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Frühjahrsputz: Auf diese Reiniger sollten Sie besser verzichten

Desinfektionsmittel, Sprühreiniger, WC-Duftsteine: Alles Unfug, sagen Hautärzte und Verbraucherschützer. Sie wissen, warum Reinigungsmittel nur mit Vorsicht zu nutzen sind und wie man den Winterdreck trotzdem loswird.

Von Susanne Plecher
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Um Hautreizungen nach dem Putzen zu vermeiden empfehlen Hautärzte Handschuhe zu tragen und nach dem Putzen Pflegeprodukte zu verwenden.
Um Hautreizungen nach dem Putzen zu vermeiden empfehlen Hautärzte Handschuhe zu tragen und nach dem Putzen Pflegeprodukte zu verwenden. © Christin Klose/dpa

Garstig, diese Frühlingssonne. Jeden Fleck rückt sie unbarmherzig ins Licht: auf den Fenstern, dem Teppich, den Gardinen, den Wänden. Staub tanzt durch die Strahlen wie ein lautloser Vorwurf: Hier müsste man auch mal wieder ran.

„Dreck ist nichts anderes als Materie am falschen Ort“, sagt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. Wie recht der Mann hat. An dem Ort, wo sie sich jetzt gerade stapelt, kann die Materie jedenfalls nicht bleiben, denken sich dieser Tage viele Leute und rüsten sich für den Frühjahrsputz. Der Winter ist vorbei, Engel und Bergmänner sind längst in ihre Kellerkisten umgezogen. Der Mensch sehnt sich nach Frische, nach Duft, Licht, Sauberkeit.

Die Industrie bietet dafür eine ganze Phalanx an Helfern. Sie hat Waschmittel zur Textilpflege, Haushaltsreiniger zur Oberflächenreinigung von Fenstern, Arbeitsflächen, Fußböden, Spülmittel zum Abwasch von Geschirr, Spezialprodukte zur Schuh- und Lederpflege, Raumdüfte, WC-Duftsteine, Haushaltsinsektizide. Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass von Jahr zu Jahr mehr Putzmittel gekauft werden. 59,60 Euro hat jeder Deutsche im vergangenen Jahr für solche Reinigungsmittel ausgegeben. Bei einem vierköpfigen Haushalt summiert sich das auf fast 240 Euro. Zehn Jahre vorher waren es noch 52 Euro pro Person. Mit der Pandemie zogen zudem Desinfektionsmittel und Hygienespüler in viele Haushalte ein.

Frische aus der Flasche, los gehts! Doch dann sagt Tristan Jorde in seinem Onlinevortrag zum Sinn des Haushaltsputzes Sätze wie: „Jedes Putzen macht Schmutz an anderer Stelle.“ Oder: „Der Staubsauger macht aus Grobstaub Feinstaub.“ Oder: „Es gibt keine absolute Sauberkeit. Auch, wenn uns Unternehmen die ultimative Reinheit als oberstes Ziel einreden wollen.“ 100 Prozent sauber sei ein Werbemärchen. „Sind wir noch ganz sauber?“, hat der Verbraucherschützer seinen Vortrag genannt.

Wer hat das fieseste Putzmittel?

Man könnte den Frühjahrsputz auf dem Regal mit den Reinigungsmitteln beginnen. „Schauen Sie auf der Rückseite mal nach den Warnhinweisen“, fordert Jorde auf. Welches hat die meisten? In meinem Haushalt gewinnt ein flüssiger Kraftreiniger aus der hintersten Reihe, wo er schon seit Langem steht. Staub flockt von der Flasche. Vier Symbole in schwarz-orange. Tote Fische, Flammen, ein großes Ausrufezeichen sind darauf zu sehen. Dazu gibt es eine ausführliche Beschreibung, die sich liest, als wäre sie aus Frankensteins Grusellabor: Hautreizungen und allergische Hautreaktionen seien möglich, der Reiniger sei für Wasserorganismen sehr giftig und könne „bei Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein“.

Mein nach Orange duftender Kraftreiniger setzt auf ätzende Laugen. Andere arbeiten mit starken Säuren wie Salz-, und Essigsäure, um zum Beispiel Kalk schneller und ohne schrubben zu lösen. Manche Mittel enthalten Alkohol, um etwa Fensterscheiben oder Spiegel zu reinigen. Die meisten setzen auf Emulgatoren, die Fette lösen sollen. „Es gibt da eine sehr breite Palette von Substanzen. Sie sind alle nicht gut für die Haut“, sagt Professor Peter Elsner von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Putzen hat Tücken, ist der Geraer überzeugt.

