Gründer der Blockchain-Firma Astratum, fasst es so zusammen: Blockchain und Token sind die Werkzeuge für eine ganz neue Verteilung von sozio-ökonomischen Produkten. Investitionen in diese Technologien werden sich auszahlen, sie sind aber riskant und man sollte sie fortwährend beobachten. Viele, wenn nicht die meisten Projekte werden einen langsamen Tod sterben. Langsam deshalb, weil es den Coin-Firmen gelungen ist, sehr viel Geld am Markt einzusammeln. Das bewahrt sie vor dem schnellen Tod.

Das Zauberwort heißt ICO (Initial Coin Offering). Es ist abgeleitet von IPO (Initial Public Offering), der normalen Börseneinführung einer Aktie. Viele Firmen und sogar klamme Staaten wie Venezuela haben erkannt, dass sich damit viel Geld verdienen lässt. Christian Gorgas von der Firma Xtech will potenziellen Investoren helfen. Im seit Mitte 2017 explodierenden ICO-Markt fällt es zunehmend schwer, seriöse Projekte und lohnenswerte Investments von Fakes und Scams, also Betrug, zu unterscheiden. So wurden bis Ende 2017 insgesamt mehr als 3,25 Milliarden US-Dollar durch ICOs eingenommen – im Zeitraum von 2015 bis 2016 waren es lediglich 300 Millionen. Als Entscheidungshilfe stellt Gorgas den Investoren eine kleine Checkliste vor. So soll vor dem Investment die Umsetzbarkeit des Projekts betrachtet, das Marktpotenzial eingeschätzt, die rechtliche Situation kontrolliert und das Team hinter dem Projekt geprüft werden.

Zum Mittagessen hatte der Markt gedreht. Die Kurse schnellten wieder nach oben. Der Appetit der Teilnehmer war gut. Es gab asiatisches Fingerfood, Obst und Kuchen. Eine Firma aus Österreich stellte ihren Bitcoin-Automaten vor. Die Firma sitzt in Kufstein und heißt Cointed. „Unsere Bitcoin-Automaten sind in Österreich sehr begehrt“, sagte der Verkaufs-Manager Robert Velik. „Jetzt kommen wir auch nach Deutschland.“ Tatsächlich klappte der Pausen-Test. Einer der Teilnehmer wechselte 50 Euro in Bitcoin.

Cointed stellte dann auch etwas vor, was sicherlich noch ein Alleinstellungsmerkmal sein dürfte: Green Mining. Der Investor kauft die Hardware für das Bitcoin-Mining und lässt die Firma – gegen eine Gebühr – schürfen. Sie bemüht sich um ein reibungsloses Mining, gute Kühlung für den Dauerbetrieb und einen Onlinezugang für den Investor. Der Strom soll aus norwegischen Wasserkraftwerken kommen. Als Investor ist man also richtiger Miner, ein vollwertiges Mitglied der Community, ohne sich mit den technischen Details wie Grafikkarte und hoher Stromverbrauch abplagen zu müssen.

Doch wie effizient ist Mining noch? Ist es nicht zu teuer geworden? Ist der hohe Stromverbrauch noch zeitgemäß? Die Antwort ist schwierig. Offensichtlich ist der Stromverbrauch sehr hoch, vielleicht sogar zu hoch. Ein privater Miner in Deutschland wird bei dem heutigen Bitcoin-Kurs vermutlich gar keinen Gewinn machen, es sei denn, er hat eine eigene riesige Solaranlage hinterm Haus. Für die Zukunft müsse deshalb eine Lösung gefunden werden, die weniger energieintensiv ist. Grafikkarten werden besser und stromsparender. Der leidenschaftliche Miner Rainer Jakob sagte: „In Bitcoin investieren ist das eine, etwas ganz anderes ist es, selbst zu minen, Teil der Community zu sein.“

Zum Kaffee war die Stimmung der Teilnehmer sehr gelöst. Einige wollten die Nacht noch in Berlin bleiben. Die Kurse stabilisierten sich immer weiter. „Es wird wieder aufwärts gehen“, sagte ein Teilnehmer aus Stuttgart. „Ich werde heute noch nachkaufen.“

Irgendwann einmal wird dieser neue Markt durch den Gesetzgeber reguliert sein. Das ist auch nötig, sagten die Experten. Noch gibt es zu viel Grauzone oder sogar Betrug. Was der Markt aber jetzt schon kann, das zeigte Gonzalo Sanchez von der Firma Brickblock. Sein Konzept heißt: Tokenisierung von Assets. Tokenisierung erlaubt Teilbeteiligungen und das Investieren von kleinen Beträgen in wertvolle Vermögensbestandteile wie Immobilien in Spanien oder Mexiko oder Fonds in den USA. Für das Investment wird der Nutzer mit einem speziellen Token ausgestattet. Besonders für Investoren aus kleineren und ärmeren Ländern, wo der Zugang zu qualitativ hochwertigen Investitionen schwierig ist, kann diese Lösung neue Möglichkeiten eröffnen. Man braucht keine Bank und keinen Notar.

So gesehen kann die Blockchain die Welt gerechter machen. Und das ist dann keine Utopie mehr.

Als Angebot zum näheren Verständnis der Blockchain ein Video.