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Moderne Zeiten?

Ein Investor plant bei Wilsdruff ein Wohngebiet. Einige sind entsetzt: Untypisch und viel zu wuchtig seien die Häuser.

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© Visualisierung: Zander Architekten

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Es war Anfang Februar, als Ortsvorsteher Thomas Lukas seine Räte zusammentrommelte. In der Sondersitzung gab es nur einen Tagesordnungspunkt zu besprechen: Das geplante Wohngebiet „An den Obstwiesen“ im Wilsdruffer Ortsteil Herzogswalde. Die Ortschaftsräte hatten nicht allzu viel Papier zur Verfügung. Das Wilsdruffer Bauamt hatte einige Unterlagen zur Verfügung gestellt, so Lukas. Doch was sich für ihn und die anderen Räte sowie für mehrere Zuhörer ergab, sorgt nun für Diskussionen im Dorf. Lukas: „So hatten wir uns das nicht vorgestellt.“ Der Ortschaftsrat stimmte gegen jeden einzelnen Bauantrag der insgesamt zehn Häuser. „Einstimmig“, wie Lukas betont. Bisher verliefen Bauprojekte in Herzogswalde harmonisch. Vor allem die von Reinhard Saal. Saal, ein Unternehmer aus der Fotobranche, hatte es in den Neunzigerjahren nach Herzogswalde verschlagen. Er erkannte die Chance, nahe der B 173 in der Mitte zwischen Freiberg und Dresden Geld anzulegen. Zunächst ließ Saal einige Einfamilienhäuser, später auch Mehrfamilienhäuser errichten. Die Objekte vermietet und verwaltet er über eine eigene Firma selbst. Mit Erfolg: Leerstand gebe es in Herzogswalde so gut wie nicht, äußert Saals Verwalter Torsten Nowack. 2012/2013 ließ Saal, der auch in Dresden am Herzogin Garten baut, ein ganzes Wohngebiet in Herzogswalde hochziehen – das Areal am Rosengarten. Die Mehr- und Einfamilienhäuser haben moderne Dächer, große Fenster, farbige Fassaden, viel Grün drumherum.

Das Baugebiet Obstwiesen ist nun Saals neues Projekt, seit mehr als einem Jahr wird daran geplant. „Wir haben uns das wirklich nicht leicht gemacht, viele Gutachten zur Regenentwässerung, zur Ökologie, zum Bauuntergrund eingeholt und ein gutes Architekturbüro rangesetzt“, sagt Nowack. Dass nun Kritik komme, könne er nicht nachvollziehen. Die Kritik formuliert Ortsvorsteher Thomas Lukas in etwa so: Die geplanten Häuser wirken zu modern, würden sich nicht in die Landschaft einfügen und passen nicht zu den umliegenden Bauten. Eher städtisch würde das wirken. „Kurz gesagt: Hier wird praktisch, quadratisch, gut geplant. So war das nicht abgesprochen.“ Er erinnert sich an eine Ortschaftsratssitzung im Februar 2015. Damals war Architekt Jens Zander vor Ort und zeigte erste Entwürfe. Die Rede sei von kleinen, ortstypischen Einfamilien- und Doppelhäusern gewesen, so Lukas.

In einem Büro in Dresdens Stadtzentrum beugt sich Jens Zander über einen großen Tisch, auf dem zahlreiche Entwürfe und Ansichten der Häuser liegen. „Auf keinen Fall wollen wir Herzogswalde eine futuristische Architektur überstülpen“, beteuert er. Geplant seien vielmehr kleine Häuschen mit Pultdächern, Holzverkleidung, aufgelockerten Fassaden, großen Fenstern, Dachbegrünung. Sie sollen in einer gartenähnlichen Anlage stehen. „Natürlich ist das moderner als das Fachwerkhaus oder das DDR-Einfamilienhaus“, sagt Zander. „Aber auf keinen Fall wirkt das klotzig oder städtisch.“ Im Vergleich zum Rosengarten würde das neue Baugebiet sogar ländlicher wirken. Und Flachdächer würden definitiv nicht gebaut, tritt Zander einem Gerücht entgegen.

Ortsvorsteher Lukas ist dagegen skeptisch. „Genau so ein von der übrigen Dorfarchitektur losgelöstes Baugebiet wollten wir in Herzogswalde nicht mehr haben“, sagt er. Man sei nicht gegen eine Bebauung, nur eben gegen diese völlig andere Art der Architektur. Die ist allerdings nicht verboten. Bevor Investor Saal den Architekten beauftragte, beantragte er ein Bauleitverfahren. In diesem wird ein Bebauungsplan erarbeitet, also eine Vorschrift über die Lage, die Größe und das Aussehen der Häuser sowie der Grünanlagen und Zufahrten. Vom Ortschaftsrat kamen keine schwerwiegenden Einsprüche. Laut Bebauungsplan wären an den Obstwiesen sogar größere, höhere und modernere Häuser möglich als Zander jetzt plant. „Die hatten wir erst auf dem Papier, aber dann noch einiges abgespeckt.“

Der Bebauungsplan allerdings ist noch nicht gültig. Zwar wurde er im Mai 2015 vom Wilsdruffer Stadtrat genehmigt, jedoch auf Betreiben des Landratsamtes im Dezember wieder aufgehoben. Aus formalen Gründen, wie es hieß. Im Januar wurde ein neuer Entwurf ausgelegt, in der Stadtratssitzung am Donnerstagabend soll dieser beschlossen werden. Dann kann gebaut werden, auch ohne Zustimmung des Ortschaftsrates. „Das ist mir klar“, sagt Thomas Lukas. „Ich wünsche mir trotzdem einen Konsens. Denn schließlich sind wir Herzogswalder die Betroffenen.“