Putzmittel können zu starken Hautreizungen führen

Das größte Problem, wegen dem Menschen nach dem Putzen die Hilfe von Dermatologen suchen, seien unspezifische Hautreizungen. Dann spannt die Haut, sie ist trocken, rissig, brennt oder juckt. Sie kann Knötchen und nässende Bläschen bilden, Ekzeme und schwere Entzündungen entwickeln. Da schrumpft die Lust auf Frühjahrsputz auf ein Minimum. „So etwas sehen wir ständig“, sagt Elsner, vor allem bei Pflegekräften, Frisören oder Lebensmittelverarbeitern, die viel mit Chemikalien zu tun haben.

Hautärzte sehen starke Hautreizungen aber auch bei Privatpersonen, die sich mit aggressiven Putzmitteln verätzen. Was hilft? Handschuhe tragen und nach dem Putzen Pflegeprodukte verwenden, rät Elsner. Auch Duft- und Konservierungsstoffe gelten als problematisch. Sie sind bekannte Allergene, die bei Hautkontakt allergische Hautreaktionen auslösen können, sagt der Dermatologe.

Duftstoffe suggerieren Sauberkeit, indem sie die Nase auf eine falsche Spur schicken. Mief zu übertönen ist ihre Aufgabe, nicht seine Ursachen zu beseitigen. Die Industrie findet dafür klangvolle, wenn auch nicht immer logische Bezeichnungen. „Almwiese“ zum Beispiel, „Meeresbrise“ oder „Amethyst Blütentraum“. Welcher Quarz duftet schon nach Blumen?

Die Unsinnigkeit der Duftstoffe wird am Beispiel der WC-Duftsteine deutlich. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt regelrecht vor deren Verwendung: Mit jedem Spülgang belasten sie die Gewässer, weil sie oft biologisch schlecht bis nicht abbaubare Wirkstoffe beinhalten. Die töten dann nicht nur die bösen Keime im Klo, sondern auch die nützlichen Mikroorganismen, die das Schmutzwasser in den Kläranlagen säubern.

Um das Toilette-Putzen kommt man trotz des frischen Duftes nicht herum. Auch wenn Hersteller eine kraftvolle Reinigung durch die WC-Steine versprechen, ist ihre putzende und desinfizierende Wirkung zu vernachlässigen. Dem Schmutz im Klo begegnet man besser mit Bürste und WC-Reiniger, raten Sanitärfachleute.

Welche Putzmittel gehören auf die rote Liste?

Verbraucherschützer Jorde ist ein Freund klarer Worte. Er hält die WC-Duftsteine schlicht für „Unfug“. Ähnlich denkt er über die Verwendung von Sprühreinigern. „Der Wirkstoff wird zum großen Teil in die Raumluft und nicht auf die zu reinigende Fläche abgegeben“, sagt er. Da Sprays meist potenziell schädliche Substanzen für die Atemwege enthalten, es sich aber fast nicht umgehen lässt, einen Teil des Sprühnebels einzuatmen, können Allergien, Asthma, Schleimhautschädigungen die Folge sein.

Auf Jordes roter Liste stehen auch Desinfektionsmittel, die daheim angewendet werden. Denn auch sie können Wasserorganismen töten, wenn sie mit dem Abwasser in die Kläranlagen gespült werden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sieht zudem die Gefahr von Allergien, Ekzemen oder Vergiftungen – vor allem, wenn sie in falschen Dosierungen verwendet werden.

Desinfektionsmittel sollte man im Privathaushalt nur in Ausnahmefällen verwenden - das gilt sogar bei Corona-Infektionen.
Desinfektionsmittel sollte man im Privathaushalt nur in Ausnahmefällen verwenden - das gilt sogar bei Corona-Infektionen. © Franziska Gabbert/dpa

Das Robert Koch-Institut (RKI) bläst ins gleiche Horn: Es rät selbst in der Corona-Pandemie von einer routinemäßigen Flächendesinfektion in häuslichen und öffentlichen Bereichen, auch der häufigen Kontaktflächen, ab. Hier sei die angemessene Reinigung das Verfahren der Wahl. Desinfektionsmittel sind im Heimgebrauch auch gar nicht nötig.

