Von Thilo Alexe
Ein alter Scherz erhält eine neue politische Dimension: War der Gag „Du kommst nie durch die Gesichtskontrolle“ bislang eher eine harmlose Neckerei, könnte der Witz zumindest für Fußballfans womöglich bald Wahrheit werden. Denn der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Schweriner Ressortchef Lorenz Caffier, lässt die Einführung von Gesichtsscannern in Stadien prüfen.
Gewalttäter gelangten trotz Verbote in die Arenen, argumentiert der CDU-Politiker. „Mir geht es allein darum, dieses Gefahrenpotenzial durch Einsatz moderner Technik zu verringern, zum Nutzen der übergroßen Mehrheit der Besucher“, betont Caffier.
Der Freistaat steht den Plänen, die von einer Arbeitsgruppe wohl bis zur nächsten Sitzung der Innenministerkonferenz im Mai konkretisiert werden, skeptisch gegenüber. „Wir halten an unserer Strategie fest. Und die setzt auf personalisierten Ticketverkauf“, sagt der Sprecher des sächsischen Innenministeriums, Lothar Hofner.
Bei Risikospielen, in deren Umfeld die Polizei Randale erwartet, sollen die Karten nur gegen Vorlage eines Personalausweises verkauft werden. Wer wegen Gewaltdelikten polizeibekannt ist, so das Kalkül, erhält kein Ticket. Der Präsident von Dynamo Dresden, Andreas Ritter, hatte im November nach einem Gespräch mit Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) Unterstützung für diese Pläne angekündigt. Damals war allerdings von Gesichtsscannern noch keine Rede. Details sind auch noch unklar. Lediglich so viel gab Caffier bekannt: Die Geräte können Gesichter der Besucher mit Bildern aus der Datei „Gewalttäter Sport“ vergleichen. Ein Alarm bei einer Übereinstimmung soll verhindern, dass sich gewalttätige Hooligans ins Stadion durchmogeln können. Ob alle Besucher oder lediglich die der Stehplätze gescannt werden sollen, ist noch unklar.
Bereits jetzt gibt es erheblichen Widerstand gegen die von Caffier eingeleiteten Scanner-Pläne. Datenschützer sehen unter anderem technische Probleme. „Zuverlässige Biometrieverfahren gibt es noch nicht“, sagt der Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten, Andreas Schneider. „Das Ganze ist daher für mich eine Geisterdiskussion fachlicher Laien, die glauben, mit Überwachung politisch punkten zu können. Und ich habe zudem Zweifel, ob die gesetzlichen Voraussetzungen zureichen.“
Dass es in sächsischen Stadien ein Gewaltproblem gibt, ist unstrittig. Ermittler sind zudem besorgt über Verbindungen gewaltbereiter Fans ins rechtsextreme Milieu. Allerdings: Die Zahl der Straftaten rund um Fußballspiele im Freistaat – vergangene Saison 508 – war zuletzt rückläufig. Offensichtlich greift die Arbeit von Fanprojekten in Leipzig, Dresden, Chemnitz und Aue. Die Zahl gewaltbereiter Fans, rund 1400, sinkt nach Erkenntnissen des Innenministeriums leicht.
Diesen Kurs will der Freistaat weiter unterstützen. Gesichtsscanner sind dabei wohl nicht vorgesehen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fan-Projekte sieht in ihnen ohnehin nur eines: „Puren Populismus.“
Sprecher Matthias Stein sagte in einem Interview: „Das wäre ein Schritt auf dem Weg zu einem Polizei- und Überwachungsstaat.“ Erste Erfahrungen lassen zudem auf erbitterten Widerstand schließen. Ein Projekt zur Gesichtserkennung im Karlsruher Wildparkstadion musste abgesagt werden. Kameras sollten Testpersonen auf der Tribüne erkennen.