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Nach gescheitertem Ausbruch Ermittlungen wegen Mordversuchs

Den beiden Bediensteten der JVA Torgau geht es besser. Die Täter sind in anderen Haftanstalten.

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Von Thomas Schade

Nach dem gescheiterten gewaltsamen Ausbruchsversuch aus der Justizvollzugsanstalt Torgau hat die Staatsanwaltschaft Leipzig gestern ein Strafverfahren eingeleitet. Den beiden Ausbrechern werde gemeinschaftlicher Mordversuch vorgeworfen, sagte Behördensprecher Ricardo Schulz. Es gebe zahlreiche Tatzeugen, die das Geschehen auf dem Gefängnishof und im Besucherraum beobachtet hätten.

Ein 27-jähriger Iraker und der 52-jährige Deutsche Lutz V. hatten am Sonnabend gegen 13 Uhr die beiden Justizbeamten GunnarS. und TorstenM. mit scharf geschliffenen Besteckteilen angegriffen, verletzt und die Schlüssel geraubt. Der Vorfall ereignete sich, als die beiden Männer zusammen mit vier anderen Häftlingen vom Sportplatz zurück auf die Station 1 im sogenannten Kreuzbau geführt wurden. In dem Gebäude befindet sich eine Station für Schwerkriminelle, die besonders lange Haftstrafen verbüßen. Station 1 war zurzeit des Ausbruchversuches mit zwölf Gefangenen belegt.

Den beiden Ausbrechern gelang es, bis zu den Besucherräumen vorzudringen. Im größten dieser Räume hielten sich fünf Gefangene und elf Besucher auf, die von vier Bediensteten, drei Männern und einer Frau, bewacht wurden. Die Beamtin verriegelte die Tür. Zwei ihrer Kollegen überwältigten die Ausbrecher, noch bevor wenig später die Polizei eintraf. Die fünf anderen Gefangenen hatten sich schützend vor die Besucher gestellt und in das Geschehen nicht eingegriffen.

Wie der Sprecher der Torgauer Anstalt gestern mitteilte, gehe es den beiden verletzten Beamten besser. Sie hätten das Krankenhaus bereits wieder verlassen können, seien aber noch nicht im Dienst. Wie die Haftanstalt außerdem bestätigte, wurden die beiden Ausbrecher aus Sicherheitsgründen in andere Gefängnisse verlegt. Insbesondere der 27-jährige Mann aus dem Irak gilt als besonders gefährlich. Angaben der „Torgauer Zeitung“ zufolge war er 1999 in die Bundesrepublik eingereist und im Jahr 2007 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die verbüßte er zunächst in Dresden. Dort war er gegenüber Bediensteten und Mithäftlingen gewalttätig geworden. Deshalb war er im März in den Sicherheitstrakt nach Torgau verlegt worden.

Der andere Ausbrecher, Lutz V., saß seit Jahresbeginn in der Station1. Ihn hatte das Landgericht Leipzig im August 2008 zu neun Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Der 52-Jährige hatte sich wegen Vergewaltigung, sexuellen Kindesmissbrauchs und schwerer Körperverletzung strafbar gemacht und galt als psychisch auffällig.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist bisher unklar, wie die beiden Ausbrecher ihre waffenartigen Gegenstände gefertigt haben. Sie nutzten dazu anstaltsübliches Besteck. Beide hatten keinen Zugang zu den Werkstätten des Gefängnisses und beide lagen auch nicht auf der ein und derselben Zelle.

Der Gang der Gefangenen über den weitläufigen Anstaltshof ist offenbar schon länger als Sicherheitsrisiko bekannt. Bei der seit 2008 laufenden Modernisierung der Torgauer Haftanstalt sei deshalb der Bau eines Tunnelsystems geplant, sagte Anstaltssprecher Sattler.