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Mord oder Selbstmord?

Der Kriminalbeamte Detlev G. steht erneut vor Gericht, weil er einen Menschen getötet und zerstückelt haben soll.

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© kairospress

Von Thomas Schade

Dresden. Wieder für 18 Tage auf der Anklagebank, wieder Kameras und neugierige Zuschauer. Sicher ist das Detlev G. unangenehm, aber er zeigt es nicht. „Wann wird das denn gesendet?“, fragt er spontan einen Kameramann. Der antwortet verblüfft: „Am Sonnabend.“ Detlev G.: „Dann sagen Sie das meiner Tochter, die sitzt dahinten.“ Den Umständen entsprechend gehe es ihm gut, sagt G. und dass er mit dem Schlimmsten rechne. „Die Kammer wird alles versuchen, um mich zu verurteilen.“

Hans Schlüter-Staats, der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer, kann das nicht hören, verspricht aber seinerseits ebenso spontan, sich zu bemühen, die Wahrheit herauszufinden.

Zum zweiten Mal muss das Dresdner Landgericht seit Dienstag aufklären, was im Keller der Pension Gimmlitztal passiert ist. Am Abend des 4. November 2013 starb dort der gebürtige Pole Woitek S., ein kleiner Jobvermittler im Speditionsgewerbe aus Hannover. Es ist unstrittig, dass der Angeklagte diesen Mann zerstückelt hat. Aber hat er ihn auch ermordet? Das wirft die Staatsanwaltschaft auch jetzt im zweiten Prozess dem Angeklagten vor, nachdem der Bundesgerichtshof ein erstes Urteil wegen Mordes aufgehoben hat.

Die Verteidiger des Angeklagten bezweifeln gleich zu Prozessbeginn, dass die 5. Große Strafkammer das zuständige Gericht für den zweiten Prozess ist. Die 5. Kammer sei insbesondere für Wirschafts- und Bußgeldsachen zuständig, so Rechtsanwalt Endrik Wilhelm. Dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichtes sei zwar zu entnehmen, dass diese Kammer auch die Revisionen der 1. Schwurgerichtskammer aufzufangen habe. Die hatte G. zuvor verurteilt. Aber die 5. Kammer sei eben keine Schwurgerichtskammer. Doch die Richter sehen das anders. Sie lehnen die Zuständigkeitsrüge der Verteidigung nach einer halbstündigen Beratung ab.

Dennoch beginnt der Prozess in gemäßigter Atmosphäre. Beim ersten Mal hatte die Verteidigung in einer fulminanten Eingangserklärung die Ermittlungen der Polizei kritisiert und dem Gericht vorgeworfen, den Fall nicht unvoreingenommen zu betrachten. Nunmehr kann Oberstaatsanwalt Andreas Feron ohne Verzug wortgleich die Anklage verlesen, die er am 22. August 2014 schon einmal verlesen hatte. Er schildert das grausige Geschehen, das insbesondere durch ein Video bekannt geworden ist. Der Angeklagte hatte teilweise gefilmt, was sich in dem Keller abgespielt hat. Laut Staatsanwaltschaft ist zu sehen, wie Detlev G. in der Nacht zum 4. November vor der Kamera posiert, die Schlachtung eines Menschen ankündigt und äußert, dass das „geil“ werden würde.

Die Augenblicke, in denen der damals 59-jährige Geschäftsmann zu Tode kam, sind nicht aufgezeichnet worden. Die Anklage geht davon aus, dass Detlev G. sein Opfer auf dessen Verlangen erdrosselt und anschließend zerstückelt hat.

Von diesem Tatverlauf war auch die Schwurgerichtskammer nach der Beweisaufnahme im ersten Prozess überzeugt und hatte den Angeklagten zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Verteidigung wollte einen Freispruch, weil in der Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich der sterbewillige S. selbst erdrosselt hat. Weil die Richter im ersten Prozess nach Ansicht des BGH einen Suizid nicht hinreichend ausgeschlossen hatten, war das erste Urteil aufgehoben worden.

Anders als zu Beginn des ersten Prozesses im Sommer 2014 macht Detlev G. diesmal von seinem Recht zu schweigen Gebrauch. Damals berichtete er zumindest über sein bisheriges Leben. So führt die Kammer am ersten Tag in die Beweisaufnahme ein, was der Angeklagte im ersten Prozess zum Tatgeschehen selbst gesagt hatte. Der Vorsitzende verliest schriftliche Äußerungen von Detlev G. und zitiert aus Verhandlungsprotokollen.

Daraus geht hervor, dass Detlev G. den Mord nicht begangen haben will. Vielmehr erklärte er mehrmals, dass sich Woitek S. im Sadomaso-Keller der Pension selbst die Schlinge um den Hals gelegt und sich erdrosselt habe. Allerdings erzählte G. im ersten Prozess verschiedene Varianten dieses Geschehens. Einmal stand Woitek S. auf einer Schüssel, bevor er sich strangulierte, ein anderes Mal nicht. Das machte G. damals unglaubwürdig. Der Prozess wird kommenden Montag fortgesetzt.