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Mogelpackung Mindestlohn

Jürgen Müller über Tricks und Altersarmut.

Von Jürgen Müller
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© Fotomontage SZ

Politiker vor allem der SPD feiern sich, dass sie den Mindestlohn durchgesetzt haben. Doch zum Feiern gibt es überhaupt keinen Grund. Denn dieser Mindestlohn ist eine Mogelpackung. 

Zum einen, weil er vielerorts trickreich umgangen wird. Drei von vielen Beispielen aus der Praxis: Die Reinigungskraft muss jetzt ein Zimmer mehr pro Stunde saubermachen. Weil sie das nicht schafft, arbeitet sie länger - unbezahlt. 

Der Kraftfahrer bekommt jetzt zwar Mindestlohn, aber nur, wenn er tatsächlich fährt. Steht das Fahrzeug, weil es be- oder entladen wird, gilt das als „Bereitschaft“. Die wird nur mit der Hälfte des Lohnes vergütet. 

Der Friseuse wird die Arbeitszeit gekürzt. Weil der Chef die Preise mit der Begründung, Mindestlohn zahlen zu müssen, drastisch erhöht hat, geben die Kunden weniger Trinkgeld. Allen dreien ist gemein, dass sie jetzt zwar Mindestlohn erhalten, unterm Strich aber genauso wenig Geld in der Tasche haben wie vorher.

Vor allem eines aber kann der Mindestlohn nicht verhindern: Altersarmut. Wer Mindestlohn bezieht, mit 16 Jahren zu arbeiten beginnt und mit 67 in Rente geht, keine Kinder hat und nie arbeitslos war, bekommt später einmal 784 Euro Rente. Brutto wohlgemerkt. 

Denn diese Rente muss - abzüglich des Grundfreibetrages - voll versteuert werden, außerdem müssen Krankenkassenbeiträge davon gezahlt werden. Was bleibt, ist weniger als die Grundsicherung. Diese Rentner sind weiter vom Sozialamt abhängig. 

Der jetzige Mindestlohn löst also die Probleme nicht. Er muss deutlich erhöht werden, damit arbeitende Menschen würdig leben können - jetzt und im Alter. Aber die Gewerkschaften machen sich vor allem für diejenigen stark, die es gar nicht nötig haben: Piloten, Lokführer, öffentlich Bedienstete. 

Dabei sollte ihr Hauptaugenmerk auf dem Niedriglohnsektor liegen. Es kann nicht sein, dass jemand, der ein Leben lang gearbeitet hat, im Alter genauso wenig Geld in der Tasche hat, wie jemand, der nie gearbeitet hat. Aber diese Menschen haben eben keine Lobby.

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