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Museum zeigt Vorläufer der Taschenrechner

Vor 140 Jahren begann in Glashütte die Herstellung von Rechenmaschinen. Etabliert wurden sie von einem Dresdner.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Auf dem ersten Blick sieht das Gerät, hinter dem Lutz Roscher steht, wie eine Schreibmaschine aus. Wer genauer hinsieht, entdeckt aber nur Zahlen auf den Tasten. „Das ist eine Rechenmaschine vom Modell LVM“, sagt der stellvertretende Leiter des Uhrenmuseums, Lutz Roscher. Herstellt wurde die Maschine von der Glashütter Firma Archimedes im Jahr 1938.

Was viele nicht wissen: Glashütte war einst das Zentrum der deutschen Rechenmaschinenproduktion. „Hier begann die industrielle Fertigung“, erzählt Lutz Roscher, der sich seit dem Sommer 2016 intensiv mit dem Thema befasst hat. Der Grundstein für die Produktion von Rechenmaschinen wurde vor genau 140 Jahren gelegt. Das Uhrenmuseum nimmt das zum Anlass für eine neue Sonderausstellung, die ab Juni unter dem Titel „Ausgerechnet“ zu sehen wird. Neben den anderen Veranstaltungen, die das Museum noch plant, ist sie die größte und umfangreichste Schau in diesem Jahr.

Das Grundgerüst dafür steht bereits. Neben Exponaten aus dem Museumsdepot – in der aktuellen Dauerausstellung ist nur die erwähnte Archimedes zu sehen – werde man weitere Rechenmaschinen zeigen, die als Leihgaben vom Arithmeum Bonn und dem Museum für historische Wehrtechnik Röthenbach bei Nürnberg kommen werden. Beide Einrichtungen verfügen über größere Sammlungen von Rechenmaschinen, sagt Roscher.

„Wir wollen auch eine teilmontierte Rechenmaschine zeigen, damit die Besucher die Funktionsweise der Maschinen nachvollziehen können. Viele können sich nicht das vorstellen.“ Immerhin sei den Konstrukteuren dieser Maschinen gelungen, ein Räderwerk zu konstruieren, mit dem die vier Grundrechenarten dargestellt werden konnten, ergänzt er.

Größte Firma in Glashütte

Außerdem wird das Museum diejenigen Unternehmer vorstellen, die die Rechenmaschinenfertigung in Glashütte groß gemacht haben. Dazu zählt Curt Dietzschold. Der Dresdner Maschinenbauingenieur kam 1876 nach Glashütte, um bei der Uhrenfirma Strasser & Rohde zu arbeiten. Ein Jahr später begann er mit der Entwicklung einer Rechenmaschine. Diese funktionierte aber nicht perfekt. Sicher hätte Dietzschold weiter daran gearbeitet. Doch dem Ingenieur wurde 1879 der lukrative Chefposten der österreichischen Uhrmacherschule Karlstein angetragen. Dietzschold nahm das Angebot an, wollte aber, dass es mit dem Rechenmaschinenbau in Glashütte weitergeht. Er holte seinen Studienfreund Arthur Burkhardt ins Müglitztal, der die Aufgabe übernahm. 1878 entwickelt Burkhardt seine eigene Rechenmaschine, die funktionierte, das „Burkhardt-Arithmometer“. Nach anfänglichen Schwierigkeiten verkaufte sich die Maschine nach der Jahrhundertwende immer besser. Burkhardt holte Preise auf nationalen und internationalen Messen. Burkhardts Erfolg animierte andere, ebenfalls in der Branche tätig zu werden. 1895 entstand die Glashütter Rechenmaschinen-Fabrik Saxonia, die ähnliche Maschinen wie Burkhardts Firma baute und schon bald mit Weiterentwicklungen Erfolg hatte.

Nach dem Ersten Weltkrieg ging es mit beiden Firmen bergab. Trotz eines Zusammengehens blieb der Erfolg aus. 1929 war es mit der Firma vorbei. Erfolgreicher war das 1904 von Reinhold Pöthig gegründete Unternehmen, das Rechenmaschinen mit dem Namen des Mathematikers Archimedes herstellte. Die Firma expandierte. 1923 baute das Unternehmen einen für damaligen Zeiten riesigen Neubau an der Altenberger Straße. Heute residiert die Firma Lange in dem Haus. Bis zum Zweiten Weltkrieg wuchs Archimedes mit 400 Arbeitern zur größten Firma in Glashütte heran. Nach dem Krieg wurde die Rechenmaschinenfabrik zunächst demontiert, der Rest wurde verstaatlicht. Viele Fachkräfte gingen in den Westen. Der Neubeginn war mühsam – gelang aber, sagt Roscher. Die Glashütter bauten Rechenmaschinen, die sie hauptsächlich nach Frankreich und in die CSSR exportierten. Bis zur endgütigen Einstellung der Produktion im Jahr 1960 baute Archimedes rund 85 000 Rechenmaschinen. Obwohl seit der Einstellung der Produktion viele Jahre vergangen sind, ist es dem Museum gelungen, Zeitzeugen zu befragen, um weitere Informationen zu sammeln, erzählt Lutz Roscher. Einen konnte man bereits für den geplanten Vortragsabend gewinnen, zu dem das Museum im Herbst einladen möchte. Diese Veranstaltungsform sei in den vergangenen Monaten sehr gut besucht worden.