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Müssen Notaufnahmen schließen?

Deutschlandweit könnten 600 Krankenhäuser ihre Notfallambulanz verlieren. Das sorgt für Kritik – auch im Landkreis Bautzen.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Bautzen. Der neue Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgt gern für Wirbel. Und wird regelmäßig dafür kritisiert – denn um die Gesundheit ging es bisher dabei nur selten. Doch auch in seinem eigenen Ressort unternimmt Spahn jetzt einen Vorstoß mit Konflikt-Potenzial: Notaufnahmen in kleinen Krankenhäusern sollen abgeschafft werden. So steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD.

Während Klinikchefs – auch im Landkreis Bautzen – dagegen protestieren, verteidigt Spahn die Idee und geht in die Offensive. Sich gefährlich verlängernde Wege, sehe er jedenfalls nicht, sagt der Minister. Vielmehr gehe es um sogenannte Notfallzentren. Nicht jedes Krankenhaus müsse schließlich alle Behandlungen anbieten. Was bringe es zum Beispiel, wenn ein Patient in eine Klinik gebracht werde, in der man seine Erkrankung nur zwei Mal pro Jahr sehe, so Spahn jüngst im ZDF. Es gehe um Spezialisierung.

Zunächst soll es bei einer möglichen Reduzierung vor allem um Notaufnahmen im Umfeld größerer Ballungsräume gehen. Immerhin 600 solcher Kliniken sollen auf dem Zettel des Ministers stehen, heißt es.

Im Landkreis Bautzen könnte damit zum Beispiel die Radeberger Asklepios-ASB Klinik gemeint sein. Die hat sich allerdings bereits spezialisiert. Auf Herzschrittmachertechnik zum Beispiel. Aber natürlich versorgt die Notaufnahme auch alle anderen Patienten. Nicht zuletzt ist die Klinik in der Nähe der unfallreichen Autobahn 4 gefragter Anfahrtspunkt der Notärzte.

Und so ist der ärztliche Direktor Dr. Matthias Czech derzeit auch relativ entspannt: „Das Thema kreist ja schon länger, aber nach wie vor ist alles unausgegoren.“ Zudem würden hier zu viele Leute mitreden, „die gar nicht richtig wissen, wie dieses komplexe System funktioniert“. So stehe beispielsweise die Frage, ob die großen Kliniken nach einem Wegfall kleiner Notaufnahmen überhaupt in der Lage sind, diesen Patientenstrom mit zu bewältigen.

„Ich sehe im Moment, dass wir die Kriterien für eine Weiterbetreibung der Notfallaufnahme erfüllen“, ist Dr. Matthias Czech überzeugt. Würde das die Politik anders sehen, „wäre das natürlich ein sehr dramatischer Einschnitt“. Denn viele Patienten haben aktuell mit Blick auf die Anzahl und die Öffnungszeiten von Arztpraxen zu bestimmten Zeiten gar keine andere Chance mehr, als die Notaufnahme.

Gefährlicher Teufelskreis

Ähnlich sieht das Reiner E. Rogowski, der Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken in Bautzen und Bischofswerda. Zwischen 22. Dezember und 2. Januar sind in den beiden Notaufnahmen in Bautzen und Bischofswerda 2 201 Notfallpatienten behandelt worden, nennt er Zahlen. Davon wurden 500 direkt ins Krankenhaus eingewiesen. Unterstellt man nun, „dass 30 Prozent der anderen Patienten keine Notfälle waren, wären in dieser Zeit dennoch 1 200 Menschen ohne Zugang zum niedergelassenen Arzt gewesen“, rechnet der Klinikchef vor. Denn die meisten Praxen sind zwischen Weihnachten und Neujahr zu, „verdientermaßen“, schiebt er gleich hinterher. Und fragt ebenfalls, ob all diese Patienten nun ans Uniklinikum Dresden fahren sollen. „Oder den Notarzt rufen und sich fahren lassen?“ Auch dieser Notarztdienst werde dabei in der Regel zu über 80 Prozent von Krankenhausärzten besetzt, „die dann wieder in unseren Krankenhäusern fehlen würden“. Ein Teufelskreis also. Ein sehr gefährlicher.

Und überhaupt ist Reiner E. Rogowski nicht amüsiert, wenn die Rede auf Spahns Vorstoß kommt. Teile der Politik hätten offenbar „eine sehr schwierige Vorstellung von Notaufnahmen“. Die würden nicht selten als überflüssig und/oder überdimensioniert angesehen, ärgert sich der Klinikchef. „Dass man an der Qualität der medizinischen Versorgung ständig arbeiten muss, ist eine Selbstverständlichkeit – dass man aber mit dem Mäntelchen Qualitätsverbesserung versucht, Kosten in ländlichen Regionen zu sparen und einen Konzentrationsprozess voranzutreiben, ist gefährlich“. Nicht zuletzt, weil es sich bei der gepredigten Qualitätsverbesserung „in der Regel um eine teure und zeitintensive Bürokratie und überzogene Strukturen handelt“, ist der Geschäftsführer sauer.

Im Dresdner Gesundheitsministerium kennt man die Aussagen Spahns zur Schließung von Notaufnahmen nur aus der Presse, sagt Sprecher Jörg Förster. „In Sachsen gibt es dazu keine diesbezüglichen Überlegungen.“ Krankenhäuser seien in erster Linie eigenverantwortlich entscheidende und wirtschaftende Unternehmen, „die zunächst selbst prüfen und entscheiden, welche Versorgungsangebote sie vorhalten“. Sachsen habe jedenfalls eine gesunde Krankenhaus-Struktur, die durchaus Vorbild für andere Bundesländer sei, so der Sprecher.

Es könnte also gut sein, dass es in Sachsen letztlich gar keine Schließungen geben wird.