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Mussolini macht Wahlkampf

Der Urenkel des Diktators will ins EU-Parlament. Seinen Namen trägt er mit Stolz. Seine Geschichte steht stellvertretend für einen Trend rechter Propaganda in Italien.

Von Philipp Siebert
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Caio Giulio Cesare Mussolini hält eine Rede in Turin. Der Urenkel des italienischen faschistischen Diktators Mussolini sieht in seinem Familiennamen eine starke Marke.
Caio Giulio Cesare Mussolini hält eine Rede in Turin. Der Urenkel des italienischen faschistischen Diktators Mussolini sieht in seinem Familiennamen eine starke Marke. © Alessandro Di Marco/ANSA/AP/dpa

Rom. Caio Giulio Cesare Mussolini ist der Meinung, dass sein Urgroßvater nichts mit Adolf Hitler zu tun hat. Daher ist er stolz auf seinen Nachnamen: Mussolini. In Italien darf man das. Stolz sein auf den Namen eines faschistischen Diktators. Ja, es bringt einem gar Wahlstimmen, wie Mussolini meint. Daher ist er mit dem Slogan #ScriviMussolini (SchreibMussolini) in den Europawahlkampf gestartet. "Comandante Mussolini", wie er sich nennt, will für die rechte Partei Fratelli d'Italia ins Europaparlament. Der liege die "Nation am meisten im Herzen", erklärt er der Deutschen Presse-Agentur.

Sein Urgroßvater ist Benito Mussolini, Diktator Italiens während des Zweiten Weltkriegs und enger Verbündeter der Nazis in Deutschland. Der "Duce" führte die "Rassengesetze" in Italien ein. Bei seinem Feldzug in Abessinien - dem heutigen Äthiopien - wurden Hunderttausende Menschen mit Giftgas ermordet. An der Seite Hitlers zog Mussolini in den Krieg. Mit dem Namen Hitler Wahlkampf zu machen, wäre in Deutschland allerdings undenkbar. Das könne man nicht vergleichen, sagt Mussolini. "Wir sprechen von zwei verschiedenen Personen, in zwei verschiedenen Ländern, von zwei verschiedenen Geschichten."

Konkurrenz will Mussolini der Lega-Partei von Italiens rechtem Innenminister Matteo Salvini machen - unter dem Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und der Flirt mit dem Faschismus quasi salonfähig geworden sind. Seinen Namen hält Mussolini zwar einerseits für eine Last. Andererseits aber für eine starke Marke, die den Wählern gefalle. "Ich bin stolz auf meinen Nachnamen. Zuhause hat man immer Familiäres von Politischem getrennt und vor allem über ersteres geredet. Wie in allen Familien mit politisch engagierten Verwandten", sagt der 51-Jährige. Auch der Vorname spricht für sich: übersetzt Gaius Julius Cäsar, wie Roms berühmtester Feldherr.

Er ist nicht der erste Mussolini-Nachfahre, der Politik macht. Alessandra Mussolini ist im EU-Parlament für die Fraktion der Europäischen Volkspartei. Rachele Mussolini sitzt für Fratelli d'Italia in Rom in der Stadtverordnetenversammlung. Beide sind Enkelinnen des "Duce".

Caio Mussolini hält es nicht für notwendig, sich von seinem Urgroßvater zu distanzieren. Er ist in Argentinien zur Welt gekommen und hat in Venezuela und Abu Dhabi gelebt. Als ehemaliger Rüstungsmanager sieht er sich gut gewappnet, die Heimat zu verteidigen. "Man muss Patriot sein", sagt er.

Er postet auf Twitter Fotos von sich vor dem Denkmal von König Vittorio Emanuele III., der Mussolini eingesetzt hatte. Auch zeigt er sich gern im römischen Stadtteil EUR, wo Mussolini seine Ideologie mit monumentaler Fascho-Architektur verewigte. Für Neofaschisten und Rechtsextreme ist der Stadtteil immer wieder Kulisse für Aufmärsche. "Duce"-Denkmäler stehen nicht nur dort nach wie vor. Man findet sie überall im Land. Überall ohne Hinweis auf die Opfer des Faschismus.

Flaschen mit Bildern von Mussolini, Marx, Stalin und Hitler auf dem Etikett stehen in einem Geschäft.
Flaschen mit Bildern von Mussolini, Marx, Stalin und Hitler auf dem Etikett stehen in einem Geschäft. © Annette Reuther/dpa

Auch Mussolini-Souvenirs sind in Italien leicht zu bekommen. Wer eine Flasche Hitler- oder Mussolini-Wein will, kann gleich neben dem Innenministerium in Rom aus einem großen Diktatoren-Sortiment wählen. Wer einen Mussolini-Kalender will, muss nur in den Bergen bei Rom Skifahren gehen - wo der "Duce" zeitweilig gefangen war - in Bars wird man dort fündig.

Kritiker werfen Italien seit langem mangelnde Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit vor. Viele Italiener erzählen von ihrer Schulzeit, in der der Faschismus wenn überhaupt im Schnelldurchlauf durchgenommen wird. Den Vergleich von Mussolini mit Hitler lassen viele nicht gelten. Schließlich hat Mussolini keinen zweiten Holocaust begangen. Mussolini war aber Gehilfe des Massenmordes, zumal die Nazis Juden aus Italien auch in Konzentrationslager deportieren ließen.

Auch deshalb sorgen positive Worte über Mussolini international immer wieder für Entrüstung. Erst kürzlich sagte ausgerechnet EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, Mussolini habe auch "einige positive Dinge getan". Der Italiener ist nicht der erste. Auch Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi war dieser Meinung.

Allen voran Italiens neuer starker Mann Salvini bedient sich aus dem Wortschatz des Faschismus. Die Wähler verschreckt das nicht. Im Gegenteil. Salvinis Zuspruch steigt.

Einen Tabubruch beging der Lega-Chef am 25. April, als Italien die Befreiung vom Faschismus feierte. Er blieb den Gedenkfeiern fern, eröffnete auf Sizilien eine Polizeidirektion und ließ sich bei Wahlkampfveranstaltungen feiern. "Wir sind im Jahr 2019, das Derby zwischen Faschisten und Kommunisten interessiert mich wenig, mich interessiert die Zukunft", hatte er zuvor gesagt. Einige Tage später sprach er in Forlì von einem Balkon, von dem aus Mussolini die Hängung von Partisanen beobachtet hatte.

In Mailand marschierten kürzlich Fußball-Ultras mit Mussolini-Bannern auf und zeigten den "saluto romano", den faschistischen Gruß, den sich Hitler abgeschaut hatte. Mit dem Hitler-Gruß vertrieben zuletzt auch Neofaschisten im römischen Stadtteil Torre Maura Sinti und Roma und bedrohten sie mit dem Tod. Rassismus scheint im Windschatten von Salvinis Hetze gegen Ausländer und Sinti und Roma zuzunehmen.

Mussolinis Urenkel hält trotz allem Warnungen vor einer Rückkehr des Faschismus "für eine Übertreibung linker Propaganda, die keine anderen Argumente hat". Über den Faschismus werde in Italien viel zu viel gesprochen. Er ist überzeugt: "Dieser historische Moment kann sich nicht wiederholen." (dpa)