Mehr als 90 Prozent aller Oberflächenkeime bekommt man schon bei der gründlichen Reinigung mit üblichen Putzmitteln weg, meint die BZgA. Ausgenommen ist der Fall, dass zu Hause Covid-Kranke versorgt werden. Dann sollte mit Desinfektionsmitteln gewischt, jedoch nicht gesprüht werden. „Die Benetzung der Oberfläche ohne mechanische Einwirkung ist weniger effektiv und auch aus Arbeitsschutzgründen bedenklich, da Desinfektionsmittel eingeatmet werden können“, heißt es beim RKI.

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Allergien, Ekzeme, Verätzungen – das will man alles nicht haben. Aber eine saubere Wohnung schon. „Es braucht dafür keine besonderen Putzmittel“, beruhigt Marcus Gast vom Umweltbundesamt. Klassiker wie Allzweckreiniger, Spülmittel, Bad- und Küchenreiniger reichen völlig aus, um Schmutz von allen wisch- und feuerbeständigen Flächen zu beseitigen. Er empfiehlt, nur solche Reinigungsmittel zu kaufen, die mit dem Blauen Engel oder der Euroblume, dem EU-Umweltzeichen, gekennzeichnet sind. Sie sind im Vergleich zu konventionellen Produkten umweltschonend bei guter Reinigungsleistung.

Frühjahrsputz: „Weniger ist mehr“

Allerdings nur, wenn sie richtig dosiert werden. „Weniger ist mehr“, sagt auch Tristan Jorde. Am besten, so sein Rat, bleibt man beim Putzen an der Untergrenze dessen, was man selbst gut findet. Dieser Tipp umfasst sowohl die Vielzahl der verwendeten Reinigungsmittel als auch die Zeit, die man für Wischen, Schrubben, Saugen, Fegen aufwendet. „Eine vernünftige Hygiene – ja, eine überschießende Hygiene – auf keinen Fall“, sagt Jorde.

Herrlich, diese Frühjahrssonne. Scheint und wärmt und lockt nach draußen. Es wäre doch viel zu schade, das schöne Wetter ausschließlich mit Putzen zu vertrödeln.

Kleines Putzlexikon: Wirkungsweise und Gefahren

Alkalische oder basische Putzmittel sind wirksam gegen organische Verschmutzungen wie Fette, Eiweißverbindungen, Ruß, Öle, etc. Je hartnäckiger die Verschmutzung, desto höher sollte die alkalische Konzentration des Produkts sein. Sie können die Schleimhäute reizen.

Alkoholhaltige Reiniger: sind schmutz- und fettlösend und werden zur Desinfektion von Flächen und Haut oder zum Bekämpfen von Schimmel eingesetzt. Aber: Sie sind brennbar und ihre Dämpfe können Augen und Schleimhäute reizen.

Chlorhaltige Putzmittel: enthalten Natriumhypochlorid, das gegen Schimmel und zur Bakterienbekämpfung eingesetzt wird. Sie sind stark umweltbelastend und sehr gefährlich, wenn sie mit sauren Reinigern gemischt werden. Dann kann sich hochgiftiges Chlorgas bilden.

Neutrale Reinigungsmittel werden für empfindliche oder nur wenig verschmutzte Oberflächen angewendet. Sie arbeiten mit Tensiden, die schmutzbrechende Eigenschaften durch die Herabsetzung der Oberflächenspannung von Wasser haben. Durch ihr Anhaftungsbedürfnis verbinden sie Schmutz wie Fett gut mit dem Wasser. Tenside trocknen die Haut aus.

Säurereiniger enthalten z. B. Essig- oder Zitronensäure, teilweise auch Salz- oder Phosphorsäure. Sie werden im Sanitärbereich eingesetzt, weil sie Kalk, Rost und Urinstein gut lösen können. Sie sind gefährlich für Natursteinböden wie Granit, Marmor oder Schiefer, weil sie die mineralischen Verbindungen beschädigen. Bildet sich ein saures Aerosol, kann es zu Atemwegsreizungen führen.

Quellen: Verbraucherzentrale Hamburg, www.remaconcept.de

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