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Nach 100 Jahren sind die Schlossfenster dran

Die schönen alten Holzfenster durch neue zu ersetzen, kommt auf Gut Gamig nicht infrage. Das ist auch eine Chance für Paten.

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© Daniel Schäfer

Von Heike Sabel

Dohna. Hundert Jahre sind ein schönes Alter. Auch für Fenster. Denen im Schloss auf Gut Gamig sieht man das Alter an. Da ändern auch die vielen Blumen nichts. Deshalb werden die Fenster nun saniert, und zwar von der Gutstischlerei. Flügel für Flügel wird vom Schloss in die Tischlerei geholt. Die Farbe blättert ab, der trockene Fensterkitt bröselt. Vorsichtig wird abgeschliffen, erneuert, ausgewechselt. So viel erhalten wie möglich, zum Beispiel die alten Holznägel, sagt Sören Wehner. Sie ist die Gruppenleiterin Tischlerei.

Gruppenleiterin Sören Wehner und Mitarbeiter Stephan Lindemann arbeiten an einem der hundert Jahre alten Fenster.
Gruppenleiterin Sören Wehner und Mitarbeiter Stephan Lindemann arbeiten an einem der hundert Jahre alten Fenster. © Daniel Schäfer

Hier arbeiten Rehabilitanden der sozialtherapeutischen Einrichtung Gut Gamig, die derzeit von Nancy Langer, einer jungen Frau im Freiwilligen sozialen Jahr, unterstützt wird. Ihr ist schon ab und zu ein Malheur passiert: Die Scheibe eines Fensters ging zu Bruch. Sören Wehner tröstet sie, das kann bei hundert Jahre alten Fenstern schon mal passieren.

Schleifen, Kitt erneuern, Teile auswechseln, abkleben, vorstreichen, noch mal streichen, lackieren. Für die acht Flügel eines Fensters werden bis zu sechs Wochen benötigt, inklusive Trocknungszeiten. Es ist länger, als ein Handwerker benötigen würde, trotzdem hat sich das Gut für die eigene Werkstatt entschieden. Weil das preiswerter ist und weil es eine schöne Aufgabe für die Patienten ist. Die haben auch sonst zu tun, Zuarbeiten für die Holzindustrie in Heidenau, zum Beispiel bohren und sägen. Keile, Einleger, Kistenteiler.

Weil das Sanieren der Fenster trotzdem Geld kostet, hatte der Guts-Verein eine Idee: Fenster-Paten. Die Aktion startete im März, und schon sind über 9 000 Euro zusammengekommen. Damit sind alle achtflügligen Fenster finanziert, sagt Geschäftsführerin Katja Frühauf. „Unglaublich.“ Bei Sören Wehner liegen in einer Schachtel schon die Keramikschilder mit den Namen der Spender, die an die Fenster kommen.

Wohlfühlort mit frischem Kuchen

Sören Wehner ist Tischlergesellin und hat sich bewusst für Gut Gamig als Arbeitsstelle entschieden. Hier kommt ihr ihre DDR-Erzieherausbildung zugute. Nach der Wende wurde sie Tischlerin, arbeitete bei einem Handwerker und nun schon seit einigen Jahren in der Gamiger Werkstatt. Hier gehen die Uhren wohl anders, gibt es nicht den permanenten Druck, kann jeder mal einen schlechten Tag haben. Trotzdem, es muss ordentlich gearbeitet werden. Wenn Sören Wehner noch mal nacharbeiten lässt, wird schon mal gestöhnt.

Bevor die zum Café gehörenden Fenster wieder eingebaut werden, heißt es putzen. Sören Wehner hofft, dass frühestens in zehn Jahren ein neuer Anstrich notwendig ist. Halten werden die Fenster bei guter Pflege sicher noch mal hundert Jahre. 1920 hatte der damalige Besitzer Georg Höntsch das Schloss renovieren lassen, auch die Fenster. Damals bekamen sie Fensterläden. Ende der 1970er-Jahre gab es in Vorbereitung des internationalen Hopfenkongresses einen Umbau des Saales. Vor fünf Jahren wurde die neue Kaffeeküche im Schloss fertiggestellt.

Das Café ist ein Wohlfühl-Ort, an dem sich die Menschen treffen. Ob gesund oder krank, spielt keine Rolle. Der selbst gebackene Kuchen schmeckt allen. Auch Sören Wehner kommt am Wochenende manchmal mit ihren Enkeln hierher.

Wenn sie künftig die Fenster ansieht, muss sie nicht mehr beschämt wegschauen. Sie freut sich und ist stolz auf „ihre“ Mitarbeiter. Für die sind die Fenster ein Erfolgserlebnis, eines, das alle sehen. Genau das sagt Sören Wehner ihnen immer wieder. „Denkt daran, Eure Arbeit sieht jeder.“ Das spornt die Frauen und Männer an, die meisten sind ohnehin sehr ehrgeizig.

Wer als Pate bei den jetzigen Schlossfenstern leer ausging, hat noch eine Chance. Die Turmfenster, die Terrassentür und die Fensterfront am Rittergang sollen ebenfalls noch erneuert werden. Da gibt es noch viel Arbeit für die Tischlerei.